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Die Leiche der vermissten Rita Ojungé wurde im Wald gefunden.

© Polizei Brandenburg

Brandenburgs Polizei in der Kritik: Erst kaum Ermittlungen – dann Leichenteile von Kenianerin im Wald

Eine Kenianerin verschwindet aus einem Asylheim, ihre Leiche wird erst Monate später im Wald gefunden. Brandenburgs Polizei wirft man Versagen vor.

Das Heim liegt mitten im Wald, an einer Ausfallstraße der Gemeinde Hohenleipisch mit ihren rund 2000 Einwohnern. Auch Rita Ojungé lebte dort mit ihren Kindern, ein zwei- und ein vierjähriger Junge. Sie war aus Kenia geflüchtet und landete abseits im südbrandenburgischen Nirgendwo im Landkreis Elbe-Elster. Jetzt ist Rita Ojungé tot. Mehr als zwei Monate nach ihrem Verschwinden wurden Teile ihrer Leiche in einem Wald gefunden. Der Verein Opferperspektive wirft der Brandenburger Polizei jetzt Versagen vor.

Rita Ojungé lebte seit einigen Jahren in Deutschland, im Heim Hohenleipisch, ihr Aufenthalt war geduldet. Gemeinsam mit einem Kameruner, den sie in Deutschland kennenlernte, hatte sie die beiden Kinder. Er lebt in Berlin, hat eine Aufenthaltserlaubnis, sie führten, so heißt es, eine Fernbeziehung. Doch in den Mittagsstunden des 7. April verschwand Rita Ojungé spurlos. Seither gilt sie als vermisst. Erst zweieinhalb Wochen später, am 25. April, gibt die Polizeidirektion Süd eine Suchmeldung heraus: Die „junge fürsorgliche Mutter“ habe ihre beiden Kinder im Wohnheim zurückgelassen. Ihr Aufenthaltsort sei „trotz umfassender Ermittlungen“ unbekannt.

Schwere Fehler auf Seiten der Polizei

Ende April erfährt der Verein Opferperspektive von dem Fall. Ein Bewohner berichtet, dass die 32-Jährige – völlig untypisch für sie – weder ihre Bankkarte noch warme Kleidung mitgenommen habe. Wie an jedem Sonntag fährt auch an diesem 7. April kein Bus. Und Rita Ojungé habe noch nie ihre Kinder allein gelassen, sagen jene, die sie kennen.

Der vierjährige Sohn berichtet den Helfern später, er habe gesehen, wie ein Heimnachbar, ein Nigerianer, seine Mutter schon bedroht und am Tag des Verschwindens geschlagen und weggeschleppt habe. Dort, wo sie in ihrem Zimmer nach einem Schlag gestürzt sein soll, fehle an einem Fernsehtisch ein Brett. Auch das Handy der Mutter soll der Nachbar gehabt haben. Den Kindern sei gesagt worden, dass ihre Mutter in Berlin sei.

Am 30. April informiert die Opferperspektive die örtlich zuständige Polizei in Elbe-Elster, dass der Sohn gesehen haben will, wie seine Mutter geschlagen wurde. Ein nicht dafür geschulter Beamter hat laut Opferperspektive dann das Kind vernommen und soll gesagt haben: „Ich habe selber ein Kind und kann mich kindgerecht ausdrücken.“ Auch einige Tage danach bekam die Opferperspektive die Auskunft, es gebe keine Anhaltspunkte für ein Verbrechen, es laufe alles weiter als Vermisstenfall. Wegen der beiden Kinder werden auch das Jugendamt und die Ausländerbehörde eingeschaltet. Eine Gefahr für die beiden Kinder sehen sie nicht. Am 10. Mai stellt der Verein dann Strafanzeige wegen Verdachts auf ein Tötungsdelikt – und zwar im Namen des Partners und Vaters.

Erst Monate später beginnt die Suchaktion

Erst mehr als zwei Monate nach dem Verschwinden der Frau startet die Polizei eine große Suchaktion. Am 11. Juni rückt eine Hundertschaft der Polizei an und sucht über mehrere Tage eine Fläche von etwa 32 Hektar rund um das Flüchtlingsheim ab, dicht bewachsener Wald und unwegsames Gelände, auch Bunkeranlagen befinden sich dort. Weil in den Wäldern alte Munition herumliegt, muss auch der Kampfmittelbergungsdienst helfen. Am 20. Juni teilt die Polizei mit: „Es wurden skelettierte menschliche Überreste gefunden.“ Fünf Tage später heißt es dann: Die Knochenreste der nicht vollständigen Leichen stammen von Rita Ojungé, das habe die DNA-Analyse ergeben.

Die Opferperspektive wirft den Behörden vor, nur zögerlich vorgegangen zu sein und Fehler gemacht haben. Der Sohn des Opfers sei nicht von Experten befragt worden, das Heim und das Umfeld nicht systematisch durchsucht worden. Der Nachbar ist inzwischen nach Protesten anderer Bewohner in ein anderes Heim verlegt worden sein, wie ein Sprecher des Landratsamtes Elbe-Elster bestätigt. Es habe wegen des Nigerianers Unruhe gegeben unter den anderen Bewohnern gegeben.

Polizei widerspricht der Kritik

Die in Cottbus ansässige Polizeidirektion Süd will sich nicht zu den Vorwürfen der Opferperspektive äußern und verweist auf die Staatsanwaltschaft. Die teilt auf Anfrage mit, es gebe Indizien, die auf nicht nur einen Tatverdächtigen hinweisen könnten, und widersprüchliche Hinweise. Die Polizei habe sich an die formalen Vorgaben gehalten, sei allen Hinweisen nachgegangen, es gebe nichts auszusetzen. Die Leiterin des Heims sei befragt worden, ebenso der Nigerianer, auch der vierjährige Sohn, doch dessen Darstellung sei nicht so eindeutig gewesen wie behauptet. Die Durchsuchung des Zimmers von Rita Ojungé etwa auf Blutspuren sei nicht ergiebig gewesen.

Opferberater Martin Vesely sieht das anders. „Man muss sich nur den Fall vorstellen, dass eine deutsche Frau verschwindet, vermisst wird, dass ein Kind den Nachbarn schwer belastet“, sagt er. „Dann würde die Polizei einiges in Bewegung setzen.“ Der Vater der beiden Kinder habe bereits drei Tage nach dem Verschwinden seiner Partnerin die örtliche Polizei informiert, sei aber abgewiesen worden. Erst als er sich an die Vermisstenstelle der Berliner Polizei gewendet habe, sei überhaupt Bewegung in den Fall gekommen.

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