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Die Bezirksverordnete aus Berlin-Mitte, Ingrid Bertermann.

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Exklusiv

„Fehlende Abgrenzung zu Antisemitismus“: Berliner Linken-Politikerin tritt aus Partei aus

Die Linke streitet weiter heftig über den Nahost-Konflikt. Auch im Bezirksverband Mitte rumort es.

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Die Berliner Linkspartei zerlegt sich weiter selbst im Streit um den Nahost-Konflikt. Nach dem Austritt prominenter Mitglieder wie Klaus Lederer und Elke Breitenbach verlässt nun auch eine Bezirkspolitikerin aus Berlin-Mitte die Linke. Die BVV-Verordnete Ingrid Bertermann wirft ihren Parteikolleg:innen eine „fehlende Abgrenzung gegenüber antisemitischen Positionen“ vor.

Nach dem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem darauf begonnenen Krieg in Gaza habe sie schockiert, dass der Bezirksverband der Linken in Mitte zur Teilnahme an Demonstrationen aufgerufen habe, bei denen auch Befürworter der Hamas mitliefen.

„Das Thema Nahost wurde parteiintern heftig diskutiert. Nicht immer ging man dabei freundlich miteinander um“, sagte Bertermann dem Tagesspiegel. Das Leid der Menschen in Gaza gehe ihr sehr nah, die Mitverantwortung der Hamas zu ignorieren, sei aber nicht die Lösung.

Unsere Solidarität gilt der Zivilbevölkerung in Gaza und im Libanon ebenso wie in Israel.

Martin Neise, Co-Vorsitzender des Bezirksverbands Die Linke in Mitte

Die Fraktionsvorsitzende der Linken in Mitte, Jacqueline Sanehy, und der Co-Vorsitzende des Bezirksverbands, Martin Neise, teilen auf Anfrage mit, dass sie den Parteiaustritt von Ingrid Bertermann bedauern.

Es sei klar, dass die Hamas „eine menschenfeindliche Organisation“ sei. „Unsere Solidarität gilt der Zivilbevölkerung in Gaza und im Libanon ebenso wie in Israel“, betont Neise. Der Krieg in Nahost bewege die Parteimitglieder und der Bezirksverband organisiere regelmäßig parteiinterne Gesprächsformate, bei denen „respektvoll und auf Augenhöhe miteinander diskutiert wird.“

Einige konkrete Nachfragen zu den Antisemitismus-Vorwürfen blieben allerdings unbeantwortet. So äußerten sich Neise und Sanehy nicht dazu, wie sie zum Parteiausschlussverfahren gegen den Neuköllner Palästina-Aktivisten Ramsis Kilani stehen. Dieser hatte in den sozialen Netzwerken wiederholt den Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober verteidigt. Die Terroristen bezeichnete er als „Guerilla-Kämpfer“, ihre Gräueltaten als „antikolonialen Befreiungskampf“.

Der Bezirksverband distanziert sich dazu nicht, ganz im Gegenteil. Die Linken in Mitte hatten auf X mehrere Beiträge zum Thema Kilani geteilt, wie etwa einen Beitrag der EU-Abgeordneten Özlem Alev Demirel. Darin kritisiert sie, dass „Genoss:innen an den Pranger gestellt werden mit unhaltbaren Vorwürfen“. „Euch gehört unsere Solidarität“, heißt es. Genannt wird ausdrücklich auch der Name Ramsis Kilani.

Eklat auf dem Landesparteitag

Mit ihrem Parteiaustritt folgt Ingrid Bertermann dem Beispiel mehrerer prominenter Linken-Politiker wie der früheren Sozialsenatorin Elke Breitenbach, dem früheren langjährigen Landesvorsitzenden und Kultursenator Klaus Lederer, Ex-Fraktionschef Carsten Schatz, dem Rechtsexperten Sebastian Schlüsselburg und Ex-Bausenator Sebastian Scheel.

Am 11. Oktober war es bei einem Landesparteitag zu einer heftigen Auseinandersetzung über einen Antrag gekommen, der auch Judenhass von links thematisierte. Dieser wurde mit knapper Mehrheit so geändert, dass Stellen, in denen es um linken Antisemitismus ging, gestrichen oder abgewandelt worden waren. Der Änderungsantrag wurde unter anderem von der BVV-Verordneten aus Mitte, Martha Kleedörfer, gestellt.

Für Ingrid Bertermann ist es nicht der erste Bruch mit einer Partei. Die Bezirksverordnete war nach der Wahl 2021 von den Grünen zur Linken gewechselt, um sich „für eine sozialere, gerechtere Gesellschaft und vor allem für die immer weiter an den Rand und in die Armut gedrängten Menschen“ einzusetzen, schrieb sie damals in einem Abschiedsbrief.

Seit einiger Zeit hätten sich im Bezirksverband der Linken aber diejenigen Positionen und Akteur:innen durchgesetzt, mit denen sie persönlich am wenigsten übereinstimme, sagte sie dem Tagesspiegel. Deshalb wolle sie nun als fraktionslose Verordnete in der BVV weitermachen.

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