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Wahlen 2016: Reaktionen auf Gründung der Bürgerunion: "Man kann nicht sagen, alles ist schlecht"
Nach der Ankündigung einiger Bürger in Steglitz-Zehlendorf mit einer Wählergemeinschaft 2016 bei den Wahlen anzutreten, fallen die Reaktionen der etablierten Parteien eher gelassen aus.
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Die kommende Wahl in Berlin könnte zumindest im Bezirk Steglitz-Zehlendorf noch spannender werden als sonst. Nach der Ankündigung der künftigen "Bürgerunion" 2016 um den Einzug ins Rathaus zu kämpfen, haben die etablierten Parteien allerdings gelassen reagiert. Der Grünen-Kreischef Norbert Schellberg sagte dieser Zeitung: "Mehr Wettbewerb ist gut für den Bezirk. Wir freuen uns, wenn mehr Bürger konstruktiv an guten Lösungen arbeiten. Sorgen machen uns eher die Leute, die sich gar nicht engagieren."
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl Georg Wellmann, der seinen Wahlkreis in Steglitz-Zehlendorf hat, warnt davor, die Bürgergruppe zu unterschätzen oder ihre Anliegen zu missachten. Er sagte dem Tagesspiegel: "Wir nehmen diese Gruppe von Bürgern und ihre Sorgen und Anliegen sehr ernst. Es ist ihr demokratisches Recht, sich in Initiativen oder Wählergemeinschaften zusammenzufinden."
Wellmann wies aber auch daraufhin, dass "wir in einer Parteiendemokratie leben, in den Parteien werden die wichtigen politischen Entscheidungen getroffen. Es wäre gut, wenn mehr engagierte Bürger in demokratische Parteien kommen würden, um Entscheidungen dort zu treffen. Das geschieht tatsächlich in vielen Fällen."
Indirekt übte der Bundestagsabgeordnete Kritik an den Grünen im Bezirk, die mit der CDU eine langjährige Zählgemeinschaft bilden. Eines der Motive der Bürgerunion ist nach eigenen Angaben die vom "Bezirksamt mangelhaft organisierte beziehungsweise unterlassene Bürgerbeteiligung", wie beispielsweise beim Streit um das generelle Hundeverbot am Schlachtensee. Das Verwaltungsgericht hat gerade die Argumentation des Bezirks verworfen, das Verbot muss aufgehoben werden.
Vor allem die Grünen-Stadträtin Christa Markl-Vieto hatte sich für das Verbot eingesetzt und wollte wegen der "starken Hundelobby" keine Kompromisse eingehen. Nun sagt Wellmann: "Vielleicht ist die eine oder andere Entscheidung im Bezirk zu kompromisslos getroffen worden, etwa beim Hundeverbot. Man hätte von Anfang an mehr auf die Leute zugehen müssen, um nach Kompromissen zu suchen. Bürgerbeteiligung findet ja durchaus statt, von den Flugrouten bis zu Bauprojekten. Das ist der Anspruch der CDU."

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Wellmann kennt sich aus mit Wählergemeinschaften. Er hat miterlebt, wie sich Mitte der siebziger Jahre in Zehlendorf die WUB gründete, die "Wählergemeinschaft Unabhängiger Bürger". Damals wollte diese einen Tunnel verhindern. Wellmann und andere waren in der CDU ebenfalls gegen den Tunnel, verteilten Flugblätter, manchen wurde sogar mit Parteiausschluss gedroht. Man konnte sich in der Partei nicht durchsetzen, die WUB zog ins Rathaus ein und blieb viele Jahre, bis sie sich 2001 auflöste. Zwischenzeitlich stellte sie zwei Stadträte und kam auf über 17 Prozent der Stimmen. Wellmann weiß also genau, man darf jetzt als etablierte Partei keine Fehler machen. Er sagt: "Früher meinten viele in der Politik, die Bürger würden nur stören beim Verwalten, weil sie unkundig seien. Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Wir dürfen niemals den Eindruck erwecken, als würden die Belange der Bürger nicht ernst genommen."

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Kritischer sieht der Fraktionschef der SPD die Gründung der Bürgerunion. Norbert Buchta sagt zwar, dass auch er sich auf den "Wettbewerb freut, weil dann alle demokratisch gezwungen werden, neu zu denken". Aber er hat auch Bedenken: "Es wäre nicht gut, wenn diese Gruppe rein monothematisch auftritt, um nur ihr Hauptanliegen, nämlich den Bau des Rugbystadions vor ihrer Haustür zu verhindern." Buchta fragt sich, ob die Bürgerunion wirklich wisse, was in der kommunalpolitischen Arbeit auf sie zukomme. "Man kann eben dann nicht nur sagen, alles ist schlecht."
Piraten begrüßen das Engagement
Die Piraten-Fraktion in Steglitz-Zehlendorf begrüßt es, "wenn sich Menschen in unserem Bezirk engagieren und sich genauso wie wir für Bürgerbeteiligung und Transparenz einsetzen. Die Analyse, dass die Menschen im Bezirk nicht ernst genommen werden und es nur wenig wirkliche Bürgerbeteiligung gibt, teilen wir. Schwarz-Grün hat zwar im letzten Wahlkampf das alles versprochen, nur gehalten haben sie es nicht." Man freue sich, "wenn viele Bürger mit uns gemeinsam für viel mehr Beteiligung und Mitsprache kämpfen und somit die etablierten Parteien vorantreiben." Allerdings: Man muss erst noch abwarten, welche Forderungen außer den bisher genannten von der Bürgerunion aufgestellt werden

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Die Bürgerunion soll aus einer Bürgerinitiative hervorgehen, die sich in Dahlem zunächst vor allem gegen den Bau einer Rugbyanlage für den Berliner Rugby Club auf dem Gelände der Wilma-Rudolph-Schule ausgesprochen hat. Vor allem das Unternehmerehepaar Cornelia und Patric Neeser scharen nun aber Mitstreiter um sich, die vor allem aus dem bürgerlichen Lager kommen, um generell für mehr Kommunikation und Bürgerbeteiligung zu kämpfen. Es gehe eben nicht darum, das Ergebnis politischer Entscheidungen in Frage zu stellen, sondern den Weg dorthin transparenter zu gestalten. "Wertschätzung und Respekt" gegenüber den Bürgern kommen aus Sicht der Neesers zu kurz.
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