
Saubere Sache in Tempelhof-Schöneberg: Der Bayerische Platz wird wiederbelebt
Eine rührige Bürgerinitiative hat den Bayerischen Platz wieder zum Zentrum des Viertels gemacht – bald öffnet auch ein Kiezcafé im neu gestalteten U-Bahnhof. Am Aktionstag "Saubere Sache" wird der Platz von Müll befreit.
Seit 1958 wacht der Löwe als Wappentier des Namensgebers über den Bayerischen Platz in Schöneberg. Das Denkmal von Anton Rückel war ein Geschenk des Freistaates an den Bezirk und blickt heute wieder auf eine grüne, von Birken gesäumte Rasenfläche mit einem liebevoll gepflegten Blumenbeet und einer sprudelnden Brunnenanlage.
So war es nicht immer. Als dem Bezirk vor Jahren das Geld ausging, hatte er die Grünanlage in Straßenland umgewidmet und sich nicht mehr um die Freifläche gekümmert, erinnert sich Reformhausbesitzer Ulrich Höfeler. Der 1908 als Zentrum des Bayerischen Viertels angelegte und nach dem Zweiten Weltkrieg neu gestaltete Platz verfiel zunehmend und wurde zum Aktionsfeld von Drogendealern, immer mehr Ladenbesitzer warfen das Handtuch.
Eine Bürgerinitiative veränderte den Kiez
Um der Verwahrlosung und dem zunehmenden Leerstand entgegenzuwirken, gründete Höfeler mit anderen Geschäftsleuten im Oktober 2007 den Verein Quartier Bayerischer Platz, der heute rund 50 Mitglieder zählt. In Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt wurde die Grünfläche neu gestaltet. Vereinsmitglieder legten das Beet an. Neue Geschäfte zogen in die verlassenen Läden, darunter der Geigenbauer Markus Scherschel, eine Zigarrenlounge und – passend zum Platz – der Goldene Stern: ein Restaurant mit bayerischer Küche, das sich mittlerweile zwischen dem Bella Italia und dem vietnamesischen Pho 12 etabliert hat.
Dazu kommen alteingesessene Fachgeschäfte: Die Apotheke am Bayerischen Platz besteht seit 1921 im Besitz der Familie Henrici. Der „Buchladen Bayerischer Platz“ von Christiane Fritsch-Weith setzt die Tradition der 1919 gegründeten Buchhandlung des 1941 im Ghetto Lodz ermordeten Benedikt Lachmann fort. Und die Kunden von Ingrid Lang kommen von weit her, um im „Das süße Leben“ edle Schokoladen zu erwerben.
Regelmäßig bringen Busse und auch die U-Bahn Besuchergruppen, die sich insbesondere für die Vergangenheit der Siedlung interessieren. Nobelpreisträger Albert Einstein hat hier ebenso gewohnt wie die Sängerin Claire Waldoff und der Schriftsteller Carl Zuckmayer. Einst war das Bayerische Viertel ein Zentrum des liberal-jüdischen Bildungsbürgertums. 80 Schrifttafeln mit Auszügen aus Nazi-Gesetzen an den Laternenmasten erinnern als Flächendenkmal an die Ausgrenzung, Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bewohner, von denen gut ein Drittel deportiert wurde. In den Gängen des U-Bahnhofs zeigt eine von Werner Friedrichs in Anlehnung an ein Buch von Gudrun Blankenburg gestaltete Fotoausstellung die Geschichte des Kiezes. Bei Voranmeldung führen Sechstklässler der nahen Löcknitz-Grundschule durch die Bilderschau. Auf ihrem Pausenhof, wo einst die Synagoge stand, erinnern sie mit einer „Denk-mal“-Mauer an die Opfer des Holocaust.
Ehemalige Finanzsenatorin fordert Abbau der Bürokratie
Der Verein hat einen Flyer zur Geschichte der Viertels drucken lassen. Seit drei Jahren sorgt er auch dafür, dass zur Adventszeit ein großer Weihnachtsbaum auf dem Platz steht. Obwohl die Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg gut funktioniert, war ein dicker Ordner mit Behördenkorrespondenz gefüllt, bis es soweit war. Auch die Vorbereitungen zur 100-Jahr-Feier der Kirchengemeinde „Zum Heilsbronnen“ waren 2012 von bürokratischen Hürden geprägt, erinnert sich Annette Fugmann-Heesing (SPD). „Plätze in der Stadt sind dafür da, dass Bürger sich begegnen können“, sagt die ehemalige Berliner Finanzsenatorin und fordert einen Abbau der Bürokratie.
Fugmann-Heesing, die selbst im Bayerischen Viertel lebt, ist Schirmherrin des jüngsten und größten Projektes des Vereins. Mit dem Umbau des U-Bahnhofs entsteht das Café Haberland. Es ist benannt nach dem Gründer der Berlinischen Boden-Gesellschaft, Salomon Haberland, und dessen Sohn Georg, der als deren Generaldirektor das Bayerische Viertel als zentrumsnahes Nobelquartier realisierte. Der mithilfe von Lottomitteln von der BVG im Bahnhof realisierte Kieztreff für Anwohner und Besucher erhält eine Box, in der Filme über das Viertel gezeigt werden, sowie eine „Hördusche“ mit Tondokumenten. Während er von einem Pächter bewirtschaftet wird, organisiert der Verein hier zehn kulturelle Veranstaltungen pro Jahr. Am 19. September soll das Café eröffnet werden, mit der Band der Löcknitz-Schule und dem schon traditionellen langen Freitag, an dem die Geschäfte rund um den Platz bis 22 Uhr geöffnet haben. Der soll bis dahin blitzeblank sein. Deshalb beteiligt sich der Verein in diesem Jahr zum wiederholten Mal an der Aktion „Saubere Sache“.
Unter dem Titel „Sauberer Löwe 2014“ werden der Bayerische Platz und seine Nebenstraßen am 13. September von 11 bis 13 Uhr von Müll und sonstigem Unrat befreit.
Mitmachen und Mitfeiern
Erst werden an den Aktionstagen die Ärmel aufgekrempelt und die Stadt schön gemacht – und eine Woche später wird gefeiert. Der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin und der Tagesspiegel laden alle Helfer am Freitag, dem 19. September zur Danke-Party in das Verlagsgebäude am Askanischen Platz 3 am Anhalter Bahnhof. Ab 17 Uhr sind alle Aktiven herzlich willkommen: Im Erdgeschoss gibt es ein Kulturprogramm mit Theater und Musik, dazu gibt es Getränke und Snacks. Begrüßt werden unsere Gäste von der Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement, Hella Dunger-
Löper, der Vorsitzenden des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Barbara John, und der Tagesspiegel-Chefredaktion. Das Haus ist behindertengerecht. Der Eintritt ist frei. Wenn Sie mitfeiern wollen, schreiben Sie uns: sauberesache@tagesspiegel.de