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Moderatorin Sabrina N’Diaye (l.) und Diversity-Expertin Jo Labecka bei einer Diskussion auf der Diversity-Konferenz 2022.

© Tagesspiegel/Steffen Junghanß

Diversity-Konferenz 2022 in Berlin: Wer Vielfalt lebt, kommt besser durch die Krise

Für Unternehmen zahlt es sich aus, Gleichbehandlung in der Belegschaft zu fördern. In Berlin diskutieren Expert:innen und Führungskräfte aus der Wirtschaft über Diversität.

In Zeiten der Krise sei Vielfalt für Unternehmen besonders wichtig, sagte Ana-Cristina Grohnert, Vorstandsvorsitzende der Arbeitgebendenintitiative „Charta der Vielfalt“, am Donnerstag zum Auftakt der „Diversity-Konferenz 2022“ in Berlin. Die Problemlagen und Herausforderungen seien heute komplexer denn je. Unternehmen, die Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen beschäftigen, hätten einen Vorteil, wenn es ihnen gelänge, auf deren Erfahrungen und Wissensbestände zurückzugreifen.

Die zweitägige Konferenz ist eine gemeinsame Veranstaltung von Tagesspiegel und "Charta der Vielfalt". Die größte deutschsprachige Konferenz für Diversität in der Arbeitswelt wird von Unternehmen gesponsert wie zum Beispiel Bayer, Henkel, Deutsche Bahn, McDonald's, Audi oder Hay. In diesem Jahr fanden alle Veranstaltungen online statt.

Das Thema sei für Entscheider:innen von großer Bedeutung, betonte Grohnert. Studien zeigten, dass Konsument:innen großen Wert darauf legen, dass Unternehmen nachhaltig wirtschaften – und dazu gehöre auch die Gleichbehandlung der Beschäftigten. Von Führungskräften werde darüber hinaus heute erwartet, dass sie sich auch öffentlich für eine offene Gesellschaft aussprechen.

Stephan-Andreas Casdorff, Herausgeber des Tagesspiegels, wies auf eine politische Dimension hin: Die „Feinde der Demokratie“ bezeichneten die Idee der Diversität als „dekadent“, sagte er. Dem müsse man entgegenhalten: „Diversität ist Freiheit“.

Diskriminierung sei Alltagsphänomen, sagt Ataman

Ferda Ataman, die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, sagte im Gespräch mit Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt: In der Debatte um Diversität gebe es einen „Elefanten im Raum“ - also einen Fakt, der trotz großer Sichtbarkeit ignoriert werde - die Diskriminierung. Wer Vielfalt fördern wolle, müsse auch die „andere Seite der Medaille“ adressieren.

Ungleichbehandlung und struktureller Rassismus fielen beispielsweise in einem Unternehmen oftmals erst richtig auf, wenn mehr Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen eingestellt werden. Denn dann gebe es mehr Beschwerden als zuvor. Und mitunter stelle sich heraus, dass es zu wenig kompetente Ansprechpartner:innen gebe.

Ferda Ataman (l.), die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, im Gespräch mit Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt.
Ferda Ataman (l.), die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, im Gespräch mit Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt.

© Tagesspiegel/Steffen Junghanß

In Deutschland werde Diskriminierung zu oft als „Schmuddelthema“ gesehen, über das man lieber schweige. „Konflikte sind immer da unter Menschen“, sagte Ataman. Das Thema sollte ihrer Ansicht nach weniger mit einem Täter-Opfer-Schema betrachtet werden, sondern mehr als Alltagsphänomen und Herausforderung.

Eine Diskussionsrunde befasste sich mit der Frage, wie Diversität in kleinen und mittleren Unternehmen gefördert werden könnte. Die Suche nach Personal sei heute eine zentrale Herausforderung im Mittelstand, sagte Florian Staßfurth, Abteilungsleiter beim Personaldienstleister Hays. Chefs müssten umdenken – und zum Beispiel ihre Anforderungsprofile hinterfragen.

Chefs müssen ihre Erwartungen hinterfragen

Oftmals würden in Stellenausschreibungen unnötige Eigenschaften vorgegeben. Zum Beispiel könnten viele Aufgaben auch von Menschen ausgeführt werden, die älter sind als 50 Jahre oder Deutsch nicht auf Muttersprache-Niveau sprechen.

Sandra Zimmermann, Forschungsfeldleiterin Internationale Sozialpolitik beim Wirtschaftsforschungsinstituts WifOR, sagte, Manager ließen sich am besten mit Zahlen überzeugen. Studien zeigten, dass Unternehmen, in denen Diversität gelebt wird, nicht nur leichter neue Arbeitskräfte finden, sondern auch weniger Kündigungen zu verzeichnen haben.

„Junge Ostdeutsche wollen mitmachen und mitgestalten, stoßen aber beim Aufstieg an gläserne Decken.

Carsten Schneider, Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland

Wichtig sei jedoch, dass die Veränderung nachhaltig und tiefgreifend sei, nicht nur oberflächliches Marketing. Bei der Umsetzung hätten kleine und mittlere Unternehmen sogar einen Vorteil gegenüber Konzernen, weil es in einer familiären Umgebung mit kurzen Wegen einfacher sei, Feedback der Belegschaft zu Maßnahmen einzuholen und Anpassungen vorzunehmen.

Die Konferenz fand in diesem Jahr online statt. Die Veranstaltungen wurden im Studio des Tagesspiegels aufgenommen.
Die Konferenz fand in diesem Jahr online statt. Die Veranstaltungen wurden im Studio des Tagesspiegels aufgenommen.

© Tagesspiegel/Steffen Junghanß

In einer anderen Runde ging es um eine Gruppe, die zumeist nicht aus dem Blickwinkel der Diversität gesehen wird: Menschen aus Ostdeutschland. „Junge Ostdeutsche wollen mitmachen und mitgestalten, stoßen aber beim Aufstieg an gläserne Decken“, sagte Carsten Schneider, Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland.

Nur 3,5 Prozent der Führungspositionen seien mit Menschen aus den östlichen Bundesländern besetzt, obwohl sie 17 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten. Sogar in ostdeutschen Unternehmen kämen die Chefs meist aus dem Westen, nur 20 Prozent aus dem Osten. „Das kann so nicht bleiben“, meint Schneider.

Neben den Panels gab es am Donnerstag auch Workshops zur praktischen Umsetzung der besprochenen Konzepte. Am Freitag geht es weiter, unter anderem mit einer Diskussion zum Thema „Gegen Ausgrenzung, für Inklusion: Werte verteidigen in Zeiten von Krieg, Krisen, Flucht und Populismus“ mit dem Sozialwissenschaftler Karim Fereidooni und Sven Lehmann, dem Queer-Beauftragten der Bundesregierung. Eine Expert:innen-Runde befasst sich mit der Frage: „Wie Organisationen Desinformation, Hassrede und Verschwörungsmythen erfolgreich entgegentreten können“.

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