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Berlin: Die Nackten und die Zoten

Sex & Crime & Selbstausbeutung - Streifen aus den wilden sechziger JahrenSilvia Hallensleben Als "Terminal Island" 1976 in London gezeigt wurde, gab es heftigen Protest der britischen Frauenbewegung. Das Kino, so die Frauen, und speziell solche Schmuddelware löse die grassierende Gewalt gegen Frauen überhaupt erst aus.

Sex & Crime & Selbstausbeutung - Streifen aus den wilden sechziger JahrenSilvia Hallensleben

Als "Terminal Island" 1976 in London gezeigt wurde, gab es heftigen Protest der britischen Frauenbewegung. Das Kino, so die Frauen, und speziell solche Schmuddelware löse die grassierende Gewalt gegen Frauen überhaupt erst aus. Über 20 Jahre später nun wurde "Terminal Island" zusammen mit einigen anderen sogenannten Exploitationfilmen der späten Sechziger und frühen Siebziger Jahre auf einer Tagung in Köln vorgeführt, die den Verbindungslinien des postmadonnesken Girlietums zu den "she-devils" und "Satanskatzen" von damals nachspüren wollte. Veranstalterinnen: das Frauenfilmfest "Feminale". Die Reaktionen im Publikum: Lachen, Applaus. Und Regisseurin Stephanie Rothman, eine aparte weißhaarige Dame, erwies sich nicht nur als ausgewiesene Feministin, sondern auch als intelligente Berichterstatterin vom Innenleben der Roger-Corman-Family, deren einziges weibliches Mitglied sie jahrelang war.

Eine patriarchale Familie war das, mit wenigen, dafür umso strengeren Kino-Gesetzen, die da lauteten: Sex, Gewalt, Nacktheit. Oder auch umgekehrt. Andererseits ging es auch den Cormans nur um das Eine: ums Geschäft. Klassische Liberale also. Für die bei Cormans New World Pictures angestellten Regisseure hieß das, dass - bei Einhaltung der drei Grundgebote - die Freiheiten fast grenzenlos waren. Vorausgesetzt, man, oder eben frau war kreativ genug, sie zu nutzen. Rothman war es. Der "nudity"-Regel etwa hat sie durch simple Quotierung einen hippiesken Blütenkranz aufgesetzt: Mindestens genausoviel nackte Männer wie Frauen sollten es bei ihr schon sein, und mindestens genauso nackt. Doch Vorsicht: So gerne und so viel herumgevögelt wird in jenen Filmen, es gab ein - von der Zensur diktiertes - Grundgesetz: Immer die Hosen oben und deren Türl geschlossen zu behalten. Die Blusen dürfen dafür umso aufgeknöpfter sein.

Auch inhaltlich und stilistisch hat sich Rothman einiges herausgenommen. In "Student Nurses"(1970), der vier junge Schwesternschülerinnen in eine Reihe sexueller, beruflicher und auch politischer Abenteuer stürzt, geht es um Abtreibung, um mögliche Formen des politischen Kampfes, stehen surreale Traumsequenzen neben Szenen, die fast dokumentarisch das Treiben auf den kalifornischen Straßen wiedergeben. Manches davon - Peace-Zeichen und andere Rituale - wirkt heute allerdings auch reichlich surreal. Corman selbst, sagt Rothman, fürchtete vor allem eines: dass die Jungschwestern, auch wenn sie allesamt "wunderschön und so oft wie möglich nackt" waren, doch ein bisschen zu schlau wegkommen. Der damalige Erfolg des Films hat ihn wohl eines Besseren belehrt.

Nach einigen Jahren mit Cormans Truppe machte sich Rothman dann mit Ehemann und eigener Produktionsfirma selbstständig. In "Group Marriage" (1972), einer Komödie, die stark ironisch die Verwirklichung ihrer im Titel genannten Phantasie beschreibt, ist Gewalt nur am Rande, als die der hereinbrechenden moral majority, zu sehen, dafür einiges an parodistischen Verweisen auf den kalifornischen way of life. Auch "Terminal Island", Rothmans letzter Film, zeigt reichlich Gewalt - doch nur, um sie vorzuführen. Auf einer Gefängnisinsel müssen ein paar Dutzend Kapitalverbrecher den Rest ihres Lebens im Naturzustand verbringen. Die Verhältnisse haben sich autoritär geregelt, Frauen sind rar, umso krasser werden sie ausgebeutet: Tagsüber vor den Pflug gespannt, müssen sie nachts die Kerle sexuell bedienen. Auch der toughe Neuzugang Carmen wird schnell gebrochen. Ihr anfänglicher Aufstandsgeist aber reicht aus, um die Frauen und ein paar wohlgesonnene Männer zur Rebellion anzuzetteln. Selten wurde eine Vergewaltigung so genüsslich gerächt. Nach vielen Toten wird "Terminal Island" ein Landkommunenidyll, das selbst die Unterlegenen großherzig einbezieht. Die Komik, die hier durchscheint, ist gewollt.

Sechs Filme hat Stephanie Rothman in der Zeit von 1966 bis 1973 realisiert. Dann war Schluss. Der Low-Budget-Exploitation-Film, ein Marktsektor, der nur durch die Ausbeutung aller Beteiligten wie auch der Filmgeschichte funktionierte, war für viele männliche Regisseure Lehrzeit und Startrampe für Hollywood. Nicht für Stephanie Rothman, die heute als "freie" Drehbuchautorin arbeitet. Ausgerechnet ihr wurden die "Sexfilme" der Vergangenheit vorgehalten, wenn sie sich um Mainstream-Projekte bemühte. Paradox, aber irgendwie konsequent: Für uns Jungs gehört ein bisschen Schweinkram halt zum Großwerden, für eine Dame ist es ein Makel.Arsenal-Kino. Heute, 21.30 Uhr, "Terminal Island"; Sonnabend, 21.30 Uhr "The Student Nurses"; Sonntag, 19 Uhr "Group Marriage"

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