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KRIS DEWITTE

© Kris Dewitte

„Close“ bei Filmwoche in Berlin: Die Gratwanderung zwischen Freundschaft und Liebe

Mit seinem Spielfilm reist Lukas Dhont herum, um über Erwartungshaltungen und den Blick auf Intimität zu sprechen. Belgien hat das Werk für den Oscar eingereicht.

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Die Frage, wer am Ende welche Sexualität entdeckt, ist für Lukas Dhont gar nicht wichtig. „Ich versuche, von einem tiefen persönlichen Gefühl auszugehen und dieses dann in eine universelle Erfahrung umzuwandeln“, sagt der 31-jährige Filmemacher.

„Close“ lebt von den Nahaufnahmen, diesen unglaublich jungen, reinen Gesichtern an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Gerade hat er seinen zweiten Spielfilm bei der Französischen Filmwoche in Berlin vorgestellt. Er nimmt sich Zeit, ihn in verschiedenen Ländern vorzustellen und mit dem Publikum zu diskutieren.

Für den Oscar hat Belgien ihn bereits eingereicht, für den Europäischen Filmpreis ist er nominiert, und den Großen Preis der Jury in Cannes hat er ebenfalls schon gewonnen.

Entfremdung und Schuld

Die Hauptdarsteller Léo und Rémi sind 13 Jahre alt und die allerbesten Freunde, sie schlafen zusammen in einem Bett und erzählen sich ausgedachte Geschichten, sie radeln zur Schule durch wogende belgische Blumenfelder.

Als sie in die höhere Schule wechseln, wird die spürbare Nähe zwischen ihnen zum Thema und Stoff für Hänseleien der Mädchen. Sind sie etwa schwul? Es geht um die Gratwanderung zwischen Freundschaft und Liebe, Distanz und Nähe, Entfremdung, Schuld, Reue.

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Mal ist „Close“ für den Europäischen Filmpreis nominiert

Lukas Dhont hat selbst als Junge sehr darunter gelitten, ständig mit Erwartungshaltungen konfrontiert zu sein. „Der Körper, in dem man geboren wurde, kam mit einem Satz Regeln und einem bestimmten Verhaltenskodex“, sagt er. Seine jungen Jahre hätten gefüllt sein sollen mit der Freude am Entdecken der Welt.

Ich weiß nicht, was für eine Sexualität sie haben.

Lukas Dhont über seine Protagonisten

Stattdessen waren sie überschattet von Druck. „Ich habe eine Menge Leute auf Distanz gehalten, die ich eigentlich nicht auf Distanz halten wollte.“ In unserer Gesellschaft seien alle konditioniert, auf Intimität und Nähe zwischen Jungen durch die Linse der Sexualität zu blicken, sagt er.

Damit wollte er die Zuschauer konfrontieren. „Ich weiß nicht, was für eine Sexualität sie haben, und es interessiert mich nicht“, sagt er über seine Protagonisten. Was Freundschaft von romantischer Liebe unterscheide, sei für viele von uns Sexualität.

Auch in Freundschaften werden Herzen gebrochen

Aber man könne auch sagen, dass wir uns von Anfang an in Richtung romantischer Liebe bewegen. So seien wir konditioniert. Ihm geht es in seinem Film um die Bedeutung tiefer Verbundenheit, ganz egal ob es sich um romantische Liebe handelt oder um Freundschaft. Freundschaft werde nicht in gleicher Weise wertgeschätzt wie romantische Liebe.

Wenn das anders wäre, gäbe es sehr viel weniger Einsamkeit. „Freundschaft ist sehr viel.“ Im Übrigen könne man sich auch in Freundschaften ausgeschlossen werden, könne das Herz gebrochen werden.

Eine weitere Botschaft des Films liegt in dem Lernprozess, den Léo so schmerzlich durchmachen muss: Handlungen haben Konsequenzen. „Wenn wir Menschen zurückweisen, hat das Konsequenzen.“ Der Film will auch konfrontieren mit der Tatsache, dass die Gesellschaft es so gewöhnt sei, Intimität mit Sexualität in Verbindung zu bringen.

Als Kontrast zu den Nachrichten mit so vielen Bildern von Männern, die brutal kämpfen, findet er es schön, Jungs zu sehen, die zwischen Blumenfeldern herlaufen. Der Film handelt auch von Männlichkeit.

Auch die Rolle des großen Bruders ist eine Facette davon. „Wir sehen nicht so oft einen Bruder, der ein Beschützer ist und keine Angst vor Nähe hat.“

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