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„Dieses Auto gehörte zum Kiez wie ein Baum“: Professor muss Protest-Oldtimer in Kreuzberg nach acht Jahren umparken
Seit 50 Jahren ist er im Kiez, seit acht Jahren steht er auf demselben Parkplatz: Ein Kult-Opel ist zum Protestmobil gegen grüne Verkehrspolitik geworden. Er findet sich sogar in einer Stasi-Akte.
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„Dann wollen wir mal schauen, ob er noch anspringt“, lacht Hanns-Lüdecke Rodewald. Der ehemalige Professor für Fahrzeugtechnik muss seinen Wagen nach rund acht Jahren umparken. Seit 2017 steht er vor dem Café „Zazza“ in der Schönleinstraße, Berlin-Kreuzberg.
Doch die Straße soll zur autofreien Zone und mit Pollern abgesperrt werden. Daher muss Rodewald seinen 1956er Opel Olympia entfernen, bevor es das Ordnungsamt tut.
Der Wagen ist sein wissenschaftliches Langzeitprojekt. Der Professor untersucht, wie lange man ein Auto fahrtüchtig halten kann, wenn man nur die notwendigsten Reparaturen unternimmt. 1977 wurde es zuletzt gewaschen. „Aber Waschen war in Kreuzberg schon immer uncool“, ruft Rodewald aus dem Auto, steckt jetzt den Schlüssel ins Zündschloss.
Dass immer mehr Parkplätze im Kiez wegfallen, findet Rodewald gar nicht gut. Seit über 50 Jahren parkt er im Kiez. Auf dem Stellplatz vor dem Café ist das Mobil kult geworden.

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Rodewald dreht den Schlüssel herum, der Motor stottert. Was sagen Anwohnende, der Besitzer des Cafés sowie der von den Grünen regierte Bezirk zu seinem Projekt? Das Auto jedenfalls soll den Kiez nicht verlassen und wieder dort stehen, wo es zum Fall der Berliner Mauer geparkt hat. Ob dieser Stellplatz noch frei ist?
Stress mit den Behörden gab es oft. Doch der Opel ist fahrtüchtig und hat TÜV. Nur das zählt. Der Wagen darf auf dem kostenlosen öffentlichen Parkplatz stehen, solange er möchte und eine Plakette hat. Viele Passant:innen denken, das Auto gehöre zum Café direkt dahinter. Tourist:innen machen Fotos. In der Nachbarschaft ist bekannt, wem das Auto gehört.

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„Der Wagen muss bleiben“, fordert Helga Hartmann. Die Anwohnerin kommt mit dem E-Rollstuhl vorbei. Sie habe schon einen Antrag beim Abgeordnetenhaus gestellt. Auch Selcuk Demir will den Wagen am liebsten an Ort und Stelle behalten. Seine Kund:innen würden das interessant finden, erzählt der Café-Inhaber und bringt Rodewald einen schwarzen Tee. Wie immer in den letzten Jahren mit Hafermilch und exakt 3,22 Minuten Ziehzeit.
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„Das Auto ist hier eingewurzelt wie ein Baum, ist eins mit dem Café geworden.“ Demir sei traurig und die Umbaumaßnahmen findet er sinnlos. Es habe immer gut geklappt hier im Kiez, man brauche keine Fahrradstraße.

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50 Meter der Straße sollen für den Durchgangsverkehr durch Poller mit Schranken abgesperrt werden. Parkplätze fallen weg, dafür kommen grüne Wiesen, eine Station für E-Gefährte und Fahrradbügel. „Wir verbessern die Verkehrssicherheit und das Radnetz“, verteidigt Verkehrsstadträtin Annika Gerold (Grüne) die Maßnahmen. „Es gibt mehr Lebensqualität für die Anwohnenden.“

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Rodewald dreht den Schlüssel nochmal herum. Diesmal springt der Wagen an. „Ich habe nicht dran gezweifelt“, freut er sich. Ungefähr zweimal im Jahr hatte er sein Auto bewegt: zum TÜV und zu Oldtimer-Treffen. Wenn er wegfuhr, hielt seine Frau mit ihrem Auto den Parkplatz vor dem Café besetzt.

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Nur noch 30 Exemplare dieser Sorte gibt es. 1977 wollte Rodewald seinen Liebling mal verkaufen, doch dem potenziellen Abnehmer waren die 500 Mark zu viel. In den 90er Jahren stufte ihn die Polizei als „Vollwrack“ ein, aber Rodewald konnte TÜV und Fahrbarkeit nachweisen. Ein Gesetz, das Auto zu putzen, gibt es nicht.

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Später wurde der Kiez zur Umweltzone. Eine Zeit lang fuhr Rodewald seinen Opel auf dem Anhänger weg und wieder her. Eine Umweltplakette hat er bis heute nicht, auch kein Oldtimer-Kennzeichen. Aber eine Sondergenehmigung vom Amt, da er sein Gefährt als Objekt für seine Studien und für die Universität benötige. Rodewald hat das Amt überzeugen können, das ist schon einige Jahre her, die Genehmigung gilt für zwei Jahre, wurde immer wieder verlängert und ist hinter der Windschutzscheibe platziert.

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Rodewald selbst hat Bachelorarbeiten zu seinem Wagen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin betreut. 2012 fuhr mal ein Leihwagen in den parkenden Opel hinein. Der Unfallverursacher war der Meinung, es habe „keine Schadensvergrößerung“ gegeben, doch ein Gutachter schätzte den Wert auf 19.000 Euro, der dann bezahlt werden musste.
Auch in Rodewalds Stasiakte hat der Opel einen Eintrag, als ein „Wagen mit geringem Zeitwert“. Rodewald lebte in West-Berlin, ein Freund von ihm wurde beschattet.
Rodewald dreht eine Runde, wendet den Opel neben den laufenden Bauarbeiten für die neuen Grünflächen. Das Auto seiner Frau hält ihm einen Stellplatz frei im Kiez. Genau dort, wo er 1989 bei der Eröffnung der Mauer gestanden hat. Doch dann entdeckt Rodewald einen besseren Stellplatz, direkt gegenüber vom Café Zazza. Als ein Auto ausparkt, fährt er in die Lücke. Womöglich muss er auch dort bald den Platz räumen, der Bezirk will den Kiez weiter umgestalten.

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„Verkehrsberuhigte Zonen finde ich öde“, sagt Rodewald aus dem Auto heraus. „Ich finde Kieze mit Autos lebendiger und spannender.“ Als er weg ist, kommt ein Arbeiter und sperrt den Parkplatz ab.
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