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Vorzeigeobjekt Baustelle. Volker Hassemer machte das unfertige Berlin zur Schaustelle: 1997 mit Eberhard Diepgen und Rita Süssmuth zum Auftakt von 1300 Touren durch Ministerien und Bundesbauten oder 1995 mit dem libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri am Großprojekt Potsdamer Platz.

© dpa

Volker Hassemer wird 70: Die Rollen seines Lebens

Er ist ein Reformer, ein Mann mit Widerspruchsgeist, ein Förderer mit bürgerschaftlichem Engagement: Der frühere Kultur- und Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer wird 70 Jahre alt.

Er zählt zu den bestimmenden Figuren dieser Stadt. Nicht in dem Sinne, dass er rigoros anweist oder angewiesen hat, wo es langgehen muss. Nein, so nicht. Aber keiner prägte wie Volker Hassemer über 40 Jahre hinweg die Richtung erst der West-, dann später der Gesamtberliner Entwicklung im Bereich der Kulturpolitik und der städtischen Planung und Entwicklung.

Er begann in der Stadt als junger Jurist im Rechtsamt des traditionell sozialdemokratischen Bezirks Wedding, 1973 war das, und da war er schon fünf Jahre Mitglied der CDU, gehörte zu ihren jungen Reformern, der die Partei in Wilmersdorf vertrat. Dann im Berliner Umweltbundesamt als Direktor und Professor von 1974 bis 1981, als erster Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz in der Ära Richard von Weizsäcker. Eine Ära, in die sich der Mann mit dem modernen und weltoffenen Großstadtbild wie gemacht einfügte, obwohl sein Widerspruchsgeist ihm in konservativen Zirkeln der Frontstadt-CDU immer wieder Gegner – bis zur offenen Feindschaft – brachte. Darauf dann die Phase als Senator für kulturelle Angelegenheiten, ab 1987 als Organisator der Feier zum 750-Jahr-Jubiläum der Stadt und ab 1990 schließlich in der entscheidenden Umwälzungsphase des vereinten Berlin als erneut für die Stadtplanung und die Umwelt verantwortliches Regierungsmitglied. Das waren jene Jahre, von denen der Tagesspiegel weit später schrieb, damals habe er die Rolle seines Lebens gefunden.

Blickt man auf dieses Leben nicht enden wollender, immer neuer Aktivitäten und Anstöße zurück, dessen Beginn sich heute zum 70. Mal jährt, kommt man nicht umhin zu sagen: Ja, auch diese Rolle hatte er gefunden, aber eigentlich bilanzieren wir heute nicht die eine, sondern die vielen Rollen eines Lebens. Und immer war er irgendwie besonders, nie bequem, oft ziemlich nervig.

Auch in der langen Reihe der Berliner Kultursenatoren nimmt Volker Hassemer eine besondere Rolle ein. Mit knapp 40 war er jung in diesem Amt. Seine Herangehensweise hatte etwas Frisches, als er 1983 die Geschäfte übernahm. Die Kulturverwaltung saß damals im Europacenter, und West-Berlin befand sich im Aufbruch. Seit Ende der siebziger Jahre hatte sich eine Freie Szene entwickelt, klein und fein und international. Hassemer ließ sich dort nicht nur auf Premieren blicken, sondern richtete auch einen Fördertopf für Theater- und Tanztruppen ein. Die damals beliebte Frage „Hassemer ’ne Mark?“ stand für die Popularität des Politikers – und wurde in der Regel bejaht.

Ja, Volker Hassemer hatte eine Mark für neue Ideen und Off-Projekte in einer Zeit, in der die Welten von Freier Szene und den großen Institutionen noch relativ getrennt waren. Als Stadtentwicklungsdenker hatte Hassemer begriffen, wie wichtig eine Ufa-Fabrik für Tempelhof, ein Transformtheater und eine Tanzfabrik für Kreuzberg waren, für die gesamte geteilte Stadt. Die großen Häuser – die Staatlichen Schauspielbühnen im Schillertheater und das Theater der Freien Volksbühne – gerieten zu der Zeit allmählich schon in Schieflage, was zu ihrer Liquidierung nach der Vereinigung führen sollte.

Aber noch war West-Berlin: die letzten Jahre vor dem Mauerfall. Auf beiden Seiten, in Ost wie in West, war Kultur ein politischer Faktor, Ausweis von Weltläufigkeit und gesellschaftlicher Größe. Volker Hassemer hatte nach der sündhaft teuren, aufs Repräsentative ausgerichteten 750-Jahrfeier eine fabelhafte Idee. 1988 wurde West-Berlin „Kulturstadt Europas“ (Hauptstadt durfte es sich nicht nennen). Man rief den „Ort des Neuen“ aus, „E88“ war sein Name. Es ging bei „E88“ um junge, innovative Kunst, das Hebbel-Theater, heute HAU, wurde wiedereröffnet. Im Grunde entwickelte sich zu der Zeit mit Hassemers Hilfe und Neugier bereits, was Berlin heute auszeichnet und in aller Welt so anziehend macht: der offene Charakter, das Interdisziplinäre der Kunstszene.

Der Bausenator Hassemer hat das bauliche Geschehen in der vereinten Stadt ab 1990 bis 1995 entscheidend beeinflusst. Er verhinderte eine nostalgische Rückbesinnung und stoppte Tendenzen, das architektonische Vorkriegsberlin wieder bis in die Wohnviertel zu restaurieren. Er wehrte sich aber gegen die Ambition, zum Beispiel am Potsdamer Platz mit Hochhäusern zu brillieren. Unter seiner Regie wurden große städtebauliche Wettbewerbe entschieden, wie der um den Potsdamer Platz, den Spreebogen und die Friedrichstraße. Als klar wurde, dass die Bundesregierung und das Parlament nach Berlin kommen, forderte er die konsequente Nutzung vorhandener Bausubstanz für Ministerien und wehrte sich gegen die Tendenz der damaligen Bundesministerin Irmgard Adam-Schwaetzer, jedes überkommene Regierungsbauwerk als historisch kontaminiert und damit für die Demokratie unbenutzbar zu erklären – was den gesamten Umzug von Bonn nach Berlin nicht nur aberwitzig verteuert, sondern am Ende vielleicht auch deshalb unmöglich gemacht hätte. Ein Schelm, wer da nicht Böses dachte ...

Als Hassemer sein Amt im März 1996 an den Sozialdemokraten Peter Strieder übergab, begann jene Phase, in der er sich, nun von allen politischen Zwängen befreit, ganz seiner Leidenschaft fürs Organisieren und Anregen widmen konnte. Er übernahm die Geschäftsführung der auf private Initiative gegründeten „Partner für Berlin Gesellschaft für Hauptstadt Marketing“. Aus den viel zu engen und immer leicht chaotischen Räumen in der Breiten Straße in Mitte erwuchs jene Werbeorganisation „Berlin-Partner“, die bis heute so überaus erfolgreich für Berlin weltweit wirbt. Die spektakulären Aktionen der ersten Jahre sind noch in Erinnerung – etwa, dass Hassemer aus jeder, den Verkehr behindernden Baustelle spektakuläre „Schaustellen“ machte, die besichtigt werden konnten. Absoluter Höhepunkt war der 26. Oktober 1996, das Richtfest des Gesamtkomplexes Potsdamer Platz, als Daniel Barenboim zu den Klängen der „Ode an die Freude“ von einer Tribüne aus 19 sich drehende, gewaltige Kräne dirigierte.

Die „Lange Nacht der Museen“ ist genauso in der Gedankenwerkstatt Hassemer entstanden wie das Stadtforum mit seinen belebenden Diskussionen, die Reihe der Hauptstadtreden und die mit großer Unterstützung des Unternehmers und Kunstsammlers Dieter Rosenkranz entstandene „Stiftung Zukunft Berlin“, die sich zuletzt mit neuen Impulsen zur künftigen Rolle der Hauptstadt Berlin über den Tagesspiegel zu Wort meldete. Wie sehr bürgerschaftliches Engagement eine Stadt bereichern und aufwecken kann – Volker Hassemer lebt es vor.

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