Berlin: „Deutschland hat sich an mir bereichert“
Ein Alteigentümer hat sein Mauergrundstück von der Bundesrepublik zurückerworben. Jetzt will er den Kaufpreis wiederhaben
Wolfgang Pütz hat Minister, Bürgermeister und Parteivorsitzende um Hilfe gebeten. Seine Briefe und ihre Antworten füllen mehrere Aktenordner. Sie haben Verständnis für sein Anliegen geäußert. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit zum Beispiel ist dafür, dass das Grundstück der Familie Pütz in Staaken „ohne Wenn und Aber“ rückübereignet wird. Gebracht hat das alles nichts. Denn keiner der Angeschriebenen hat versucht, die geltende Rechtslage zu verändern. Die wurde 1996 in dem so genannten Mauergrundstücksgesetz festgeschrieben, wonach ehemalige Eigentümer ihr Mauergrundstück zu 25 Prozent des Verkehrswertes von der Bundesrepublik zurückkaufen können.
Das hat Pütz getan und 77000 Euro gezahlt, was er im Nachhinein „himmelschreiend ungerecht“ findet. Mit Hilfe seines Anwalts will er jetzt von der Bundesrepublik den Kaufpreis zurückhaben. Der Bau der DDR-Grenze sei illegal gewesen und habe gegen den Vier-Mächte-Status Berlins verstoßen, argumentiert Pütz, das könne man doch nicht im Nachhinein zu Recht erklären und Geld verlangen. „Die Bundesrepublik habe sich unrechtmäßig an mir bereichert.“
Das Landgericht Berlin hat seine Klage abgelehnt, gestern hat das Kammergericht die Berufung zurückgewiesen. Dem Kampfgeist des 69-jährigen Pütz versetzte das aber nur einen Dämpfer. „Ich werde vor den Bundesgerichtshof ziehen und notfalls bis nach Straßburg.“
Ins Kammergericht waren gestern viele andere Alteigentümer von Mauergrundstücken gekommen, auch die 96-jährige Charlotte Hildebrandt aus Wien. Ihr gehörte ein Gelände in Treptow. „Ich sehe es als Vergewaltigung an, dass ich genötigt werde, etwas zurückzukaufen, was mir enteignet wurde“, sagte ihr Sohn.
Wenn Pütz doch noch gewinnt, wollen rund 1000 ehemalige Mauergrundstücksbesitzer den gleichen Rechtsweg gehen. Der Bundesrepublik entstünde ein Schaden in dreistelliger Millionenhöhe, schätzt Pütz’ Anwalt Thorsten Purps. Er argumentiert, dass Pütz’ Kaufvertrag mit der Bundesrepublik nichtig ist, weil die Enteignung zum Zweck des Mauerbaus gesetzeswidrig gewesen sei. Außerdem habe sein Mandant seit der Wiedervereinigung eine „legitime Erwartungshaltung“, das Grundstück zum Nulltarif zurückzubekommen. Nun hofft er, dass die Bundesrichter anders entscheiden als die Berliner. Denn vor drei Wochen habe der BGH beschlossen, dass das Mauergrundstücksgesetz in Einzelfällen nicht mehr das letzte Maß sein soll.