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Sven Heinemann an der Holteistraße in Friedrichshain.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berliner Baumpaten: Die Schattenspender

439 000 Bäume stehen an Berlins Straßen – und vielen Bürgern ist das noch nicht genug. Damit die Stadt noch grüner wird, ruft der Senat zur Mithilfe auf. Paten erzählen von ihren Motiven und ihrem Exemplar.

Sven Heinemann, Tannenfreund
Ein Mann muss einen Baum pflanzen, ein Kind zeugen und ein Haus bauen – so heißt es im Volksmund. Sven Heinemann, 34 Jahre alt, geht es langsam an. „Zumindest den Baum habe ich jetzt gepflanzt“, sagt der Berliner SPD-Abgeordnete, der ursprünglich aus dem Schwarzwald kommt. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er am liebsten eine Tanne in den Boden gesetzt – aber das wäre wohl zu exotisch für Berlin. Stattdessen wurde es eine Kaiserlinde. „Da ich schlecht in Biologie bin, könnte ich noch nicht einmal sagen, ob die Bäume drumherum auch Linden sind“, gibt Heinemann zu. Trotzdem hat er Freude an seinem Baum und besucht ihn regelmäßig. Seine größte Sorge ist, dass der Baum im Sommer vertrocknen könnte. Deshalb hat er den Standort bewusst ausgewählt. Seine Wohnung liegt in Laufweite und nur ein paar Meter entfernt, im Park am Wühlischplatz, da steht auch ein kleines Nilpferd, aus dessen Mund Wasser sprudelt. „Als ich gesehen habe, dass ein Brunnen in der Nähe ist, war das ein weiteres Zeichen, den Baum dort zu pflanzen.“

Katrin Labs an der Schwedter Straße in Prenzlauer Berg.
Katrin Labs an der Schwedter Straße in Prenzlauer Berg.

© Thilo Rückeis

Katrin Labs, Hochzeitsjubilarin
Eine Linde sollte es sein. „Es gibt so viele schöne Lieder zu diesem Baum“, sagt Katrin Labs und meint damit nicht nur „Ein schöner Land“, sondern auch das Volkslied von Rainald Grebe. Und der Duft erst, wenn man im Sommer vorbeiläuft! „Man ist näher an den Jahreszeiten“, findet Labs. Und auch den Lauf der Jahre könne man ablesen an dem Baum, das eher noch ein Bäumchen ist mit seinem dünnen Stamm im dicken Gerüst.

Katrin Labs und ihr Mann Andreas schenkten sich den Baum zur Silberhochzeit. „In 25 Jahren kommen wir dann zur Goldenen hierher und freuen uns an dem Bäumchen.“ Das dürfte bis dahin zum Baum geworden sein und neben Duft auch Schatten spenden für die Mauerparkbesucher, die sonntags durch die Schwedter Straße laufen.

Berlin als grüne Stadt erhalten – das ist die Vision von Katrin und Andreas Labs. Das Paar lebte jahrelang in Moskau und war beim Anflug auf Berlin jedes Mal beeindruckt vom grünen Gesamtbild der Stadt. Also informierten sie sich, ob es etwas Ähnliches wie das New Yorker High Line Projekt mit seiner teilweise bürgerfinanzierten Stadtbegrünung auch in Berlin gibt.

So stießen sie auf das Stadtbaumprojekt, das für Katrin Labs mit der Pflanzung des eigenen Baums noch längst nicht vorbei ist. Sie will auch Freunde animieren, die Lücken in Berlins Straßen aufzufüllen. „Wenn man zum Geburtstag einlädt, könnte man sich zum Beispiel Spenden statt Blumen wünschen.“ Auch für Schulklassen hält sie die Aktion für sinnvoll. Schließlich sei ein Baum etwas, das bleibt. „Es ist auch ein Bedürfnis, das aus dieser verrückten Zeit heraus gewachsen ist.“

Ralph-Peter Schaaf und Gerhard Bajzek in Marienfelde.
Ralph-Peter Schaaf und Gerhard Bajzek in Marienfelde.

© Mike Wolff

Gerhard Bajzek, Ökologiebegeisterter
Er gibt sich erdverbunden. „Für einen Bestatter ist das Erdige ganz wichtig“, sagt Gerhard Bajzek. Und damit meint er nicht nur das Hinabsenken von Särgen oder Urnen. Für Bajzek und sein Traditionsunternehmen Grieneisen ist auch wichtig, was aus der Erde hinauswächst.

„Wir arbeiten viel mit Holz“, sagt der 46-jährige Regionaldirektor für Berlin-Brandenburg. Und statt nur zu nehmen, will man der Erde etwas zurückgeben. „Unser Logo ist schon grün, unsere Firmenzentrale auch, da soll es das gesamte Unternehmen auch werden“, so Bajzek. Also rief der Vorstand seine Mitarbeiter auf, geeignete Pflanzplätze aus einer interaktiven Karte auszuwählen. 100 Pflanzplätze unterstützte der Bestatter. Vor allem in der Nähe von Altenheimen und Kliniken sollen die Bäume Schatten und Trost spenden. Stütze sein will das Unternehmen und eine angenehme Umgebung bieten. Das zeigt auch die moderne Zentrale in Charlottenburg. Nun trägt man den Gedanken auf die Straßen.

„Es ist schon schön, wenn man das blühende Leben sieht“, meint Bajzek, der gerade die Traubenkirsche an der Kirchstraße in Marienfelde begutachtet hat und sich über neue Triebe freut. Einige Mitarbeiter haben auch Bäume in der Nähe ihres Wohnorts und können so das Wachstum beobachten. „Wir haben selbst geschippt und gegossen“, sagt Firmensprecher Ralph-Peter Schaaf, „das verbindet natürlich“. Und Bajzek fügt hinzu: „Es macht einfach Spaß, der Natur etwas zurückzugeben.“

Jörg Lehmann (links) und andere Baumspender in der Neuköllner Hobrechtstraße. Wegen technischer Probleme steht dieses Bild derzeit leider nur in schlechter Qualität im Netz.
Jörg Lehmann (links) und andere Baumspender in der Neuköllner Hobrechtstraße. Wegen technischer Probleme steht dieses Bild derzeit leider nur in schlechter Qualität im Netz.

© Kai-Uwe Heinrich

Jörg Lehmann, Baumstumpfersetzer
„Ist mir egal, ich pflanz jetzt ’nen Baum“ – das steht auf ihren Jutetaschen, und daran erkannt man die Gemeinschaft der Baumfreunde in der Hobrechtstraße in Neukölln. Dieser Ausspruch stammt von einer Ladenbesitzerin aus der Nachbarschaft von Jörg Lehmann. Als der Literaturwissenschaftler sie fragte, ob sie für einen Baum spenden würde, sagt sie spontan zu – und mit ihr 19 weitere Spender. So kamen 1000 Euro zusammen.

„Es hat ja eigentlich keiner Bock, Geld zu spenden“, sagt Lehmann, „deswegen war ich positiv überrascht, dass sogar die Gewerbetreibenden so positiv gestimmt waren.“ Jörg Lehmann ist ein kritischer und nüchterner Mensch. Er findet, dass eigentlich der Senat für die Bäume zuständig sein sollte. Aber schließlich wolle es doch jeder schön haben und außerdem störten ihn die Baumstümpfe in seiner Straße – so wurde er aktiv.

„Ich selber werde nicht mehr viel davon haben“, sagt er, „es ist auch eher für meine Kinder gedacht.“ Mehr Sauerstoff, mehr frische Luft. Und die Nachbarn freut’s auch: Eine Katzenbesitzerin sagte gar, ihr Kater würde die Bäume auch schon vermissen.

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