zum Hauptinhalt
Fotos von der Einweihung der Lübcke-Memorials

© Dominik Lenze

Aktion laut Merz „vollkommen geschmacklos“: Grüne und Linke weihen umstrittenes Walter-Lübcke-Denkmal vor CDU-Zentrale ein

Linke Aktivisten ehren mit einer Statue den ermordeten Walter Lübcke als „letzten Helden der CDU“. Zur Einweihung spricht auch die Bezirksbürgermeisterin. Bundeskanzler Friedrich Merz findet die Aktion „vollkommen geschmacklos“.

Stand:

Vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin haben linke Aktivisten des „Zentrums für politische Schönheit“ (ZPS) sowie grüne und linke Politiker eine umstrittene, lebensgroße Bronzestatue des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke eingeweiht. Rund 70 Personen versammelten sich dafür am Mittwochnachmittag. Aus Kreisen der CDU hatte es daran scharfe Kritik gegeben. So bezeichnete Bundeskanzler Friedrich Merz die Aktion bei seinem Antrittsbesuch im Roten Rathaus in Berlin als „vollkommen geschmacklos“.

„Diese Statue ist keine Spaßaktion, sie ist auch keine Provokation. Sie ist ein Mahnmal“, erklärte Vassili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, bei der Einweihung. „Es ist fünf vor 1933. Wäre es nicht so, wären Walter Lübcke und so viele andere noch am Leben“, sagte Franco weiter.

Die Bezirksbürgermeisterin von Mitte, Stefanie Remlinger (Grüne), wies in ihrer Rede auf die Kunstfreiheit hin. „Wir kuratieren keine Kunst, die auf private Initiative aufgestellt wird“, sagte Remlinger. Deutschland sei der Kulturförderung verpflichtet. Deshalb habe das Straßen- und Grünflächenamt dem ZPS eine Genehmigung für das Aufstellen des Denkmals erteilt.

Vassili Franco, innenpolitischer Sprecher der Berliner Grünen, bei der Einweihung des Denkmals.

© Dominik Lenze

Im Gespräch mit dem Tagesspiegel erklärte Remlinger, dass das ZPS dem Bezirksamt vorab geschildert habe, wie das Denkmal aussehen soll. „Und so wie es gestaltet ist, hat sich mein guter Eindruck bestätigt“, sagte sie. Dass es aus der CDU – auch von Bundestagsmitglied Michael Brand, einem Freund der Familie Lübcke – Kritik gebe, mache sie „traurig“. „Kunst liegt nun mal im Auge des Betrachters“, erklärte Reminger.

Stefan Pelzer vom ZPS forderte Politiker der CDU bei der Einweihung zur Anteilnahme auf. „Wenn ich in diesen Glaspalast reingucke, frage ich mich: Was kostet es euch, hier runterzukommen und kurz innezuhalten?“, sagte Pelzer. Das Konrad-Adenauer-Haus – die Bundesgeschäftsstelle der CDU – befindet sich in unmittelbarer Nähe des Denkmals in der Klingelhöferstraße.

Dominik Lenze / Melanie Probandt

„Warum ist es an dem Todestag von Walter Lübcke so ruhig im konservativen Lager?“, fragte Maximilian Schirmer (Linke). Er sehe nur eine Erklärung: „Weil das Andenken an Walter Lübcke stört. Es stört möglicherweise, wenn man über Regierungsbeteiligungen der AfD nachdenkt“, sagte Schirmer.

Philipp Ruch, Leiter des ZPS, sagte dem Tagesspiegel, man habe etwa 30 bis 40 CDU-Politiker zur Eröffnung eingeladen, „alle, die man so aus dem Fernsehen kennt“ – doch keiner sei gekommen. Familienangehörige von Lübcke habe man „vorab informiert“, sagte Ruch. Weitere Details wollte er auf Nachfrage nicht nennen.

Ruch hofft, dass das eigenmächtig aufgestellte Mahnmal für den ermordeten CDU-Politiker mittelfristig von dessen Parteikollegen anerkannt werde. „Die können ja jetzt nicht zwei Jahre lang einen Bogen um diese Statue machen“, so Ruch.

„Gestiftet von der Deutschen Zivilgesellschaft“ steht auf dem Walter-Lübcke-Denkmal. Das „Zentrum für politische Schönheit“ hatte einen Spendenaufruf zur Finanzierung gestartet.

© Dominik Lenze

Was in keiner der Reden thematisiert wurde: Zwischen den Blumengedecken und Friedhofskerzen findet sich auch ein Strauß, auf dessen Schleifen geschrieben steht: „Dein Friedrich Merz. In Liebe und Dankbarkeit.“ Handelt es sich um eine echte Hinterlassenschaft des Bundeskanzlers – oder ist das Teil der Inszenierung? „Also in einer besseren Welt wäre Merz sicher gestern Nacht rausgegangen und hätte einen Kranz abgelegt“, sagt ein ZPS-Mitglied und zuckt mit den Schultern.

Freund der Familie Lübcke fordert Entschuldigung

CDU-Politiker hatten die Aktion zuvor als „Missbrauch“ bezeichnet und scharf kritisiert. Michael Brand, Freund der Familie Lübcke und CDU-Bundestagsabgeordneter sowie Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung, sagte dem Tagesspiegel auf Nachfrage: „Wer Walter kannte, der weiß, dass er als aufrechter Konservativer für menschlichen Umgang mit Flüchtlingen und Migranten, aber zugleich eindeutig in der Frage von illegaler Migration war.“ Lübcke und Friedrich Merz seien von ihren Grundauffassungen sehr ähnlich, nämlich demokratisch, europäisch, konservativ und gegen Extremismus.

„Den ersten von Rechtsextremisten ermordeten Repräsentanten unseres Staates in einer solchen wirklich geschmacklosen Aktion missbrauchen zu wollen, macht nicht nur mich sehr wütend“, heißt es in der Stellungnahme von Brand. „Wir Demokraten bekämpfen die Extremisten von der AfD nicht durch den Missbrauch von ermordeten Demokraten.“

Ähnlich äußerte sich Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU). „Als ich gestern davon erfahren habe, konnte ich nicht glauben, dass ein Bezirk so eine Installation genehmigt“, sagte Wegner. Man könne über alles diskutieren. „Und nicht jede Diskussion muss uns gefallen.“ Aber das Schicksal eines von einem Rechtsradikalen ermordeten Politiker zu instrumentalisieren, sei an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten.

Die Familie Lübckes wollte sich auf Anfrage nicht zu der Aktion an der CDU-Parteizentrale äußern. Der Bezirk Mitte hatte am Dienstag mitgeteilt, dass für die Fläche vor dem Parteihaus ein Sondernutzungsrecht für zwei Jahre erteilt wurde. Faktoren wie Standsicherheit, polizeiliche Gefährdungsaspekte sowie verkehrstechnische Belange seien abgefragt worden, sagte ein Sprecher. Das Bezirksamt habe sich nach einer Prüfung dagegen entschieden, eine Aufstellung durch das ZPS zu verhindern.

Der CDU-Politiker Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni 2019 auf seiner Terrasse im nordhessischen Wolfhagen-Istha von dem Rechtsextremisten Stephan E. ermordet worden – aus dessen Ablehnung von Lübckes liberaler Haltung zur Flüchtlingspolitik. Der Täter verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe. Er soll die AfD etwa im Wahlkampf unterstützt haben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })