
© dpa/Moritz Frankenberg
„Die ehemaligen afghanischen Ortskräfte haben sich unter Einsatz ihres Lebens in den Dienst Deutschlands gestellt“, erklärte jüngst der Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Felix Banaszk. Aus derartigen Erklärungen wird eine Verpflichtung hergeleitet, dass Deutschland Afghanen und ihre Familien nach Deutschland holt. Das ist geschichtlich und rechtlich zu hinterfragen.
Nach den Anschlägen von Al-Qaida am 11. September 2001 in den USA billigte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Maßnahmen gegen die Terrororganisation und später zum Schutz eines demokratischen Aufbaus in Afghanistan. An diesen Maßnahmen beteiligte sich auch die Bundesrepublik Deutschland mit der Entsendung von Bundeswehreinheiten nach Afghanistan und auch durch Hilfe bei der Ausbildung afghanischer Polizei.
Deutsche Soldaten und Soldatinnen und später auch deutsche Polizisten und Polizistinnen haben im Rahmen eines von der UN gebilligten Einsatzes in Afghanistan Dienst getan, um Afghanistan und seine Bevölkerung vor militärischen Angriffen der Taliban zu schützen. Über 50 Deutsche haben ihren Einsatz mit dem Leben bezahlt.
Die Ortskräfte haben für den Aufbau Afghanistans gearbeitet
Die beteiligten deutschen Institutionen haben dabei in einem von Armut, Arbeitslosigkeit und leider auch Korruption geprägten Land für Afghaninnen und Afghanen Arbeitsplätze für Menschen vor Ort angeboten, für die sogenannten Ortskräfte. Das waren Afghanen, die beispielsweise als Übersetzer, Fahrer, Koch, für Mediendienste oder bei von Deutschland finanzierten Hilfs- und Entwicklungsdiensten gearbeitet haben. Sie haben für ihren Lebensunterhalt und den Aufbau Afghanistans gearbeitet.
Nachdem die Taliban erneut die Macht übernommen hatten, waren diese Menschen wie alle anderen, die am demokratischen Aufbau Afghanistans Anteil hatten – die Mitarbeiter der afghanischen Verwaltung, des Militärs, der Polizei, der Frauenbewegungen, es freien Journalismus, der Schulen und Hochschulen – potenziell gefährdet. Wer tatsächlich und in welchem Maße gefährdet ist, ist schwer einzuschätzen. Aber dass es für etliche Menschen eine Gefährdungssituation gab, liegt auf der Hand. Deshalb gab es Bemühungen der Bundesregierung, gefährdeten Personen zu helfen und sie in Deutschland aufzunehmen.
Das Grundrecht auf Asyl verpflichtet nicht dazu, Zuzüge von Verfolgten zu organisieren
Eine rechtliche Verpflichtung zur Aufnahme gibt es weder aus dem GG noch aus dem Ausländerrecht. Das Grundrecht auf Asyl nach Art.16 a Abs.1 GG gewährleistet für Verfolgte, die in die Bundesrepublik Deutschland kommen, das Recht auf Einreise und Verbleiben in Deutschland. Es ermöglicht nicht die Reise nach Deutschland und verpflichtet uns nicht, Zuzüge von Verfolgten zu ermöglichen oder gar zu organisieren. Auch aus dem Ausländerrecht ergibt sich keine Verpflichtung dafür.
Aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen kann einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, § 22 Satz 1 Aufenthaltsgesetz. Sie ist zu erteilen, wenn das zuständige Bundesministerium oder die von ihm bestimmte Stelle zur Wahrung politischer Interessen die Aufnahme erklärt hat, § 22 Satz 2 Aufenthaltsgesetz. Das ist eine freie politische Entscheidung. Es geht nie darum, dass die Bundesrepublik verpflichtet ist, jemanden aufzunehmen. Sondern Deutschland kann Menschen aufnehmen.
Auch der Debattenansatz, wir seien moralisch verpflichtet, Afghaninnen und Afghanen aufzunehmen, ist zu hinterfragen. Das allerdings ist der Ansatz von Banaszak und anderen, die mit der Behauptung, Afghanen hätten sich in den Dienst Deutschlands gestellt, den Vorwurf verbinden, wir hätten Menschen dazu verleitet, sich für den Aufbau eines freien Afghanistans einzusetzen.
Die Afghanen haben sich für ihr Land eingesetzt, nicht für die Deutschen
Dieser Ansatz ist nicht nur historisch unzutreffend. Er ist auch verletzend gegenüber allen Afghanen und Afghaninnen, die sich in ihrem Land für Demokratie und Menschenrecht, insbesondere auch gegen die Unterdrückung der Frauen, eingesetzt haben.
Ich habe keine intensiven Erfahrungen mit Afghanistan, war aber einige Male zwischen 2006 und 2010 zu Kurzbesuchen als Innensenator dort, habe die deutschen Polizeikräfte – auch aus Berlin – besucht. In Kabul und Masar e Sharif habe ich viele Gespräche geführt, mit afghanischen Vertretern des Innenministeriums, Polizeioffizieren, Richtern, Journalisten und Vertreterinnen von Frauenorganisationen.
In keinem Gespräch wurde auch nur angedeutet, dass die mit den deutschen Institutionen zusammenarbeitenden Afghanen sich in den Dienst Deutschlands stellten. Im Gegenteil, die Gesprächsteilnehmer waren dankbar dafür, dass die Deutschen, Bundeswehr, Polizei, Entwicklungshilfeorganisationen, sich in den Dienst der Herstellung eines demokratischen Afghanistans stellten. Nicht Afghanen haben sich unter Lebensgefahr in den Dienst Deutschlands gestellt, sondern Deutsche haben in Afghanistan unter Lebensgefahr geholfen.
Insofern gibt es nicht nur keine gesetzlichen, sondern auch keine moralischen Verpflichtungen, Menschen den Zuzug aus Afghanistan zu ermöglichen. Es handelt sich um freie politische, menschliche Entscheidungen der Bundesregierung, um humanitäre Hilfe. Insofern ist die Bundesregierung frei, bei weiteren Zuzügen, bei denen verbindliche Einzelzusagen erteilt sind, die Voraussetzungen zu prüfen und neue Zusagen nicht zu machen.
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