
© Nick Wilcke
Berliner „Fuchs-Parlament“: Ein Jugendparlament, das mehr sein will als Symbolpolitik
Was passiert, wenn Kinder und Jugendliche den Saal der Bezirkspolitik übernehmen? In Reinickendorf formiert sich ein Jugendparlament, das schon erste Projekte plant.
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Am Mittwoch haben hier noch die Erwachsenen gesessen. Im Saal der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im Rathaus Reinickendorf verhandelten sie während der einmal im Monat stattfindenden Sitzung über eine mögliche vierte Mahd, die Bebauung des TXL-Geländes und über den Verkehr im Waldseeviertel. Mehrere Stunden ging es zwischen Rednern und Fraktionen hin und her, während draußen der Abend zur Nacht wurde.
Heute, am Donnerstag, ist alles anders. Heute sind die Kinder dran. Mit ihren lilafarbenen Shirts, Federmäppchen und bunten Stiften könnten sie sich von den Bezirksverordneten kaum stärker unterscheiden. Im Grunde aber machen sie dasselbe: Sie sprechen und diskutieren über Maßnahmen, um ihren Bezirk zu einem besseren Ort zu machen.
Viermal im Jahr trifft sich das junge „Fuchs-Parlament“
Seit dem Sommer gibt es nämlich auch in Reinickendorf ein Parlament für Kinder und Jugendliche, das „Fuchs-Parlament“. Viermal im Jahr wollen sich die etwa 50 Mitglieder im Alter zwischen sechs und 21 nun treffen, um über Themen zu sprechen, die für sie und ihre Altersgenossen im Mittelpunkt stehen.

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Ich finde es schade, dass die Interessen von Kindern und Jugendlichen nicht umgesetzt werden, vor allen Dingen beim Klima.
Lysander
Mit dabei ist auch Lysander, er geht in die 12. Klasse und hilft schon von Beginn an mit, das „Fuchs-Parlament“ aufzubauen. Als Vorstand im sogenannten Fuchs-Rat ist er verantwortlich für Organisation und Moderation der Treffen. „Ich finde es schade, dass die Interessen von Kindern und Jugendlichen nicht umgesetzt werden, vor allen Dingen beim Klima”, sagt er.
Jugendfördergesetz soll junge Menschen sichtbarer machen
Im Fuchs-Parlament gibt es für ebendiese Interessen unterschiedliche Arbeitsgruppen: Klima, Umwelt und Armut. Welche AGs es geben soll, haben die Kinder selbst demokratisch entschieden, wie Gloria Amoruso, Geschäftsführerin des Trägers „kein Abseits e.V.“, erklärt. Gemeinsam mit dem Stab des SPD-Bezirksverordneten Alexander Ewers hat sie das Fuchs-Parlament möglich gemacht.
In Berlin wurde dazu bereits vor drei Jahren ein Gesetz auf Landesebene beschlossen, nach welchem in den Bezirken Jugendparlamente etabliert werden sollen. Mit dem Jugendfördergesetz sollten die Stimmen der Kinder und Jugendlichen in den Bezirken hörbarer gemacht werden. Das war auch nötig, sagt Lysander. „Junge Menschen sollten ernst genommen werden, sie haben wichtige Bedürfnisse und gute Ideen.“
Müllsammelaktion, Social-Media-Kampagne – an Ideen mangelt es nicht
Bei den Sitzungen des Parlaments arbeiten sie bereits eifrig an ersten Ideen: eine Müllsammelaktion in öffentlichen Parks steht im Raum. Oder auch eine Kampagne auf Social Media, um auf die Sauberkeit in Parks aufmerksam zu machen. Denn das Jugendparlament hat auch einen eigenen Instagram-Kanal und eine AG für Öffentlichkeitsarbeit.

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In den kommenden Monaten soll außerdem geklärt werden, in welcher Form die Beschlüsse aus dem „Fuchs-Parlament“ auch in die BVV eingebracht werden können. Eine Option wäre es, den Kindern die Möglichkeit zu geben, in die Ausschüsse eingeladen zu werden, um dort ihre Ideen vorzutragen.
Ich bin kein Fan davon, das einfach nur als Show-Veranstaltung zu machen, wir wollen nachhaltige Strukturen schaffen.
Alexander Ewers, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion in der BVV Reinickendorf.
„Wir nehmen das sehr ernst und wollen eng mit dem Fuchs-Parlament zusammenarbeiten”, erklärte Alexander Ewers (SPD). “Ich bin kein Fan davon, das einfach nur als Show-Veranstaltung zu machen, wir wollen nachhaltige Strukturen schaffen und lieber mit den Kindern sprechen, als nur über sie zu reden.”
Lysander will auch nach dem Abitur weiter gestalten und mitreden. Für sein Engagement wurde er nun mit seinen Vorstandskollegen Lena und Simon für den Reinickendorfer Ehrenamtspreis nominiert. Bahnt sich da etwa eine Politikerkarriere an? „Joa, es drängt mich noch nicht so”, sagt der 17-Jährige und lacht. „Viel lieber würde ich Medizin studieren und solange es noch geht, beim Fuchs-Parlament bleiben.”
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