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Heba El-Issa von der Kita Brunnengarten und Sprachpate Erich Hagel

© Julia Schmitz

Sprachpat:innen für die Kleinsten: Deutsch lernen per Bilderbuch

In einer Kita in Berlin-Gesundbrunnen helfen Ehrenamtliche Kindern mit Migrationshintergrund dabei, sicherer in der deutschen Sprache zu werden. Der Verein sucht dringend weitere Unterstützer:innen.

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Die Zahl der Kindergartenkinder, deren Wortschatz klein ist und deren Sprachkenntnisse nicht gut ausgeprägt sind, steigt. Vor allem Kinder mit Migrationshintergrund haben häufig Probleme, sich auf Deutsch zu verständigen. Damit die Defizite nicht erst in der Schule zutage kommen, hat sich die Kita Brunnengarten in der Rügener Straße in Gesundbrunnen Unterstützung gesucht. Insgesamt zwölf Erzieher:innen betreuen hier vier Gruppen mit insgesamt 75 Kindern. Nicht jedes Kind kann die intensive Zuwendung bekommen, die es eigentlich bräuchte. Hier kommen die Sprachpat:innen ins Spiel.

Erich Hagel ist Vater, Großvater und seit einer Weile auch einer der zwei ehrenamtlichen Sprachpat:innen. Einmal die Woche verbringt er seinen Vormittag im Brunnengarten und liest den „Förderkindern“ vor. „Manchmal komme ich schon zum Morgenkreis und dann stehen gleich acht oder zehn Kinder um mich herum und sagen ‚Erich, lesen!’“, erzählt er. „Aber ich schnappe mir dann ganz gezielt die zwei Kinder und setze mich mit ihnen mit einem Buch auf das Sofa oder wir basteln etwas.“

Manchmal hätten sie bereits nach fünf Minuten das Interesse verloren, manchmal blieben sie aber auch zwanzig Minuten sitzen. Es sei vor allem wichtig, mit den Kindern zu sprechen, sagt er. Sie würden alles Gehörte abspeichern und irgendwann auch beim Sprechen verwenden. „Ich finde es also erstmal nicht schlimm, wenn ein Kind wenig spricht, denn ich weiß ja, dass es das alles im Kopf behält.“ Und die Erfahrungen in der Kita bestätigen das.

Viele Kinder, die Teil des Brunnengartens sind, kommen aus Familien mit Migrationshintergrund, in denen kaum Deutsch gesprochen wird; aber auch in der Muttersprache redeten die Eltern immer weniger mit ihnen, dafür nehme die Mediennutzung zu. „Sie können zwar Lieder von Youtube mitsingen, beherrschen aber das Basis-Vokabular nicht. Wir raten den Eltern dann, mit ihren Kindern nur in der Muttersprache zu sprechen, damit sie ihren Wortschatz erweitern.

Besser fließendes Arabisch als gebrochenes Deutsch

Den Eltern dies zu vermitteln, ist aber nicht immer leicht“, sagt Heba El- Issa, die pädagogische Leiterin der Kita. Wenn ein Kind die Sprache seiner Eltern beherrsche, wenn es ein Gefühl für Sprache habe, falle es ihm meistens auch leicht, eine andere zu lernen. Ist das nicht der Fall, braucht es eine gezielte Förderung, die auch die Sprachpat:innen nicht leisten können. Sie beobachtet aber, dass die Kinder sich nach und nach öffnen. „Sie werden mutiger und trauen sich häufiger, mit uns zu reden“, sagt sie.

Der Verein sieht seine Aufgabe auch darin, eine Lücke in der frühkindlichen Bildung zu schließen. „Das muss unbedingt stärker in den Fokus rücken, auch finanziell“, sagt Matthias Bräutigam. Der studierte Mediziner hat sich im Rahmen seiner Arbeit bei Schering früher selbst als Lesepate im Wedding engagiert. Vor zwei Jahren gründete er zusammen mit der SPD-Politikerin Sawsan Chebli den Verein Sprachpat*innen für KiTa-Kinder e.V.

Viele Kinder kämen aus schwierigen Elternhäusern mit beengten Verhältnissen und seien sozial benachteiligt. Dieses Gefühl, ausgegrenzt zu sein, äußerte sich später dann häufig in Wut und Gewalt. „Durch diesen Missstand in der Bildung verlieren wir fünfzehn oder zwanzig Prozent unserer Kinder“, so Bräutigam.

Neue Sprachpat:innen gesucht

Bisher sind die Sprachpat:innen hauptsächlich in Charlottenburg, Spandau und Steglitz im Einsatz. Neben dem Brunnengarten will der Verein das Angebot nun im Bezirk Mitte ausweiten – und sucht dafür dringend Unterstützung. Alle Ehrenamtlichen begleiten zunächst die bereits erfahrenen Sprachpat:innen – die meisten sind tatsächlich Frauen – in eine Kindertagesstätte und schauen sich an, wie so ein Treffen abläuft.

Danach besuchen sie die Kita ein oder zweimal die Woche für einen halben Tag. Dabei arbeiten sie in enger Abstimmung mit dem Kita-Personal. „Wir sind davon überzeugt, dass alle Berliner Kinder in ihrer Entwick­lung in gleicher Weise gefördert werden sollten, denn nur dann können sie ihr volles Potenzial entfalten. Der Zugang zu unserer Gesell­schaft funktio­niert vor allem über Sprache. Sprachlich selbst­bewusste und interes­sierte Kinder sind ein Gewinn für uns alle“, so Bräutigam.

Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten zum Verein finden Sie auf der Homepage.

Dies ist ein Text aus dem Tagesspiegel-Newsletter für Mitte, der Sie jeden Mittwoch über die wichtigsten Neuigkeiten aus dem Bezirk informiert. Weitere Themen in dieser Woche:

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