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Neuköllner Politik diskutiert über Femizide: „Erzieht nicht eure Töchter – erzieht eure Söhne“
In Britz wird eine Frau von ihrem Partner erstochen. Die Bezirkspolitik will Femizide wirksamer bekämpfen – mit Schutzräumen, Prävention und Täterarbeit.
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Im April wurde eine Frau in Britz von ihrem Partner erstochen. Es handelt sich dabei um den vierten Femizid in Berlin in diesem Jahr. Als Femizid bezeichnet man die Tötung einer Frau durch einen Mann oder mehrere Männer, weil sie eine Frau ist.
Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Neukölln nahm den Fall zum Anlass, um geschlechtsspezifische Gewalt als strukturelles Problem zu diskutieren und sich klar dagegen zu positionieren.
„Femizide sind keine Einzelfälle – sie sind das Ende von Gewaltspiralen“, sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Samira Tanana (Grüne). Zusammen mit der Linken hatte ihre Fraktion eine Entschließung in die BVV eingebracht, die mit den Stimmen von Grünen, Linken, SPD und CDU verabschiedet wurde.
Insgesamt gab es 41 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen der AfD. Der Beschluss bekräftigt, Femizide als strukturelles Problem anzuerkennen und mit Schutzräumen, Prävention, Täterarbeit und der vollständigen Umsetzung der Istanbul-Konvention wirksam zu bekämpfen.
In der Debatte wurde deutlich: Gewalt gegen Frauen zieht sich wie ein roter Faden durch viele politische Themen – von Gesundheit über Sicherheit bis Wohnungsnot. „Es beginnt mit Worten, mit Schweigen, mit dem Lachen über sexistische Witze“, sagte Annika Liebenau (CDU).
Es beginnt mit Worten, mit Schweigen, mit dem Lachen über sexistische Witze.
Annika Liebenau (CDU)
Viele Betroffene blieben unsichtbar. „Nur weil man in seinem Umfeld noch nie von einer betroffenen Frau gehört hat, heißt das nicht, dass es sie nicht gibt“, betonte Katheryn Herrmann Aguero (Grüne).
Stärker auf die Täter blicken
Einigkeit herrschte darin, stärker auf die Täter zu blicken. „Wenn wir Opfer kennen, kennen wir auch Täter“, hieß es mehrfach. „Erzieht nicht eure Töchter – erzieht eure Söhne“, forderte Marko Preuß (SPD). Auch Bezirksverordneter und Polizist Volker Hertzberg (CDU) sieht die Ursachen früh verankert: „Das Gewaltpotenzial entsteht in der Erziehung.“
Aus seiner Polizeiarbeit berichtete er, wie Frauen nach Gewalttaten oft in Schutzräume gebracht würden – und dennoch zurückkehrten. „Wir können bestenfalls, und das unterstütze ich absolut, Schutzräume schaffen, die sie für einen kurzen Zeitraum aus der Situation rausholen“, sagt er.
Der Bezirksverordnete Georg Frankl (Linke) weist darauf hin, wie Wohnungsnot die Lage verschärft. „Der Berliner Mietmarkt ist pure Gewalt, und Frauen leiden besonders darunter“, sagte er. Er fordert eine stärkere Regulierung des Wohnungsmarkts, damit Frauen nicht aus Mangel an Alternativen in gewaltvollen Beziehungen bleiben müssen.
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