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Berlin: Der Fontane der Farben

Anfang Januar ist er von einer Irland-Reise zurückgekommen, hat dort wieder Landschaften mit dem Marderhaar-Pinsel aufs Aquarellpapier gebracht. In Berührung mit Klostermauern und Efeu hat er Bölls "Irisches Tagebuch" nacherlebt.

Anfang Januar ist er von einer Irland-Reise zurückgekommen, hat dort wieder Landschaften mit dem Marderhaar-Pinsel aufs Aquarellpapier gebracht. In Berührung mit Klostermauern und Efeu hat er Bölls "Irisches Tagebuch" nacherlebt. Sonst ist Rudolf Heltzel, der "malende Fontane", gern den Spuren des großen Brandenburg-Forschers gefolgt - als märkischer Bildchronist. Heute wird er 95 Jahre alt.

Als Zwölfjähriger zog er skizzierend durch die Luisenstadt, über die Treptower Wiesen und in den Grunewald, malte Wildenten und Eisvögel. Schließlich baute er sich ein Boot, wurde poetischer "Wassermaler", paddelte zu märchenhaften Ufern. "Wenn du im Boot, irgendwo zwischen Spreewald und Schwielochsee, einschläfst, weiter treibst - um endlich, mitten in einem Sternenmeer über und unter dem Boot, zu erwachen - das ist pure FontaneRomantik."

Doch Heltzel malte auch im tschechischen Böhmisch-Leipa, wo der Papa bei der K.-u.-K.-Eisenbahn Dienst tat. Der Vierjährige kam dann mit der Mutter ins Kreuzberger Milieu. Nach Hitlers Angriff auf Russland 1941 durfte der Künstler im Auftrag der Zentrale der Frontbuchhandlungen Aquarelle für ein Mappenwerk anfertigen: Kirchen, Paläste, Landschaft zwischen Riga und Leningrad (bevor alles zur "Verbrannten Erde" wurde).

Nach dem Krieg baute er sein Atelier in einem Neuköllner Schrebergarten auf, hielt auf grobem Karton die Ruinen von Berlin fest. Bilder vom neuen Berlin und von Reisen ums Mittelmeer folgten. Mit der Wende kamen neue Impulse für den 80-Jährigen: wieder auf Fontanes Pfaden zu vergessenen Herrenhäusern, Kirchenruinen und den Erlenufern der lausitzischen Sümpfe. Der 90-Jährige vollbringt einen Höhenrekord: auf dem 3500 Meter hohen vereisten Jungfraujoch in der Schweiz malt er im eisigen Wind den Aletsch-Gletscher.

Der "andere" Heltzel ist in die sakrale Kunstgeschichte eingegangen: In vielen Ländern Mitteleuropas sind seine Kreuzwege für katholische Gotteshäuser bekannt. Seine Skulpturen und Weihnachtskrippen stehen auch in evanglischen Kirchen. Die "ökumenische" Krippe in der (den Opfern des NS-Widerstandes gewidmeten) Berliner Kirche Regina Martyrum mit Figuren von NS-Verfolgten ist Zeugnis für Heltzels unbeugsam-menschliche Gesinnung. Seine "Schutzmantel-Madonna" im Wallfahrtsort Alt-Buchhorst bei Berlin ist seit 1937 Ziel oppositioneller Pilgerfahrten während des NS- und DDR-Regimes. Einige christliche NS-Opfer - wie Rudolf Mandrella - gehörten zu Heltzels engsten Freunden.

Als der Bundespräsident ihm das Bundesverdienstkreuz verlieh, geschah das für die Verdienste im Bereich Kirche-Kunst-Gesellschaft: In seinem Atelier über der Elisabethkirche in der Schöneberger Kolonnenstraße treffen sich seit über vier Jahrzehnten "Mitmenschen aller Richtungen" im vermutlich "letzten Berliner Salon": philharmonische Virtuosen und Schauspieler, Museumschefs und Politiker, Autoren und Puppenspieler, viele bildende Künstler sitzen zusammen mit Debattierern und Zuhörern aus allen Berufen und Altersgruppen, multikulturelles Engagement inklusive. Jetzt wartet Rudolf Heltzel ungeduldig auf wärmere Tage: da will er das Atelier herrichten für die nächste Saison und eine große Werkschau für den Lichthof des Rathauses Schöneberg vorbereiten. Und im Sommer geht es zu einer Ausstellung nach Ljubljana in Slowenien. Auch dort will er wieder "Landschaft machen - alles Plein-Air".

Bernd Juds

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