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Noch Fragen? Die Ermittler hatten jede Menge, allerdings nicht nur an den mutmaßlichen Täter – sondern auch an das Opfer.

© dpa/Patrick Pleul

Überraschende Wende im Prozess: Chefermittler im Maskenmann-Fall verbot kritische Fragen

Im Maskenmann-Prozess zeigt sich: Zweifel an der Geschichte des Opfers waren nicht erwünscht. Das gab der Chefermittler allerdings erst zu, nachdem ihn der Verteidiger des Angeklagten äußerst hartnäckig befragt hatte.

Die mit Spannung erwartete Zeugenaussage des Chefermittlers im Prozess gegen den mutmaßlichen Maskenmann offenbarte am Donnerstag in Frankfurt (Oder) erhebliche Mängel in der Polizeiarbeit in diesem für Brandenburg einzigartigen Entführungsfall. So gab der 39-jährige Beamte zu, dass kritische Anmerkungen von Mitgliedern der Sonderkommission zur Glaubwürdigkeit des vom Berliner Bankier Stefan T. geschilderten Tatablaufs nicht weiter verfolgt worden sind. „Es gab Fragen und Vorbehalte über den Ablauf unter den Kollegen“, sagte der langjährige Chef der Mordkommission in Frankfurt (Oder). „Aber nur in kleinen Gruppen.“ Er habe dann angewiesen, solche kritischen Fragen nicht in den Vernehmungen des Opfers zu stellen.

Dieses Eingeständnis machte er aber erst am Nachmittag in einem langen Dialog mit dem Verteidiger des Angeklagten Mario K. aus Berlin. Am Vormittag hatte er noch das Gegenteil behauptet. Doch Verteidiger Axel Weimann bohrte weiter, obwohl sich der Chefermittler immer wieder auf „Erinnerungslücken“ berief. Wie berichtet hatten mehrere Mitglieder der Sonderkommission auch vor Gericht ihre Zweifel am geschilderten Ablauf der Entführung Anfang Oktober 2012 geäußert. Ein Beamter hatte sogar Selbstanzeige wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt gestellt. Er hatte es für schier unmöglich gehalten, dass ein Mensch zuerst an einem Kajak hängend auf eine Schilfinsel gebracht wird, dort anderthalb Tage mit verbundenen Augen und gefesselt in der Kälte allein bleiben muss und sich dann auf seiner Flucht bei Dunkelheit durch morastiges Gelände keinerlei Verletzungen zuzieht. Diesen Ablauf schilderte Stefan T., der zuvor in seiner Villa von einer maskierten Person überfallen worden sein soll. Sein Sohn habe ihn fesseln müssen, der Täter habe in eine Zimmerdecke der Villa geschossen.

Von der Waffe fehlt allerdings jede Spur. Aufgrund der gefundenen Hülsen ist klar, dass es sich um eine Pistole vom sehr verbreiteten Typ Czeska handeln muss. Eine Waffe dieser Art wurde auch bei einem Überfall auf eine Berliner Unternehmerfamilie in Bad Saarow im Oktober 2011 benutzt. Nicht zuletzt dies ist für die Anklage ein Indiz, dass derselbe Täter beide Taten beging. 1997 hatte sich der jetzt angeklagte Mario K. vor einem Schnellrestaurant in Berlin-Hellersdorf mit Schüssen in den Boden gegen den Angriff einer Gruppe Heranwachsender gewehrt. Er verwendete damals ebenfalls eine Czeska. Diese Waffe wurde aber danach von der Polizei konfisziert, sie konnte also nie, anders als berichtet, bei den Taten in Bad Saarow und in Storkow zum Einsatz kommen.

Während die beiden Überfälle in Bad Saarow von der Polizei nicht nachgestellt worden waren, wurden die Umstände der Entführung mehrfach vor Ort rekonstruiert. Doch offenbar hat die aus immerhin 60 Beamten gebildete Sonderkommission nicht auf jedes Detail geachtet. So gab der Chefermittler vor Gericht zu, dass die Flucht bei Tageslicht und nicht bei Dunkelheit von einem Polizisten wiederholt wurde. Auch die Frage, ob sich ein Kanu mit einem angehängten Menschen rund 1,2 Kilometer weit in flottem Tempo bewegen lässt, wurde nur ungenügend beantwortet. Das mit Sandsäcken beschwerte Polizeiboot drehte lediglich eine kleine Runde auf dem See.

Immer wieder quittierten die auf den Zuschauerbänken des Gerichtssaals sitzenden rund 40 Mitglieder der einstigen Sonderkommission die hilflos wirkenden Aussagen ihres früheren Chefs mit Unbehagen. Das Wort „Schlampigkeit“ machte die Runde. Eine Fahrt mit einem Boot der Wasserschutzpolizei über den Storkower See einen Monat nach der Entführung hielt Falk K. gar nicht erst in den Akten fest. Dabei wollte er prüfen, von welcher Entfernung aus die Villa des Opfers zu beobachten sei. Das Ergebnis habe er nicht für relevant gehalten, sagte er.

Er hatte offenbar von Anfang an keine Zweifel an der Geschichte des Entführten und wollte Kritik unter seinen Beamten nicht zulassen. So gab der 39-Jährige zu, einer Analyse einer von ihm beauftragten Psychologin „keine Bedeutung geschenkt zu haben“. Diese in Fallstudien bewanderte Expertin hatte in den Aussagen von Stefan T. erhebliche Widersprüche erkannt.

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