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Hunderte Angestellte der BVG demonstrierten am Montagmorgen vor der Verkehrsverwaltung und der Finanzverwaltung.

© Sönke Matschurek

BVG-Angestellte drohen mit weiterem Ausstand: „Jedes inakzeptable Angebot bedeutet einen weiteren Streiktag – mindestens“

Im BVG-Tarifkonflikt hat Verdi ein 40-Tage-Ultimatum für einen unbefristeten Streik gestellt. Schon vorher drohen die Mitarbeiter, Berlins Nahverkehr für mehrere Tage lahmzulegen.

Stand:

Im BVG-Tarifkonflikt setzt Verdi auf Eskalationskurs. „Das erste Angebot des Arbeitgebers war wirklich lächerlich“, sagte Erdogan Kaya, Busfahrer und Mitglied der Tarifkommission, dem Tagesspiegel am Montag am Rande einer Demonstration – und drohte mit weiteren Streiks. „Jedes weitere inakzeptable Angebot bedeutet einen weiteren Streiktag – mindestens. Beim nächsten Mal könnte auch mit zwei Streiktagen zu rechnen sein.

Während Busse, U-Bahnen und Trams stillstanden, hatten sich mehrere hundert BVG-Angestellte vor Berlins Verkehrsverwaltung versammelt, um Senatorin Ute Bonde (CDU) die Unterschriften einer Mehrheitspetition zu überreichen. Sie skandierten „Wir sind die BVG“ und „Wir wollen mehr Geld“.

Verdi fordert für die Angestellten eine Lohnanhebung um 750 Euro, ein 13. Monatsgehalt und Zulagen. Die Gewerkschaft droht mit weiteren Warnstreiks.

© Sönke Matschurek

Zudem setzten die Mitarbeiter ein Ultimatum von 40 Tagen: Sollte die BVG ihnen bis nach der fünften Verhandlungsrunde am 21. März kein akzeptables Angebot machen, drohe eine Urabstimmung – und damit unbefristeter Streik. Am morgigen Dienstag kommen Gewerkschaft und Arbeitgeber zur nächsten Verhandlungsrunde zusammen.

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Verdi beharrt auf Maximalforderung

Verdi bleibt bislang bei ihrer Maximalforderung: Die Gewerkschaft fordert eine sofortige Lohnanhebung um 750 Euro, ein 13. Monatsgehalt als Weihnachtsgeld, 300 Euro Fahrdienstzulage sowie 200 Euro Schichtzulage. Die BVG hatte in einem ersten Angebot rund 15,3 Prozent durchschnittliche Lohnanhebung über eine Laufzeit von vier Jahren angeboten.

Mit Applaus alleine kann man keine Miete zahlen.

Erdogan Kaya, seit 36 Jahren Busfahrer bei der BVG und Mitglied der Tarifkommission

„Solch lange Laufzeiten können wir nicht akzeptieren“, sagte Kaya dem Tagesspiegel. Natürlich träfen die Streiktage auch die Berlinerinnen und Berliner. Sie richteten sich aber gegen den Arbeitgeber. „Wir können die Mitarbeiter nicht halten.“

„Das erste Angebot des Arbeitgebers war wirklich lächerlich“, findet Erdogan Kaya. Er fährt seit 36 Jahren Bus auf Berliner Straßen und sitzt mit in der Tarifkommission.

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Es könne nicht sein, dass die BVG bei den Löhnen im Ländervergleich auf dem letzten Platz liege. „Mit Applaus alleine kann man keine Miete zahlen. Wir bleiben bei unseren Forderungen.“

Fahrgäste teils genervt

Für den Busfahrer Matthias P. (62) wäre die Lohnsteigerung ein angemessenes Schmerzensgeld. Er transportiert schon seit 35 Jahren Fahrgäste – und klagt über ein kräftezehrendes Schichtsystem und immer respektloseren Umgang. „Ich wurde schon mehrfach angespuckt, meinem Bus wurde mit Knallkörpern ein Loch in die Decke geschossen.“

Er wünscht sich mehr Verständnis für die harte Arbeit, die das Fahrpersonal täglich leistet. Es seien zumeist ältere Leute, die für die Streiks Verständnis aufbringen. Jüngere hingegen reagierten eher genervt, zuweilen sogar aggressiv. An einem Streiktag reise er deshalb inkognito. „Mit Dienstkleidung in die S-Bahn habe ich mir lieber verkniffen.“

BVG kritisiert „Eskalation auf dem Rücken der Fahrgäste“

Die BVG wirft Verdi vor, mit dem Warnstreik eskaliere die Gewerkschaft „auf dem Rücken der Fahrgäste, ohne auch nur eine Minute inhaltlich mit der BVG über das Angebot gesprochen zu haben.“ Verhandeln heiße, Kompromisse zu finden und aufeinander zuzugehen. Die frühe Eskalation ist aus Sicht der BVG „unverhältnismäßig“.

Rückendeckung bekommt die BVG dabei auch vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Der Tarifexperte Hagen Lesch nennt Verdis Forderungen „üppig“. In seinen Augen sollte das BVG-Angebot aber zumindest verhandelt werden. „Die Gewerkschaften setzen Warnstreiks nicht mehr als letztes Mittel ein“, sondern nutzten sie, um neue Mitglieder zu werben. „Ich sehe darin ein Problem, weil die Interessen der Fahrgäste in unnötiger Weise missachtet werden.“

Zwar gebe es kein Gesetz, dass den Gewerkschaften „bei ihrer ausufernden Warnstreiktaktik Einhalt gebietet“. Verdi dürfe sich aber nicht wundern, wenn nun wieder Forderungen nach der Begrenzung des Streikrechts laut würden.

Belastung für den Körper

Bärbel Mendt (64) lenkte 20 Jahre lang die U6, bis die Schichtarbeit ihren Tribut forderte und sie gesundheitsbedingt aus dem Fahrdienst ausschied.

Bärbel Mendt lenkte 20 Jahre lang die U-Bahn Linie 6. „Wir halten Berlin aufrecht“, sagt sie. Das müsse sich auch im Lohn widerspiegeln.

© Sönke Matschurek

„Wir halten Berlin aufrecht“, sagte sie. „Wenn alle schlafen, stehen wir auf. Irgendwann macht der Körper den Schichtdienst nicht mehr mit.“

Zwar würden sich viele bei der BVG bewerben, aber nur wenige halten den Job durch. „Fahrgäste behandeln uns wie den letzten Dreck. Für die harte Arbeit, die wir leisten müssen, ist das Angebot der BVG viel zu wenig.“ Sie demonstrierte, obwohl sie im August in den Ruhestand gehen wird. Damit es die nachfolgenden Generationen an Fahrern besser haben als sie.

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