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Elif Eralp kandidiert bei der kommenden Abgeordnetenhauswahl als Spitzenkandidatin der Berliner Linke. (Archivbild)

© IMAGO/Eventpress/IMAGO/Eventpress Jeremy Knowles

Brüchige Waffenruhe: Die Berliner Linke bleibt beim Thema Nahost gespalten

Ein Signal der Geschlossenheit sollte von der Kür Elif Eralps zur Spitzenkandidatin ausgehen. Das ist vordergründig gelungen. Die Auseinandersetzung aber geht weiter.

Robert Kiesel
Ein Kommentar von Robert Kiesel

Stand:

Am Ende eines langen Parteitags wirkten die Verantwortlichen der Berliner Linke rund um die nun auch offiziell zur Spitzenkandidatin der Partei nominierte Elif Eralp vor allem eines: erleichtert. Viel Rückenwind hatten die 175 Delegierten des Landesverbands der 44-Jährigen mit auf den Weg gegeben. Stehenden Applaus bekam Eralp für ihre am Ende durchaus emotionale Bewerbungsrede. Eralp kämpfte mit den Tränen – auch von ihr schien während der folgenden Jubelarie einiges abzufallen.

Tatsächlich ist der Linken am Samstag geglückt, was noch am Vorabend des Parteitags unsicher war: Sie zieht vordergründig geschlossen in den Wahlkampf und konnte den nächsten Tabubruch mit Blick auf die eigene Haltung zum Krieg im Nahen Osten abwenden. Die Anträge zur Unterstützung der als antisemitisch eingestuften BDS-Kampagne und zur Bezeichnung des militärischen Vorgehens Israels im Gaza-Streifen als Genozid wurden in letzter Minute zurückgezogen.

Der Weg dahin war kräftezehrend. Von „intensivsten Verhandlungen“ war auf dem Parteitag die Rede und tatsächlich waren die daran Beteiligten den ganzen Vormittag lang damit beschäftigt, die sich teils unversöhnlich gegenüberstehenden Lager auf einen gemeinsamen Pfad zu führen. Erst am frühen Nachmittag stand fest: Der vierseitige Konsensantrag für Solidarität mit allen am Konflikt Beteiligten geht ohne Änderungsanträge in die Abstimmung. Dort bekam er eine klare Mehrheit.

Genozid-Antrag scheitert nur knapp auf dem Landesparteitag

Doch nicht nur zwischen Israel und der Hamas, auch in der Berliner Linke ist der Frieden brüchig. Ein Änderungsantrag der Linksjugend solid, der den Begriff des Genozids in den Leitantrag des Landesvorstands aufnehmen wollte, scheiterte denkbar knapp.

75 zu 62 bei 18 Enthaltungen lautete das Abstimmungsergebnis und spiegelt damit das Kräfteverhältnis innerhalb des Landesverbands. Wie sich das verändert, wenn die vielen Tausend Neumitglieder der Partei im kommenden Jahr neue Delegierte wählen, ist selbst für Insider nur schwer vorhersehbar.

Und so bleibt für die Linke trotz der geglückten Kür Eralps zur Spitzenkandidatin ein fader Beigeschmack. Diejenigen in der Partei, für die die Positionierung zum Krieg im Nahen Osten mindestens ebenso wichtig ist wie die Berlin-Themen im Wahlkampf, werden nicht locker lassen, die Partei vor sich herzutreiben. Sie machen das in Teilen mit einer Härte, die Zweifel daran weckt, ob wirklich alle das Ziel einer regierungs- und koalitionsfähigen Linke teilen.

Für den Moment haben Eralp und ihre für die Wahl im kommenden Jahr mit guten Chancen ausgestattete Partei die Klippe umschifft. Die nächste aber wird kommen und die Wette darauf, dass sich das Thema durch die brüchige Waffenruhe im Nahen Osten zeitnah von selbst erledigt, ist gewagt.

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