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Überlastet mit Sturmschäden im Berliner Norden: Jetzt ruft Reinickendorf nach der Bundeswehr
Seit dem Sturm vor drei Wochen sind alle Grünanlagen und viele Sportplätze in Reinickendorf gesperrt. Feste wurden verschoben oder abgesagt. Der Unmut wächst. Helfen soll das Militär.
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Drei Wochen nach den heftigen Stürmen wächst im Berliner Norden der Unmut über die anhaltenden massiven Einschränkungen. Noch immer dürfen in Reinickendorf alle Grünflächen, Parks und Spielplätze nicht betreten werden. Das Bezirksamt hatte sie nach dem Unwetter per Allgemeinverfügung auf unbestimmte Zeit sperren lassen.
Das Tegeler Hafenfest, das ab Donnerstag stattfinden sollte, wurde deshalb kurzfristig verschoben. Auch Friedhöfe, Sportanlagen und Schulhöfe sind noch blockiert. Wie viel Zeit die Aufräumarbeiten noch in Anspruch nehmen werden, hat das Bezirksamt bislang nicht bekannt gegeben.
Aus Sicht der Grünen-Abgeordneten Klara Schedlich ist der Bezirk mit der Situation überfordert. „Gute Kommunikation sieht anders aus“, kritisiert sie. Das Bezirksamt solle wenigstens „einen Zeitplan veröffentlichen, wann welche Anlagen wieder nutzbar sein werden.“
Bundeswehr soll helfen
Laut Bezirksamt ist das jedoch nicht möglich: „Die Wiederherstellung der beschädigten Infrastruktur stellt den Bezirk vor erhebliche organisatorische und finanzielle Herausforderungen“, erklärt ein Sprecher auf Nachfrage. „Aufgrund stetig eingehender Neumeldungen kann ein konkreter Zeitplan nicht benannt werden.“
Inzwischen hat der Bezirk Amtshilfe bei den anderen Bezirken angefordert. „Einige der angefragten Bezirksämter haben mit Verweis auf begrenzte Ressourcen signalisiert, derzeit nicht unterstützen zu können“, erklärt ein Bezirkssprecher. „Die Amtshilfe wurde daher auch auf die Bundeswehr ausgeweitet.“
Mehr als 1400 Sturmschäden
Der Bezirk hat nach eigenen Angaben weit mehr als 1400 Sturmschäden aufgenommen. Ein gemeldeter Schaden kann dabei unterschiedlich groß sein und mehrere Arbeitsschritte umfassen, sodass das Bezirksamt den Aufwand auf mehrere tausend notwendige Maßnahmen schätzt. Auf öffentlichen Flächen wie Parks, Spielplätzen, Sportplätzen oder Schulhöfen hat der Bezirk die Verkehrssicherungspflicht, haftet also, wenn jemand zum Beispiel durch herabstürzende Äste oder ungesicherte Bäume verletzt wird.
„Die Bearbeitung erfolgt dabei nach einer Gefährdungsbewertung, insbesondere unter Berücksichtigung der Verkehrssicherheit sowie der Nutzbarkeit öffentlicher Einrichtungen“, erklärt der Rathaus-Sprecher. Oberste Priorität hätten dabei die Aufräumarbeiten „an sensiblen Orten“ wie Schulen oder Friedhöfen.
Sportfest mit 10.000 Besuchern abgeblasen
Andere Bereiche müssen also vorerst zurückstecken. Für Aufsehen sorgte besonders die kurzfristige Absage des großen Familiensportfests, das der Landessportbund zusammen mit dem Bezirkssportbund am Sonntag ausrichten wollte. Etwa 10.000 Besucher wurden über den Tag im Sportpark am Göschenpark erwartet. Dutzende Vereine hatten ehrenamtlich Aktivitäten für das Sportfest organisiert.

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Wenige Tage vor dem Fest standen die Veranstalter mit leeren Händen da: Der Bezirk hatte wegen der anhaltenden Sturmschäden die Freigabe für den Sportplatz zurückgezogen und auch die angefragte Ersatzfläche, den Sportpark der Füchse, nicht freigegeben. Der Landessportbund hatte dem Bezirk angeboten, kurzfristig Baumdienste zu beauftragen oder mit den Sportvereinen dabei zu unterstützen, den Sportplatz am Göschenpark von Sturmschäden zu befreien.
Großveranstaltungen waren dem Bezirk zu heikel
Die Absage des Sportfestes stieß bei Vereinen auch auf Unverständnis, weil in der Anlage in den Tagen zuvor regulär Trainingsbetrieb stattfand. Das bestätigt das Sportamt auf Nachfrage, gibt aber zu bedenken: „Die Trainingsflächen sowie das Umkleidegebäude befinden sich außerhalb der Gefahrenzonen.“
Beim Training seien zudem weniger Menschen auf dem Platz, erklärt ein Sprecher. „Daher sind wir zunächst davon ausgegangen, dass der Trainingsbetrieb – bei einem disziplinierten und verantwortungsvollen Umgang mit den abgesperrten Bereichen – fortgeführt werden kann.“ Anders sei die Situation jedoch bei Großveranstaltungen wie dem geplanten Familiensportfest mit einem Durchlauf von bis zu 10.000 Menschen.
„Der Schutz und die körperliche Unversehrtheit aller Menschen, die sich auf Reinickendorfer Sportanlagen aufhalten, haben für das Bezirksamt höchste Priorität – ebenso wie für die Schülerinnen und Schüler an unseren Schulen“, so der Sprecher. „Leider kam es in den vergangenen Tagen auf den beiden betroffenen Sportanlagen wiederholt zu Missachtungen der Absperrungen.“ Deshalb hat der Bezirk seit vergangenem Donnerstag den kompletten Sportplatz sperren lassen.
Bezirkspolitik wünscht sich genaueren Zeitplan
SPD und Grüne kritisieren, dass der Bezirk trotz Nachfragen keine Ersatzfläche für das Sportfest freigegeben hat. „Eine offene Kommunikation würde viele Probleme beheben“, erklärt Sascha Rudloff, sportpolitischer Sprecher der SPD im Bezirksparlament. „Ich bin enttäuscht, dass das Bezirksamt keine Prioritätenliste hat, wo Großveranstaltungen stattfinden und die Flächen entsprechend abarbeitet.“ Der Bezirk habe nicht sauber erklären können, warum größere Veranstaltungen mit mehreren hundert Teilnehmern auf den Sportanlagen am Uranusweg und Füchse-Sportpark stattfinden durften, aber das Sportfest nicht.
Noch größer als der finanzielle Schaden ist aus seiner Sicht der Vertrauensverlust, den das Bezirksamt durch sein Verhalten verursacht habe, erklärt SPD-Politiker Rudloff. „Ich verstehe den Frust bei den ehrenamtlichen Sportlern und habe Angst, dass uns so die wenigen Ehrenamtlichen, die wir haben, noch wegbrechen.“
CDU-Fraktionschefin Syliva Schmidt nimmt ihre Parteikollegen im Bezirksamt in Schutz: „Am Ende ist es die Aufgabe des Bezirksamtes, Prioritäten festzulegen.“ Schulen und Friedhöfe müssten nunmal zuerst beräumt werden. „Ich verstehe, dass die Leute ungeduldig sind.“
Auch die CDU-Fraktionschefin wünscht sich einen genaueren Plan: „Ich verstehe, dass es schwer ist, einen Zeitplan auch einzuhalten, aber ich hätte mir gewünscht, dass die Priorisierung des Bezirks zeitnah kommuniziert worden wäre“, sagt Schmidt. „Wahrscheinlich gab es für dieses Szenario überhaupt keinen Plan. Der Sturm war so massiv, dass sie selber überrascht waren.“
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