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Schullandheim Walter May

© Nick Wilcke

Die eigene Mutter zeigte ihm den Job: Dieser Berliner begründete als Heimleiter eine Handy-Philosophie

36 Jahre lang war der Berliner Jörg Petersen Leiter eines Schullandheims. Den Job übernahm er direkt von seiner Mutter. Jetzt geht er in den Ruhestand – und sagt, woran er sich immer erinnern wird.

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Es gibt Menschen, die ihren Beruf machen, weil man eben einen Beruf machen muss. Die vierzig oder mehr Stunden in der Woche arbeiten, nur um Geld zu verdienen und sich das Leben leisten zu können. Dann gibt es Menschen, die ihre Arbeit lieben, die morgens gerne zur Arbeit fahren und am Sonntagabend schon auf den Montagmorgen warten.

Und dann gibt es Jörg Petersen. Zu sagen, der 70-Jährige wäre für seinen Job gemacht gewesen, wäre eine Untertreibung. Petersen war Heimleiter im Reinickendorfer Schullandheim Walter May. 36 Jahre lang. Für dieses Lebenswerk wurde er am ersten Dezemberwochenende von Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU) mit der Humboldtplakette ausgezeichnet.

Damit endet für Petersen, das Schullandheim und eigentlich für den ganzen Bezirk eine Ära. Denn bevor er die Leitung am 1. November 1989 übernahm, führte seine Mutter Renate Petersen 35 Jahre lang die Geschäfte im Landheim zwischen Heiligensee und Konradshöhe. Und nicht nur das: Gemeinsam mit ihrem Mann und den drei Kindern wohnte sie sogar auf dem Gelände, in einer kleinen Einliegerwohnung direkt beim Landheim. Jörg Petersen wohnt dort noch immer.

„Sobald ich alt genug war, waren die Kinder im Landheim immer meine Spielkameraden“, erinnert sich Petersen. Damals kam es für ihn noch nicht in Frage, eines Tages mal die Leitung zu übernehmen. Erst einmal fing er in Wedding eine Lehre zum Landschaftsgärtner an und arbeitete beim Bezirksamt.

Das Schullandheim als Familiensache

Als seine Mutter in den Ruhestand gehen wollte, suchte der Bezirk händeringend nach einer Nachfolge. Der damalige Bezirksstadtrat für Jugend und Sport und spätere Bezirksbürgermeister Detlef Dzembritzki fragte Petersen schließlich, ob er es sich nicht vorstellen könnte, auf seine Mutter zu folgen. „Nur unter einer Bedingung habe ich damals gesagt“, erklärt Petersen. „Wenn meine Mama noch dabei bleibt und mich einarbeitet.“

Inzwischen ist das Schullandheim Walter May eine echte Institution im Bezirk. Manche behaupten sogar, dass nahezu jedes Berliner Kind schon mal dort gewesen ist. Schon seit Beginn seiner Amtszeit führt Petersen Statistik: etwa 32 Wochen im Jahr ist das Landheim belegt, 25 Kinder im Schnitt pro Klasse und zwei Lehrer schlafen dort montags bis freitags. Pro Jahr entspricht das etwa 800 Schülern. Viele von ihnen sind zum ersten Mal weg von den Eltern.

Kinder mit Smartphones? Petersen hat eine eigene Philosophie

Probleme mit den Schülern hatte Petersen praktisch nie. „Vielleicht gab es mal ein, zwei Schüler, bei denen ich froh war, wenn die am Freitag wieder nach Hause gefahren sind, aber das war in den mehr als dreißig Jahren wirklich die absolute Seltenheit.“ Und selbst wenn die Lehrer schon angedeutet hatten, dass ein Kind etwas schwierig werden könnte, war der Heimleiter unbeirrt. „Selbst Kinder, die in der Schule Schwierigkeiten oder zuhause kein gutes Umfeld hatten, waren hier ausgelassen“, erinnert er sich.

Um das zu garantieren, gab es im Schullandheim Walter May die sogenannte Petersen-Philosophie: Grundsätzlich gilt Handy- und Internetverbot auf dem Gelände, nur die Viert-, Fünft- und Sechstklässler bekommen abends für eine Stunde ihr Mobiltelefon. Ansonsten heißt es: Natur genießen, draußen sein. Und wenn es regnet, dann wird gemeinsam ein Film geschaut. Sonst bleibt der Fernseher aus.

So ganz geht Petersen dann doch nicht

Ob die Petersen-Philosophie auch von seiner Nachfolgerin Judith übernommen wird, das überlässt der 70-Jährige ganz ihr. So ganz geht Jörg Petersen allerdings nicht. Noch etwa drei Jahre wird er in der Einliegerwohnung am Landheim bleiben. Dort, wo er schon aufgewachsen ist.

Jetzt hat er Zeit für Anderes, obwohl man den Alltag des Rentners freilich nicht als Ruhestand bezeichnen kann. „Jetzt habe ich endlich Zeit, das Gelände zu pflegen, Laub zu kehren, Hecken zu schneiden und die Regenrinnen sauber zu machen.“ Wenn es hart auf hart kommt, dann steht er seiner Nachfolgerin zur Seite und springt ein, wenn sie krank wird. „Nach all den Jahren kann ich nichts anderes sagen, als dass das hier mein Traumjob war“, sagt Petersen.

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