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Wegen einer Beerdigung im Clan-Milieu kam es zu einem großen Polizeieinsatz in dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg.

© Kay Nietfeld/dpa

Clan-Beerdigung in Coronazeiten: Warum es 250 Polizisten für eine Trauerfeier braucht

Die Beerdigung der Mutter der arabischen Großfamilie Remmo legte am Montag Teile Schönebergs lahm. Die Veranstaltung verlief weitestgehend friedlich.

Polizeisprecher Thilo Cablitz stöhnt. Halb genervt, halb verzweifelt. Man merkt ihm die Zerrissenheit über diesen Einsatz an, dann wendet er sich der versammelten Presse zu, straft sich und sagt: „Wir versuchen die größtmögliche Pietät zu wahren.“ Über ihm kreist ein Polizeihubschrauber, hinter ihm stehen mehrere Hundertschaften an Absperrgittern und kontrollieren den Zugang zum Friedhof.

Eine Trauerfeier ist selten eine schöne Sache, in Pandemie-Zeiten jedoch besonders traurig, weil die Trauergemeinde zum Infektionsschutz auf ein Minimum reduziert werden muss. Doch wenn, wie am Montag in Schöneberg, die polizeibekannte arabische Großfamilie Remmo um ihre Mutter trauert, wird dies zum Großeinsatz. 

Über Stunden war die Polizei mit einem Helikopter, etwa 50 Fahrzeugen und rund 250 Polizeikräften im Einsatz. Selbst bei der Beerdigung des Intensivtäters und Clan-Mitglieds Nidal R. im September 2018 auf dem selben Friedhof waren „nur“ 150 Polizisten vor Ort gewesen – bei 2000 Trauergästen aus der ganzen Republik, darunter zahlreiche Clan- und Unterweltgrößen. Eine solche Menschenansammlung wollte die Polizei am Montag unbedingt verhindern.

Schon gegen 9 Uhr hatten Beamte begonnen, das Gelände rund um den Friedhof weiträumig abzuriegeln. Sachsendamm und Dominicusstraße wurden zwischen Autobahnabfahrt und Schöneberger Hauptstraße für den Autoverkehr gesperrt, ebenso – zum Ärger vieler Anwohner – etliche Nebenstraßen. Nur Busse der BVG durften noch passieren.

Dabei war die Trauergemeinde zu dieser Zeit noch bei der rituellen Waschung in der Sehitlik-Moschee in Neukölln. Von dort ging es im Konvoi nach Schöneberg, für die mehr als 100 Trauernden jedoch nur bis zum Kundenparkplatz des Höffner-Möbelhauses, wo die Polizei eine Straßensperre errichtet hatte und den Einlass kontrollierte. Viele Polizisten mit Mundschutz, die meisten Trauernden ohne.

"Es ist eine Gratwanderung"

„Es ist eine Gratwanderung“, sagte Polizeisprecher Cablitz. „Wir wollen Trauer ermöglichen, es geht aber auch darum, das Infektionsrisiko zu minimieren.“ Man habe im Vorfeld mit der Familie Kontakt aufgenommen, sie auf die bestehenden Abstands- und Versammlungsregeln hingewiesen und das Einsatzkonzept vorgestellt. Die Familie habe daraufhin eine Liste mit 60 Personen aus dem engsten Familienkreis erstellt. Diese wurden, nach Prüfung der Personalien, in Gruppen von je 20 Personen auf den Friedhof gelassen. Erst wenn eine Gruppe das Gelände verlassen hatte, durfte die nächste an das Grab. „Das würden wir bei jeder Großfamilie so machen“, sagte Cablitz.

Die enorme Polizeipräsenz dürfte aber auch an der kriminellen Vergangenheit vieler Familienmitglieder liegen. Zahlreiche Angehörige der Familie Remmo sind Ermittlern und Justizbeamten in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen sowie im Libanon seit vielen Jahren bekannt. Einige Söhne und Enkel der Verstorbenen sind durch öffentlichkeitswirksame Taten aufgefallen, saßen immer wieder Haftstrafen ab.

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Am Montag wollte die Familie jedoch unter sich bleiben und hatte versucht, eine Berichterstattung zu verhindern. „Die Beerdigung ist nicht Teil der Zeitgeschichte“, hatte ein Familienmitglied vorab der Redaktion per Mail geschrieben. Es handle sich um eine private Angelegenheit, veröffentlichte Bilder oder Videos würden juristisische Konsequenzen haben. Die Verstorbene sei keine Person des öffentlichen Lebens gewesen. „Dies gilt auch für den Rest der Familie.“

Schon vor der Beerdigung gab es Zwischenfälle

Schon vor der Beerdigung war es zu Zwischenfällen gekommen. In der Nacht zu Dienstag war die später verstorbene Frau im Kreuzberger Urban-Krankenhaus behandelt worden. Vor dem Eingang zur Klinik versammelten sich trotz Besuchverbot mehr als 100 Personen. In Neukölln rasten zwei Autofahrer vom Wohnhaus der Patientin zur Klinik und hatten dabei fast einen Polizisten überfahren. Am Donnerstag hatten sich außerdem zahlreiche Männer auf dem Grundstück von Clanchef Issa Remmo in Alt-Buckow versammelt. Polizisten nahmen Personalien von 47 Personen auf.

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„Wir haben uns gut vorbereitet“, sagte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik im Innenausschuss zum Einsatz am Montag: „Es war eine ruhige, verhaltene Atmosphäre.“

Innenpolitiker loben Einsatz

Burkard Dregger, Fraktionschef der Berliner CDU, lobt den Großeinsatz der Polizei: "Bei arabischen Großfamilien habe ich es lieber eine Spur zu viel, als eine Spur zu wenig. Die einzige Sprache, die die verstehen ist die der Machtdemonstration."

Auch der Innenexperte der Grünen, Benedikt Lux, äußerte Zustimmung für den Einsatz: "Der Polizei ist mit viel Einsatz der Spagat zwischen Trauer ermöglichen und Infektionsrisiko reduzieren gelungen."

Gegen 14 Uhr hob die Polizei die Straßensperren wieder auf. Die Bilanz des Einsatzes: Ein Mann hatte zwei Journalisten angespuckt, zwei Personen versuchten sich unerlaubt Zutritt zum Friedhof zu verschaffen, ansonsten sei friedlich getrauert worden. Ob dafür ein solcher Großeinsatz nötig gewesen sei, wollte Polizeisprecher Cablitz nicht kommentieren. „Das sollen Virologen beurteilen.“

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