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Sie hatten sich einiges zu erzählen, die Regierenden Bürgermeister von einst und jetzt: Walter Momper, Michael Müller, Klaus Wowereit und Eberhard Diepgen (v.l.). Offizielles Thema des Abends: 25 Jahre Deutsche Einheit. Das Schwierigste war laut Moderatorin Dagmar Reim, einen Termin zu finden, an dem alle konnten.

© DAVIDS/Sven Darmer

Vier (Ex-)Regierende Bürgermeister im Gespräch: Dinge einfach mal durchsetzen

Warum sind die Berliner immer so widerspenstig? Drei Regierende von einst machten am Dienstagabend dem Regierenden von jetzt Mut: In der Not wird das Durchregieren leichter.

Von Fatina Keilani

Einigkeit mag schön sein, doch sie ist Gift für jede Diskussion. „Die vier Herren hier schätzen einander dem Grunde nach“, sagte RBB-Intendantin Dagmar Reim am Dienstagabend im Festsaal des Roten Rathauses mit leicht besorgtem Blick auf den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) und seine drei Amtsvorgänger Klaus Wowereit (SPD), Eberhard Diepgen (CDU) und Walter Momper (SPD), und sie war als Moderatorin entschlossen zu verhindern, dass die vier sich nach drei Minuten in den Armen liegen.

Das gelang nur zum Teil. Denn von einem Diepgen, der laut Wowereit „sozialdemokratischer ist als die SPD“ und mittlerweile den Elder Statesman gibt, ist kein Krawall zu erwarten, und auch die anderen waren nur selten uneins.

„Berlin wird enger, voller und teurer werden“, prognostizierte Müller, „Wir haben einen Flächenverbrauch von 40 Quadratmetern pro Kopf, das kann nicht so bleiben.“ Die Frage nach der Bebauung von Tempelhof werde sich wieder stellen, zwingend. „Vielleicht wollten wir zuviel“, sinnierte Müller noch. Das Nein beim Volksentscheid habe ihn getroffen; er habe es auch persönlich genommen.

Diepgen zitiert Merkel: "Wir schaffen das"

„Im Gegenteil, die Pläne waren zu moderat“, konterte Wowereit. Es sei „ein Irrsinn, das Potenzial aufgrund von Einzelinteressen nicht zu nutzen.“ Dann wieder Einigkeit: Das Wachstum der Stadt mache den Wohnungsbau zum absoluten Hauptthema. „In London und Paris kann sich kein Normalverdiener seine Stadt leisten, wie wird das in Berlin sein?“ fragte Reim, und Diepgen sagte ganz merkelesk: „Wir schaffen das.“ Man müsse Flächen nutzen, Wohnungsbauprogramme auflegen und sich dagegen wehren, dass Leute Bauten in ihrer Nachbarschaft bekämpfen.

Auch Müller hatte schon den ewigen Widerstand der Bürger gegen jedes Bauvorhaben kritisiert. Wowereit sieht auch Chancen: „Die Not wird es leichter machen, Dinge durchzusetzen. Es kann keiner mehr leugnen, dass wir mehr Platz brauchen.“ Das sei jetzt bei den Flüchtlingsunterkünften zu sehen – die Frage, ob Zehlendorf auch eine brauche, stelle keiner mehr, denn es kämen überall welche hin. „Erkämpfen und durchsetzen“ will auch Momper die Verdichtung der Stadt. Seltsamerweise sind die, die das Durchsetzen fordern, alle nicht mehr an der Macht.

Vier Bürgermeister für 25 Jahre

Das Ganze war der Auftakt zu einer neuen Veranstaltungsreihe mit dem Titel Berliner Rathaus-Dialog; die Teilnahme war geladenen Gästen vorbehalten, und diese Gäste waren homogen: bürgerlichen Ursprungs, vorgerückten Alters und ohne erkennbaren Migrationshintergrund, außer vielleicht aus Schwaben oder Bayern, notfalls auch aus Hamburg oder dem Rheinland. Das Thema lautete „25 Jahre Einheit“. Kurze Video-Einspieler fassten die Amtszeit eines jeden zusammen, außer bei Müller natürlich.

Was bleibt? Von Momper die Worte: „Berlin, nun freue dich!“ und die vielen Bilder von ihm mit rotem Schal und Megafon bei der Öffnung von Grenzübergängen und dann beim Durchschreiten des Brandenburger Tores im Dezember 1989. Von Diepgen die Tragik, dass er immer für die Einheit war und dann nicht im Amt, als sie kam. Die gescheiterte Olympiabewerbung, der Bankenskandal.

Müller ist mit seiner Rolle gewachsen

Wowereit schließlich: Der Partybürgermeister, der auch arbeiten konnte. Der Sparkurs, der Glamourfaktor, das Berlin der vielen bezahlbaren Freiräume. „Ich bin schwul, und das ist auch gut so“.

Und jetzt Müller. Der ist noch kein Jahr im Amt, eine Bilanz verbietet sich, er schaute nach vorn. Müller, so empfanden es viele, ist mit der Rolle gewachsen. Er sprach frei und klar und benannte die Probleme. Was noch? Die Regierten haben sich gewandelt. Der starke Zuzug hat die Stadt verändert und ihr gutgetan. Die meckerigen Berliner gibt es trotzdem immer noch. „So haben sie den Kaiser und die Nazi-Zeit überstanden“, versuchte Momper die kleinen Leute in Schutz zu nehmen. Berlin sei „ein Sehnsuchtsort, an dem man sich für zehn Euro besaufen kann“, zitierte Reim einen Philosophen und sagte dann: „Herr Wowereit…“. Es gab Gelächter, doch Wowereit wusste es zu wenden. „Ich vertrage mehr!“, konterte er. Damit hatte er die Lacher mal wieder auf seiner Seite.

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