
© Dominik Lenze
Ungewöhnliches Biotop in Berlin-Lichtenberg: Auf diesem alten Stasi-Gelände gedeihen Schafe, Fledermäuse und Molche
Für Tiere und Pflanzen ist der Naturhof Malchow ein wichtiger Lebensraum im Berliner Norden. Die Vorgeschichte des Areals kennt nicht jeder.
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Wo früher die Stasi saß, wachsen heute Kräuter, Wiesenblumen und Ideen. Auf dem Gelände des Naturhofs Malchow, weit oben im Norden des Bezirks, betreibt der Verein Naturschutz Berlin-Malchow e. V. seit über 30 Jahren ein Zentrum für Umweltbildung und Artenvielfalt.
„Damals war das alles ruinös“, erinnert sich Geschäftsführerin Beate Kitzmann, die den Verein 1992 mitgründete. Das Areal an der Dorfstraße 35 gehörte vor der Mauerfall dem Ministerium für Staatssicherheit. Der Bereich hinter den Gebäuden des Naturhofs – heute ein ausladender Garten – war damals ein toter, asphaltierter Parkplatz.

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„Wir haben diese sehr fragwürdige Immobilie übernommen“, erzählt Beate Kitzmann. Heute ist aus dem einstigen Stasi-Gelände ein lebendiger Lernort für Naturinteressierte von „null bis 99“ geworden, wie Kitzmann sagt. „Wir nehmen aber auch 103-Jährige!”, sagt sie. Der Hof wurde 1889 errichtet und ist Teil eines denkmalgeschützten Ensembles. Der frühere Schweinestall, der sogenannte „Kappensaal“, dient nun als Veranstaltungsraum. Über eine Kamera kann man auch ein bewohntes Storchennest auf dem Gelände beobachten.
Hof-Idylle am Stadtrand
Wer einen Blick hinter die Hofgebäude mit ihren Klinkerfassaden wagt, findet sich in einem Naturidyll wieder: Hohes, ungemähtes Gras bietet Insekten ein sicheres Zuhause, und zwischen Apfel-, Birnen- und Pflaumenbäumen grasen derzeit zwei Schafe – eine Leihgabe eines Schäfervereins. Zudem kümmert sich der Naturhof um rund 80 Rinder, die auf etwa 140 Hektar Grünland im Bezirk weiden, teils in Schutzgebieten. „Das sind unsere vierbeinigen Landschaftspfleger“, erklärt Kitzmann schmunzelnd.
Der Garten ist so angelegt, dass es für Besucherinnen und Besucher nicht nur Gelegenheiten zum Staunen, sondern auch zum lernen gibt: So befindet sich auf dem Gelände ein Sinnesparcours, ein Färberpflanzenbeet und bald auch ein „Sandarium“ – einen Lebensraum für bodenbewohnende Insekten. „Nur 20 Prozent der Wildbienen nisten in Löchern, die meisten brauchen Erde“, erklärt Kitzmann.

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Auf dem Gelände wachsen auch spezielle Blumen, die Fledermäuse anlocken. „Aber Pflanzen duften nur nachts – das zieht Insekten an, und die Fledermäuse folgen”, erklärt Kitzmann.
Frische Landluft statt Labor
Kitzmann ist Stadtkind, aufgewachsen in Berlin. Das Interesse an der Tier- und Pflanzenwelt wurde aber schon früh geweckt, und zwar im Garten ihrer Großeltern, wo sie schon als Kind Stachelbeeren erntete. Später studierte sie Biologie. Gärten und Wildnis zog sie aber dem Labor vor: „Freiland-Biologin hier am Hof habe ich meine Arbeit quasi nochmal neu gelernt”, sagt sie.
Kinder kennen inzwischen mehr Automarken als Vogelnamen
Biologin Beate Kitzmann, Geschäftsführerin des Naturhofs Malchow
Die Begeisterung und auch das Wissen will Kitzmann weitergeben: „Die Kinder kennen ja inzwischen mehr Automarken als Vogelnamen“, sagt sie. Deshalb entsteht auf dem Gelände bald auch ein Artenkenntis-Haus. Dort sollen künftig Menschen ausgebildet werden, die Tiere und Pflanzen bestimmen können. „Nicht nur die Arten verschwinden, sondern auch die Artenexperten“, sagt Kitzmann.
Doch selbst im idyllischen Naturhof am Stadtrand sind die Folgen des Klimawandels spürbar. Der Teich hinter der alten Scheune trocknet seit inzwischen zwei Jahren aus. „Es gibt nicht mehr genug Niederschläge“, erklärt Kitzmann. Regenwasser werde inzwischen gezielt von den Dächern in den Teich geleitet, doch das reicht kaum.
In diesem Herbst ist das leere Teichbecken nur noch mit Laub befüllt – und doch, wie Kitzmann erklärt, nach wie vor bewohnt: „Die Teichmolche überwintern da unten im Schlamm”, sagt sie. Zumindest so lange, wie es für die Amphibien noch feucht genug ist.
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