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Nach Gewalt gegen einen jungen Soldaten in einer Kaserne in Berlin sind drei seiner damaligen Kameraden verurteilt worden. (Archivbild)

© Sebastian Gollnow/dpa

„Zäpfchen“-Ritual in Berliner Kaserne: Ex-Soldaten wegen Misshandlung eines Kameraden verurteilt

Im Prozess gegen Ex-Soldaten der Bundeswehr wegen Gewalt gegen einen jüngeren Kameraden erging ein Urteil. Zwei Angeklagte bekamen Bewährungsstrafen.

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Ein junger Soldat wurde Opfer seiner Kameraden. „Ein zurückhaltender Mensch, der Probleme hatte, sich in dem robusten Haufen zu platzieren“, sagte der Vorsitzende Richter Uwe Nötzel. Erst piesackte man den damals 20-Jährigen leicht, dann wurde er festgehalten, intim berührt. „Da sollte jemand gedemütigt werden.“ Und es sei auch um eine Demonstration von Macht gegangen.

Das Berliner Landgericht sprach zwei der Täter der schweren sexuellen Nötigung schuldig. Gegen den 35-jährigen Robby B. erging eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, der 31-jährige Benjamin K. erhielt ein Jahr und acht Monate Haft auf Bewährung. Der 36-jährige Tino Ka. wurde wegen unterlassener Hilfeleistung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 6400 Euro (160 Tagessätze zu je 40 Euro) verurteilt. „Es mag gewisse Traditionen geben, aber das ist kein Wert an sich, Rituale können teilweise strafbaren Charakter haben“, so der Richter. So sei es im vorliegenden Fall gewesen.

Eine Stube in der Julius-Leber-Kaserne in Reinickendorf, bewohnt von Soldaten des prestigeträchtigen Wachbataillons, wurde zwischen Februar und Mai 2021 zum Tatort. Mehrere Soldaten saßen zusammen, es wurde Playstation gespielt, wohl auch Bier getrunken. Dann habe es einen „relativ spontanen Entschluss“ und einen Übergriff auf den 20-Jährigen durch mehrere Kameraden gegeben. Von einem „Zäpfchen“-Ritual war im mehrtägigen Prozess die Rede.

Der dritte Angeklagte habe das Geschehen beobachtet und nicht eingegriffen, so das Gericht. An einem zweiten Vorfall habe er sich beteiligt. Nach der gerufenen Parole „Bombe“ oder auch „Schweinehaufen“ hätten sich Ka. und fünf weitere Soldaten auf den 20-Jährigen geworfen.

Die Geständnisse der Angeklagten und auch Zahlungen an den misshandelten Mann im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs hätten zur Strafmilderung geführt, hieß es weiter im Urteil. 5000 Euro hatte B. gezahlt, 3000 Euro kamen von K., der dritte Angeklagte übergab der Anwältin des inzwischen 24-jährigen Nebenklägers eine Summe von 1500 Euro. Der 24-Jährige hatte vor Gericht von psychischen Folgen bis heute gesprochen, er leide unter Schlafstörungen, Albträumen und Panikattacken.

Verdacht auf Rechtsextremismus hatte sich nicht bestätigt

Der Staatsanwalt hatte auf einen Schuldspruch wegen Vergewaltigung und auf Strafen von zwei Jahren Haft auf Bewährung gegen B. und K. plädiert. Für die Verteidiger war das, was geschah, keine Sexualstraftat. Es sei in einem „gruppendynamischen Kontext und ohne sexuellen Bezug“ geschehen und als Nötigung zu verurteilten – zehn und neun Monate auf Bewährung forderten die Anwälte von B. und K.

„Man muss berücksichtigen, dass er es auch selbst erlebt hat“, so die Anwältin des 35-jährigen B. Er habe Rituale weitergegeben. Durch das Verfahren, das wegen eines angeblichen rechtsextremen „Wolfsrudels“ in der Kaserne begonnen hatte, sei er als Neonazi diskreditiert, schließlich entlassen worden. Der Verdacht auf Rechtsextremismus hatte sich nicht bestätigt. Bei internen Untersuchungen stieß man allerdings auf mutmaßliche Gewaltvorfälle.

Der Anwalt von Benjamin K. sagte, sein Mandant habe „nur festgehalten, ein Augenblicksversagen – und schon sozial geächtet“. Einmal sei dem 31-Jährigen die Sicherung durchgebrannt. „Sie dachten, der junge Soldat würde reagieren wie alle anderen, die es durchgemacht haben – nämlich gar nicht“, so der Anwalt. Doch man müsse damit rechnen, „dass man auf einen psychisch labilen Menschen trifft“.

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