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Personalmangel herrscht nun auch in der Linksfraktion Berlin-Neukölln. Fraktionschef Thomas Licher verlässt den Bezirksverband.

© Linksfraktion Neukölln

„Solidarisierung mit arabischen Großfamilien“: BVV-Fraktionsvorsitzender verlässt Neuköllner Linke

Die Linke Neukölln verteidige Clans gegen den Vorwurf der „Bandenkriminalität“, schreibt Thomas Licher. Der Linken-Politiker will deshalb nach Mitte wechseln.

Krach bei den Linken in Neukölln: Der bisherige Vorsitzende der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), Thomas Licher, verlässt zum 30. Juni den Bezirksverband. In einem Abschiedsschreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, kritisiert er insbesondere die „derzeitige politische Schwerpunktsetzung des Bezirksvorstandes“, konkret die „Solidarisierung mit arabischen Großfamilien“ und das „Verteidigen dieser vor dem Vorwurf der ‚Bandenkriminalität‘“, welches er für politisch falsch und nicht nachvollziehbar für Außenstehende hält.

Der Vorstand fokussiere sich maximal auf das Thema „antimuslimischer Rassismus“, andere benachteiligte Gruppen blieben unberücksichtigt. Dies werde dem Anspruch der Linkspartei, für alle sozial benachteiligten Menschen zu streiten, nicht gerecht. Die Neuköllner Linken hatten in den vergangenen Monaten wiederholt die Schwerpunkteinsätze kritisiert, die Bezirksamt, Polizei und Zoll seit einiger Zeit gemeinsam in Neukölln durchführen.

Durch die groß angelegten Einsätze würden Läden und Besitzer „öffentlich vorverurteilt“, hatte der Linken-Bezirksverordnete Ahmed Abed kürzlich im Interview mit der Tageszeitung „taz“ erklärt. Der Bezirksvorstand protestierte mehrfach gegen die aus seiner Sicht „mit massiver Stigmatisierung einhergehenden Razzien auf der Sonnenallee und Hermannstraße“, wie es in einem Schreiben an die Verbandsmitglieder heißt.

In seinem Brief kritisiert Licher auch die Diskussionskultur im Vorstand. Es würden kaum noch politische Debatten geführt, vielmehr habe er den Eindruck, dass politische Entscheidungen bei Netzwerktreffen „ausgeklüngelt“ und anschließend im Vorstand durchgewunken würden. Er fühle sich aufgrund anderer politischer Schwerpunkte von einem Teil der Parteimitglieder massiv ausgegrenzt, sagt Licher. Die politische Arbeit der Linksfraktion in der BVV würde kaum wertgeschätzt.

Licher will in der Linkspartei bleiben

Aus der Partei austreten will Licher allerdings nicht. In seinem Brief kündigt er an, in den Bezirksverband Mitte der Linkspartei zu wechseln. Sein Mandat in der Neuköllner BVV will er vorerst weiter ausüben. Moritz Wittler, Sprecher der Neuköllner Linken, spricht von einer „schwierigen Situation“, in die der Brief den Bezirksverband bringe.

Das Schreiben sei kurz vor einer Vorstandssitzung eingegangen, einen ähnlichen Fall habe es im Bezirksverband noch nicht gegeben. Auf der anschließenden Sitzung habe der Vorstand sich einstimmig von der inhaltlichen und politischen Kritik Lichers distanziert. Bei einer weiteren Vorstandssondersitzung und einer Mitgliederversammlung am kommenden Montag will der Verband den Vorfall diskutieren.

Bezirksverordnete Reichenbach verließ 2017 die Linke

„Die Erwartungshaltung des Vorstandes ist, dass alle Beteiligten konstruktiv daran arbeiten, dass die Linke in Neukölln ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen kann und in dieser schwierigen Situation keinen Schaden nimmt“, sagt Wittler. In einem Schreiben an die Mitglieder des Bezirksverbandes distanziert sich der Vorstand insbesondere von dem Vorwurf der „einseitigen Schwerpunktsetzung auf die muslimische Bevölkerung von Neukölln“. Auf den Vorwurf der Solidarisierung mit arabischen Großfamilien geht der Verband nicht ein. Licher selbst wollte sich auf Anfrage nicht weiter zu den Vorfällen äußern.

Ähnlich drastisch hatte sich im November 2017 die Bezirksverordnete Marina Reichenbach über den Neuköllner Bezirksverband geäußert, als sie ihren Wechsel von der Linken in die SPD erklärte. Sie warf dem Bezirksverband unter anderem „Querfronttendenzen“ und eine Behinderung sachlicher Arbeit der BVV-Fraktion vor.

Licher unterstützte damals noch seine Partei. Er bezeichnete Reichenbachs Kritik als „inhaltlich falsch“ und „ausgesprochen unredlich gegenüber ihren bisherigen Mitstreitern“.

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