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Mit oder ohne Darm? Bei der Currywurst haben die Genießer ihre Vorlieben.

© Getty Images/iStockphoto

Die Currywurst feiert Geburtstag: Noch nicht reif fürs Museum

Am 4. September wird eine Berliner Legende 70 Jahre alt. Jedenfalls so ungefähr. Denn die Currywurst hat längst ihre kleinen Schwächen.

Ach, die Geschichte ist einfach zu schön, um sie nicht immer wieder aufzuwärmen – Berlin gegen Hamburg, Fakten gegen Erinnerung. Denn eindeutig ist die Faktenlage auch wieder nicht. Die gelangweilte Charlottenburger Imbissbetreiberin Herta Heuwer hat, so sagte sie, vor exakt 70 Jahren am 4. September 1949 ihre Wurst mit Curry-Tomaten-„Chillup“ erfunden, ein kleiner Schritt für sie, ein Riesensprung für Berlin, die Hauptstadt der Schnellesser. Das ist die Basis.

Der Termin könnte aber ein wenig willkürlich gewählt sein, denn Heuwers berühmtes „Patent“, in Wirklichkeit eine Wort-Bild-Marke, wurde erst zehn Jahre später überhaupt eingetragen. Und dann ist da auch noch Hamburg: Dort, so hat sich der einschlägig bewanderte Autor Uwe Timm erinnert, gab es die Wurst mit Tomatenketchup schon 1947; eine gewisse Lena Brückner soll gestolpert sein, in einer Hand Ketchup, in der anderen eine Tüte Curry...

In Hamburg sind sie deshalb immer sauer, wenn Berlin wieder mal richtig auf die Soße haut, in Berlin wiederum merkt das überhaupt niemand. Weitere Spuren führen nach Bückeburg sowie ins Ruhrgebiet, wo Herbert Grönemeyer bekanntlich den einzig wichtigen Song zum Thema erfunden hat, obwohl er keine Currywurst mag. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Es ist ja, logisch, auch viel schöner, eine echte Erfinderin zu haben als nur eine vage Geschichte mit Treppensturz. Zumal wir hier in Berlin ja auch noch viel mehr über die Anfänge der Wunderwurst wissen, die in Deutschland aktuell 800 Millionen Mal jährlich gegessen wird – eine Kette von Würsten, die aneinandergelegt von der Erde bis... Ach, rechnen Sie das einfach selbst aus, wir essen jetzt erst mal eine, und die sollte aus historischen Gründen ohne Darm sein. Warum? Weil Herta Heuwer 1949 auf die Dienste des Fleischermeisters Max Brückner zurückgriff, der – man litt unter Darm-Mangel – eine „Spandauer ohne Pelle“ entwickelt hatte.

Rezept mit Geschichte

Erst in Zusammenarbeit mit ihm, dem späteren Gründer der Imbisskette „Maximilian“, habe die zunächst erfolglose Kreation zum heutigen Bild gefunden, sagen Wurst-Detektive. Wie auch immer: Herta Heuwers Soße bestand aus Tomatenmark und Gewürzen, namentlich Curry; der heute oft verwendete, süßlich-glatte Ketchup ist insofern eine Verfälschung. Curry muss also, Paprika auch, dazu Worcestersoße, die später von vielen Wurstmaxen separat drübergekleckert wurde – eine heute weitgehend ausgestorbene Mode. Echt wäre vermutlich sogar Brühwurst statt gebraten.

Aber diese Debatte ist den Fans sowieso wurscht. Der eine liebt sie in der klassischen Form, der andere mag es lieber mit Darm, selbstredend im Fett kross angeschmurgelt, was heute möglicherweise sogar weiter verbreitet ist. Der eine liebt suppigen Ketchup mit dem Curry schon drin, der andere mehr die fruchtige Tomatenmark-Version, scharf, schärfer, extrascharf. Zu Recht verpönt ist eigentlich nur Brühwurst mit warmer, suppig über den Teller laufender Soße, wie sie in deutschen Autobahnraststätten verbrochen wird.

Kultküchen der Currywurst-Freunde

Die Anhänger der einen wie der anderen Version haben ihre Kultstätten, das ist bekannt. Die historische Fraktion wird aus Konnopke’s in der Schönhauser Allee und Krasselts am Steglitzer Damm gebildet, wobei Konnopke-Chefin Waltraud Ziervogel der Ruhm gebührt, unter DDR-Mangelbedingungen eine eigene Soße für die „Ketwurst“ gerührt zu haben, die wohl auf reichlich verfügbarem Apfelmus beruhte. Eher mark-lastig ist auch die Soße von „Curry 36“ am Mehringdamm, während man bei „Curry 195“, dem anderen West-Klassiker, eher in Richtung Ketchup unterwegs ist – aber die Alchimisten lassen sich ungern ins Rezept gucken, das war schon immer so.

Ein interessanter Newcomer in der festgefügten Szene ist Mathias Wolf, der seine Currywurst sogar im Glas als Souvenir verkauft und in diesem Jahr den Stand vor dem Adlon ergattert hat, eine Art Mount Everest der Currywurst – was den Schnack begünstigt, sie sei nur noch was für Touristen und Rentner, während der echte Berliner zum Döner oder Burger umgestiegen sei. Das ist selbstverständlich Unsinn, wie schon ein Blick auf Speisepläne Berliner Kantinen zeigt.

Und ganz falsch ist auch die Auffassung, die Currywurst sei reif fürs Museum. Denn das private Berliner Currywurstmuseum hat voriges Jahr geschlossen, und es hat praktisch niemand gemerkt. Die Frage „Mit Darm oder ohne?“ wird zweifellos auch das nächste Jahrhundert unbeschadet erreichen.

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