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Mit Abstand und Maske: Bei einer angemeldeten Veranstaltung auf dem Tempelhofer Feld war Tanzen wieder möglich.

© Stefan Zeitz/imago images

Cluböffnungen in Berlin: Warum im Sommer wieder getanzt werden könnte

Berliner können wieder in Clubs – zumindest in jene mit Außenbereich. Die Clubszene hofft auch auf Tanzveranstaltungen.

Mit den Temperaturen steigt auch die Partylaune in der Stadt. Am Wochenende feierten und tanzten in verschiedenen Parks tausende von Berliner:innen – und das oft ohne die Einhaltung der Hygiene-Maßnahmen. Die Polizei löste mehrere Veranstaltungen auf, unter anderem in der Hasenheide und im Treptower Park.

Das Wochenende zeigte: Das Bedürfnis nach Feiern und Tanzen ist groß – es braucht also Lösungen. Eine weitere Öffnung der Clubs mit organisierten Veranstaltungen könnte so eine sein. Viele Clubs bereiten sich vor und schöpfen Hoffnung aus den Erfahrungen des vergangenen Sommers.

Das Revier Südost in Niederschöneweide, neue Heimat des ehemaligen Neuköllner Techno-Clubs Griessmühle, öffnete bereits vor einer Woche. „Unsere Besucher haben sich gefreut, endlich wieder im Freien sitzen zu können“, sagt Michaela Krüger, Sprecherin der Griessmühle.

„Trotz regnerischen Wetters blieben die Gäste auf ihren Plätzen.“ Zwischendurch sei der Andrang so groß gewesen, dass einige vor der Tür warten mussten, bis wieder Plätze frei wurde. Immerhin das altbekannte Schlangestehen vor Clubs scheint also wieder möglich zu sein.

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Gefallen hat es anscheinend aber nicht nur den Besuchern. Auch das Ordnungsamt inklusive Polizeimannschaft kamen zu einem Kontrollbesuch. Nach „kürzester Zeit“ hätten sie den „Baergarten“, den Biergarten der Griessmühle, aber „zufrieden“ verlassen, sagt Krüger.

Das könnte auch an dem Konzept des Biergartens gelegen haben. So ist der Einlass nur mit einem tagesaktuellen Negativtest oder Impf- oder Genesenheitsnachweis möglich. Dafür gibt es auf dem Gelände auch ein eigenes Testzentrum. Ohne Mund-Nasen-Bedeckung dürfen sich höchsten fünf Personen aus zwei Haushalten an einem Tisch aufhalten, beim Verlassen des Tisches muss ebenfalls eine Maske getragen werden. Zudem erfolgt der Einlass nur, wenn sich die Besucherinnen und Besucher vorher online registriert haben.

Wie es im Sommer weitergeht, ist für das Revier Südost aber ungewiss. Trotzdem gibt es schon Pläne. Neben der Übertragung der Spiele der Fußball-Europameisterschaft, die am 11. Juni beginnt, sollen auch Kinoabende stattfinden. Und natürlich möchte man auch wieder Veranstaltungen, auf denen getanzt werden kann. „Wir möchten endlich wieder unseren Clubbereich eröffnen“, sagt Krüger. Man hoffe sehr auf eine „schnelle Rückkehr zur Normalität“. Ein Konzept, welches sich bereits im vergangenen Jahr bewiesen hatte, existiert ebenfalls.

Clubs bauen auf Erfahrungen des vergangenen Sommers

Viele Clubs öffneten 2020 ihre Open-Air-Tanzflächen – mit Maske und Abstand. Dass das auch in diesem Sommer wieder möglich sein könnte, glaubt Lutz Leichsenring, Sprecher der Clubcommission. „Faktisch spricht nichts dagegen, im Außenbereich zu feiern“. Das Ansteckungsrisiko bei Open-Air-Veranstaltungen schätzt Leichsenring, als eher gering ein und verweist dabei auf die Aerosolforschung.

In einer Stellungnahme der Gesellschaft für Aerosolforschung von Mitte April heißt es unter anderem, dass eine Ansteckung durch Aerosolpartikel im Freien so gut wie nicht stattfindet. Hoffnung auf Veranstaltungen im Freien, bei denen auch getanzt werden kann, macht auch der Stufenplan des Senats.

Dieser sieht vor, ab dem 4. Juni Veranstaltungen im Freien mit bis zu 500 Besucher:innen zu erlauben. Weitere zwei Wochen später, ab dem 18. Juni, könnten es schon bis zu 1000 Besucher:innen sein. Zudem sehen sich viele Clubs vorbereitet, nötige Konzepte zu entwickeln und umzusetzen.

Aus einer Umfrage der Clubcommission, bei der 160 Berliner Clubs mitmachten, ergab sich, dass etwa 90 Prozent der Befragten ihre Kenntnisse zu Hygienekonzepten als gut oder sehr gut einschätzten. Bereits im vergangenen Jahr habe sich gezeigt, dass die Konzepte gut funktionierten und akzeptiert wurden, sagt Leichsenring.

Auch zeigt die Umfrage, dass die Berliner Clubs durchaus Angebote machen wollen. So würden 64 Prozent der Befragten auf ihren eigenen Außenflächen Veranstaltungen durchführen und etwa 48 Prozent würden Veranstaltungen auch außerhalb ihrer Flächen durchführen.

Die Clubszene zeigt sich bereit, die Verantwortung für ein sicheres Feiern zu übernehmen. Das wird auch bei den aktuellen Öffnungen deutlich. So öffnete beispielsweise auch der Club YAAM am Ostbahnhof am Samstag wieder. Auch hier gebe es ein eigenes Zentrum, in dem sich die Gäste vorab testen lassen können, erklärte einer der Vorsitzenden des YAAMs, Martin Gräf. Man ist zudem bereit, Open-Air-Veranstaltungen zu organisieren. „Wir stehen in den Startlöchern“, sagt Gräf. „Wir sind darauf vorbereitet, relativ schnell ein Programm mit Live DJ’s hochzuziehen, sobald weitere Lockerungen möglich sind“.

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Auch der Club Gretchen öffnet im Sommer, wenn auch im kleineren Rahmen. Wie bereits im vergangenen Jahr soll es wieder Open-Air-Kleinstkonzerte geben, dieses Jahr mit 50 Personen statt 30. Allerdings sei eine Eröffnung wegen einer Baustelle auf dem Gelände erst für Mitte oder Ende Juni geplant, sagt die Betreiberin und Vorsitzende der Clubcommission, Pamela Schobeß.

Danach soll es einmal pro Woche ein Konzert im Außenbereich des Clubs geben. Mehr gehe leider nicht, da der Club aufgrund der Beschallung für jedes Konzert eine Ausnahmegenehmigung brauche. Für die Konzerte weicht der Club von anderen Hygienekonzepten ab, indem er auf Tische verzichtet. Da es eine reine Bestuhlung mit Liegestühlen geben werde und zwischen den einzelnen Liegestühlen eineinhalb Meter Abstand bestehe, müssten die Besucher im Gretchen keinen Negativtest vorzeigen, sagt Schobeß. Eine Maske muss abseits der Liegestühle aber getragen werden.

Das Konzept bedeutet aber auch weniger Platz und somit weniger Gäste. Für den Club steht aber die Kunst und das Erlebnis im Vordergrund. „Uns geht es vor allem um die Musik“, sagt Schobeß.

Tanzveranstaltungen sind im Gretchen zunächst nicht geplant. Das liege zu einem daran, dass der Außenbereich des Clubs nicht groß genug ist. Zum anderen empfinde man das Kontrollieren von Abständen, während die Gäste tanzen und sich entsprechend bewegen, als „nicht clubkulturkonform“, sagt Schobeß.

Tanzen mit Maske und Abstand möglich

Sollten die Inzidenzen weiter sinken und der Stufenplan des Senats einsetzen, könnten aus manchen Biergärten bald schon wieder Clubs werden. Natürlich wird es kein Tanzen in zu dunklen, verrauchten und bassdurchdrungenen Räumen geben – zumindest noch nicht – dafür aber vielleicht Open-Airs in lauen Sommernächten.

Diesbezüglich scheint man auch im engen Austausch mit dem Senat zu sein. Zusammen mit dem Grünflächenamt seien verschiedene bezirkseigene und ungenutzte Grünflächen identifiziert, die man für Veranstaltungen nutzen könne, sagt Lutz Leichsenring. Über ein Bewerbungsverfahren konnten sich Clubs und Kollektive einbringen, um die Verwaltung der Flächen mit Hygienekonzept, Sanitäranlagen und Sicherung zu übernehmen.

Leichsenring betonte aber, die Flächen würden den Clubs und Kollektiven nicht exklusiv zur Verfügung stehen, vielmehr sollen sie die Koordination der Grünflächen übernehmen. Damit solle verhindert werden, dass Open-Airs unkoordiniert und ohne Hygienekonzept in Parks stattfinden.

"Emotional geht es vielen nicht gut"

Trotz Monaten des Stillstands scheinen es alle Clubs bislang mehr oder weniger durch die Pandemie geschafft zu haben. Ein entscheidender Faktor waren dabei offenbar staatliche Hilfen. Das gaben zumindest 70 Prozent der befragten Clubs an. Nichtsdestotrotz denken laut Umfrage etwa 16 Prozent der Clubbetreiber darüber nach, ihr Unternehmen aufzugeben.

Schobeß vermutet als Grund unter anderem Frustration. „Emotional geht es vielen nicht gut“, sagt die Gretchen-Betreiberin. Viele Clubs ständen seit über einem Jahr „mit einem Bein in der Insolvenz“, ohne Gewissheit, wie es weitergeht. „Wenn man 14 Monate lang weiß, man verdient kein Geld, lebt nur von staatlichen Hilfen, findet in der Planung der Bundesregierung kaum Beachtung und hat trotzdem die ganze Arbeit, dann frustriert das“, sagt Schobeß.

Viele Betreiber:innen müssten immer wieder aufs Neue Konzerte verlegen, umplanen und organisieren, während sie gleichzeitig in der Angst lebten, ihr Lebenswerk zu verlieren. Zeitgleich geht vielen Clubs das Personal verloren. Viele Mitarbeiter hätten sich in der Pandemie einen anderen Job gesucht oder umgeschult.

Langfristig braucht es für die Clubszene in Berlin Lösungen ohne Abstand. „Nur dann ist eine Clubkultur möglich“, sagt Schobeß. Man hoffe sehr darauf, dass dies mit zunehmendem Impffortschritt und verlässlichen Tests wieder möglich sein wird. Bis dahin sei man in der Szene froh, draußen zumindest ein bisschen was machen zu können. „Viele setzen darauf, dass Tanzen bald wieder möglich ist“.

Nicolas Lepartz

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