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Hélène Jean und Karin Zwick (r.) vom Verein „Silent Rixdorf“, aufgenommen am 14. April

© Madlen Haarbach

Neuköllner Nachbarschaftsprojekt „Silent Rixdorf“: Wie ein Privatgarten zum Treffpunkt für Kultur und Kiez wurde

Seit fast 20 Jahren wohnt Karin Zwick im historischen Dorfkern. Mittlerweile teilt sie ihren Hinterhof mit der Nachbarschaft – auch, wenn der Spagat zwischen Besuchern und Natur nicht immer leichtfällt.

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Karin Zwick keschert einen schwarzen, kaum daumenlangen Lurch aus dem Teich. „Molche sind meine zweitliebsten Tiere“, sagt sie. „Ich finde die toll, die bewegen sich wie kleine Wasserdrachen.“ Zwick strahlt. An einem Vormittag im April führt sie eine Kindergruppe durch ihren Garten mitten im historischen Dorfkern in Rixdorf.

Was einst ihr privater Rückzugsort war, ist längst ein Treffpunkt für Nachbarschaft und Kulturangebote geworden. Der Verein „Silent Rixdorf“ veranstaltet hier Konzerte, Filmabende und Partys – immer jedoch, der Name deutet es an, leise: Besucher:innen tragen Kopfhörer, um Natur und Nachbarschaft nicht zu stören.

Manchmal führt die gelernte Sozialpädagogin auch Gruppen durch den naturnah gestalteten Garten, so wie an diesem Morgen. Zwick erzählt den staunenden Kindern einer benachbarten Grundschule von den Erdkröten Lisbeth und Franz und ihrer Hoffnung, dass in diesem Frühjahr möglichst viele Kaulquappen schlüpfen. Erdkröten sind übrigens Zwicks liebste Tiere.

Zwick versucht auch, die Kinder zu sensibilisieren: „Ich weiß, dass Kinder gerne Steine ins Wasser werfen“, sagt sie. „Aber stellt euch vor, ihr würdet da im Teich leben und einer würde euch Steine auf den Kopf schmeißen.“ Die Kinder machen große Augen. „Soll ich euch mal die Hühner zeigen?“, fragt Zwick kurz darauf und die Kindergruppe stürmt in den hinteren Teil des Gartens, vorbei an einer Baustelle.

Zwick hält ein Huhn im Arm, die Kinder streicheln über die weichen schwarzen Federn. „Ich hab schon ganz oft Hühner angefasst, vor allem Chicken Wings“, sagt ein grinsender Junge. Zwick lacht. Dann erzählt sie, wie die Hühner die Reste der Lebensmittel verspeisen, die jeden Dienstag beim Foodsharing übrig bleiben. Sie zeigt auf eine angeknabberte Melone. „Hühner sind die besten Resteverwerter, die essen einfach alles“, erklärt sie.

Früher war das ein normaler Familiengarten

Als Zwick und ihre Familie 2006 in das Haus zogen, war die Grünanlage dahinter ein normaler Familiengarten. Nach und nach habe sie den naturnah umgestaltet, irgendwann kamen 13 Hühner dazu. Dass davon nur noch fünf übrig seien, liege am Fuchs, erzählt sie. „Aber der muss seine Kinder ja auch ernähren.“

Irgendwann habe ihr Sohn, selbst Musiker, vorgeschlagen, Konzerte und Veranstaltungen mit Kopfhörern im Garten zu organisieren. „Da war ich erst mal überhaupt nicht überzeugt und dachte, die Leute trampeln alle durch meine Beete“, erzählt Zwick. Nach drei, vier Jahren hatte ihr Sohn sie dann aber überredet.

Neunundneunzig Prozent der Leute behandeln den Garten respektvoll.

Karin Zwick über die Besucherinnen in ihrem Garten

Ihre Befürchtungen hätten sich nicht bestätigt, sagt Zwick. „Neunundneunzig Prozent der Leute behandeln den Garten respektvoll“, erzählt sie. „Die meisten sind begeistert, dass sie den Garten besuchen können.“

Es gebe hin und wieder Ausnahmen, klar. Sie habe einmal eine Zigarettenkippe aus dem Teich gefischt, „da war ich echt sauer“. Und manchmal würden Eltern ihre Kinder wild durch den Garten und über die Beete rennen oder überall herumstochern lassen. Da sei sie dann eben diejenige, die den Kindern erklären müsse, dass das nicht geht.

Hélène Jean (links) unterstützt Karin Zwick bei einem deutsch-französischen Freiwilligendienst.

© Madlen Haarbach

„Wir versuchen hier, den Spagat zu schaffen: Wir wollen ein naturnaher Garten sein, mit vielen Tieren und Lebewesen, die sich hier wohlfühlen“, sagt Zwick. „Wir sind aber auch Veranstaltungsort für coole Events, das muss unter einen Hut gebracht werden.“

Um die Veranstaltungen kümmert sich der Verein „Silent Rixdorf“, zudem hat Zwick mit der Französin Hélène Jean eine Freiwilligendienstlerin an ihrer Seite.

In diesem Jahr kommt noch eine neue Herausforderung hinzu: Der Garten soll barrierefrei werden. Dafür hat der Verein Gelder beantragt. Künftig sollen Rollstuhlfahrer:innen oder Menschen mit Rollatoren zur Toilette und zum Teich fahren können. Bis es so weit ist, muss Zwick mit einer Baustelle in ihrem Garten leben. „Dadurch sind wir erst einmal gehandicappt“, sagt sie mit Blick auf die Veranstaltungen.

Im vergangenen Jahr fanden rund 40 Events im Garten statt, neben Konzerten lokaler Künstler auch Filmabende und Partys wie das beliebte Honigfest. Was in diesem Jahr möglich sei, müsse sich noch zeigen, sagt Zwick. Sie wolle aber in jedem Fall an den Wochenenden wieder für den Kiez öffnen – und die Konzerte müssen dann eben erst mal kleiner ausfallen.

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