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Berlinale: Blaue Stunde

Ein Rauchverbot auf der Berlinale? Unmöglich, heißt es unisono.

Berlin - Ausgerechnet die USA haben der Welt einen politisch unkorrekten Film beschert, der so nie und nimmer in Deutschland hätten gedreht werden können: "Smoke" von 1995. Die Produktion zelebriert das Laster mit einer Liebenswürdigkeit, wie sie wohl kein deutscher Regisseur mehr beherrscht. Dabei wabert den Filmemachern dieser Tage zur Berlinale genug blauer Dunst vor den Augen, um entsprechenden Stoff für mindestens zehn Drehbücher zu finden.

Vielleicht zum letzten Mal beim Berliner Filmfestival. Denn ab 2008 soll in Berliner Gaststätten nicht mehr geraucht werden dürfen. In öffentlichen Gebäuden auch nicht mehr. Eine rauchfreie Berlinale? Unmöglich, heißt es unisono. Tatsächlich brechen die 3800 akkreditierten Journalisten und 16.200 anderen Fachbesucher beim Paffen alle Rekorde.

"Selbst auf dem roten Teppich wird geraucht", klagt ein Mitarbeiter des Berlinale-Palastes am Marlene-Dietrich-Platz. Gegenüber im Hotel Hyatt, der eigentlichen Zentrale der 57. Filmfestspiele, steht die Luft. Gleich am Eingang hat sich das ZDF im gläsernen Café einquartiert. Schicke Möbel und trendige Tresen laden ein, die Farbe Orange dominiert. Und Blau. "Natürlich gestatten wir unseren Gästen das Rauchen", sagt ein Pressebetreuer. Auch in der Hotelhalle und auf der Galerie bekommt das Wort Tabak-Lobby eine völlig neue Bedeutung. Nur in den rundum gruppierten Konferenzräumen, die als Berlinale-Büros umfunktioniert sind, ist die Luft rein.

Unter freiem Himmel

Ebenso in den Organisationsbüros. Rauchende Mitarbeiter müssen aus den beiden Hochhäusern an der Potsdamer Straße hinaus unter den grauen Berliner Himmel. Allein die EFM-Lounge im fünften Stock des Renzo-Piano-Baus hat Aschenbecher ausgeteilt. Der Blick aus dem verglasten Treff ist grandios. Filmhändler und -verleiher sind unter sich, ein edler Tresen bietet Säfte, Espresso und diverse Kleinigkeiten. Nur zur Mittagszeit wird der Gast gebeten, das Rauchen zu unterlassen.

Wie völkerverbindend ein striktes Rauchverbot ist, demonstriert das strenge Regularium für den eigentlich als Museum genutzten Gropius-Bau. Vor dem Haupteingang schlottern israelische, libanesische und arabische Filmemacher. Sie rauchen zwar keine Friedenspfeife, stehen jedoch als Notgemeinschaft in Eintracht paffend in der Auffahrt. Nebenan gestikulierende spanischsprachige Filmstudenten. Davor eine Gruppe hübscher Filmverleih-Assistentinnen aus Frankreich und Italien.

Dabei wuchs das deutsche Kino mit dem Rauchen auf. Als die Brüder Skladanowsky in Berlin den Film erfanden, waren Schaugenuss und Fine-Tobak eins. Zur Weltpremiere 1895 im Wintergarten stand die Luft, die bald darauf am Alexanderplatz und auf Jahrmärkten aufgebauten Kintopp-Zelte galten ebenso als Rauchzonen. Gefahr drohte weniger von glimmenden Tabakresten, eher schon von überhitzten Vorführgeräten. Auch die Filmstars Fritz Lang, Ernst Lubitsch und Kurt Gerron waren seinerzeit nie ohne Zigarre in der Öffentlichkeit anzutreffen. Selbst die Emanzipation der Film-Frau manifestierte sich ab Ende der 20er Jahre in der zur Schau getragenen - damals noch filterlosen - Zigarette.

Ehrung für Raucher-Film

Übrigens: "Smoke" mit Harvey Keitel, William Hurt und Forest Whitaker nach einem Drehbuch von Paul Auster bekam 1995 den Silbernen Berlinale-Bären. Einen der künftigen Preise könnte vielleicht Helmut Dietl bekommen. In seiner Hauptstadt-Variante des preisgekrönten "Rossini"-Films sind die ersten Szenen bereits skizziert. Ein Thema: "tout Berlin" raucht. Überall.

Dietl selbst testete übrigens vor drei Jahren, wie weit man dabei in der Hauptstadt gehen darf. Während der nächtlichen Dreharbeiten zu "Vom Suchen und Finden der Liebe" im Deutschen Theater zündete sich der Kettenraucher sogar in einer Loge eine an. Zur Berlinale sitzt er derzeit gern im Restaurant Borchardts. Rauchend, wie all die Filmschaffenden um ihn herum. (tso/ddp)

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