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Rollt nicht mehr: Das Strohballenrennen auf dem Richardplatz fanden zuletzt 2019 statt. 

© promo/A. Gründler

Weltweit einzigartiger Wettbewerb: Rixdorfer Strohballenrennen Popráci endgültig abgesagt

Seit dem 18. Jahrhundert soll es im heutigen Berlin-Neukölln Wettrennen im Strohballenrollen geben. Nun scheitert die Neuauflage an der Finanzierung. 

Eigentlich hätte das Rixdorfer Strohballenrollen Popráci am 10. September zum 187. Mal stattfinden sollen. Nun muss der weltweit wohl einzigartige Wettbewerb allerdings das dritte Jahr in Folge ausfallen. Hintergrund ist allerdings nicht Corona, sondern das Geld: Wie Initiator Norbert Kleemann erzählt, kämpfe er seit 13 Jahren um die Finanzierung des Straßenfestes. 

2008 hatte er Popráci mit ins Leben gerufen: Am Richardplatz wurde seither in Erinnerung an die böhmischen Einwanderer:innen, so heißt es, jährlich eine jahrhundertealte Tradition zelebriert. Denn als Berlin-Neukölln noch Rixdorf hieß, sei das Rixdorfer Strohballenrollen erfunden worden. Die Regeln sind simpel: Es werden Strohballen um die Wette gerollt, am Ende winkt gar der Weltmeistertitel.

„Wir sind eine Marke, das ist mit nichts zu vergleichen: Eine Mischung aus sportlichem Wettkampf, Kultur und Straßenfest“, beschreibt Kleemann. Zuletzt hatten jedes Jahr um die 30 Teams um die Wette gerollt, die meisten davon mit fantasievollen Kostümen und viele international – extra für den Wettkampf angereist.

Die Geschichte des Rennens geht dabei laut Recherchen der Initiator:innen weit zurück in die Historie Rixdorfs: So stammt etwa der Name Popráci vom böhmischen Ausspruch „Po Prací!“, was für „nach der Arbeit“ stehen soll: Damit sollen die böhmischen Siedler:innen im 18. Jahrhundert auf die Kontaktversuche der deutschen Rixdorfer:innen reagiert haben. 

Dazu soll es Diskussionen zwischen beiden Bevölkerungsgruppen gegeben haben: Letzteren habe es, so erzählt man sich, nicht gepasst, dass die Böhm:innen etwa keine Steuern zahlen und nicht zum Kriegsdienst mussten. 

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Um die Streitigkeiten der Dorfjugend beizulegen, sollen Dorfschulze Friedrich Fetzke und sein böhmischer Kollege Bohumil Pachl sich heimlich in der Spandauer Vorstadt getroffen haben – und erfanden dort das Strohballenrollen. Bis 1911 sollen dann 174 Rixdorfer Strohballenrollen stattgefunden haben – und erst 2008 belebte die Künstlerkolonie Rixdorf das vergessene Fest neu.

Allerdings habe das Veranstaltungsteam jedes Jahr quasi wieder bei Null anfangen müssen, um das Fest mit Spenden zu finanzieren, sagt Kleemann: Die meisten kamen bislang von Privatspender:innen und Unternehmen, einen kleinen Anteil finanzierte das Bezirksamt mit.

Dann seien nun auch noch seine Partner:innen ausgestiegen, berichtet Kleemann am Telefon. „Und ich stand vor der Frage: Mach ich das jetzt alleine?“ Das sei ihm schlicht zu viel gewesen, die Organisation habe bereits im Team an „Selbstausbeutung gegrenzt“.

Mit der Absage des diesjährigen Rollens wolle er ein Signal senden: „Wir brauchen eine solide Grundfinanzierung, damit das Fest stattfinden kann“, sagt er. Ganz die Hoffnung aufgegeben hat er aber noch nicht. „Die Absage ist sehr schade, das ist schließlich mein Baby“, sagt er und hofft auf neue Sponsor:innen für die nächsten Jahre – und ehrenamtliche Unterstützung. Dann kann es vielleicht künftig doch wieder heißen: An die Ballen, fertig, los!

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