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Bürgeramt im Bezirk Spandau im Staaken-Center

© dpa/Jörg Carstensen

Update

Entscheidung des Bundesverfassungs­gerichts: Beamtenbesoldung in Berlin über Jahre zu gering

Die Beamtenbesoldung in Berlin war laut dem Bundesverfassungsgericht rund zwölf Jahre lang teils verfassungswidrig. Das Land muss nun eine Neuregelung schaffen.

Stand:

Die Besoldung der Beamten in Berlin ist nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über viele Jahre hinweg verfassungswidrig gewesen. Für den Zeitraum 2008 bis 2020 seien rund 95 Prozent der geprüften Besoldungsgruppen der Berliner Landesbeamten mit dem Grundgesetz unvereinbar gewesen, entschieden die Karlsruher Richter in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. Das Land Berlin muss nun bis zum 31. März 2027 eine Neuregelung schaffen.

Klar ist: Berlin wird zahlreichen Beamtinnen und Beamten Geld nachzahlen müssen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass „eine rückwirkende Behebung nur hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren“ sowie für die Beamten, „über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist“ notwendig ist. Allerdings dürfte selbst das zehntausende Beamte betreffen.

Laut Bundesverfassungsgericht sind 100.000 anhängige Widerspruchsverfahren mit der Entscheidung verbunden. Dazu kommen zwischen 2000 und 3000 Klageverfahren beim Verwaltungsgericht. Wie viele Beamte dahinter stehen, ist offen. Diese mussten in der Regel jedes Jahr aufs Neue Widerspruch gegen ihre Besoldung einlegen, wenn sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit hatten.

In der aktuellen Finanzplanung für die kommenden Jahre rechnete Finanzsenator Stefan Evers (CDU) im äußersten Fall mit bis zu 1,4 Milliarden Euro. Im kommenden Doppelhaushalt für die Jahre 2026/27 ist bisher eine Risikovorsorge von 280 Millionen Euro geplant. „Inwieweit sich diese Vorsorge als ausreichend erweist, ist im Rahmen der Prüfung des Urteils zu ermitteln“, teilte die Senatsfinanzverwaltung mit.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) rechnet in jedem Fall mit Nachzahlungen „in Millionenhöhe“ an Berlins Beamte. Tausende Beschäftigte hätten mit Unterstützung des DGB Widerspruch gegen ihre Besoldung eingelegt. „Der DGB und die Gewerkschaften haben jahrelang auf dieses Zahlungsrisiko hingewiesen und gefordert, dass das Land ausreichend Vorsorge treffen muss“, teilte Katja Karger, Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, mit.

Die Beamten erwarten nun, dass schnell etwas passiert. Der Senat darf sich nicht bis 2027 Zeit lassen.

Thomas Goiny, Vizechef Beamtenbund und Tarifunion Berlin (dbb)

„Spätestens nach der Rückfrage des Bundesverfassungsgerichtes an die Landesregierung war klar, dass für das Land Berlin akuter Handlungsbedarf besteht. Leider haben viele Landesregierungen der letzten zwanzig Jahre die Konsequenzen weitgehend negiert und die Verantwortung auf die jeweils nachfolgende Regierung geschoben“, sagte DGB-Chefin Karger.

Das Bundesverfassungsgericht prüfte zahlreiche Gruppen der Besoldungsordnung A. Nach dieser werden ein Großteil der Beamten, vom einfachen bis zum gehobenen Dienst, etwa Polizisten, Feuerwehrleute oder Verwaltungsmitarbeiter, vergütet. Zwei Erwägungen waren für das Gericht entscheidend. Zum einen unterschritt über die Hälfte der geprüften Besoldungsgruppen die sogenannte Prekaritätsschwelle, zum anderen erklärte das Gericht die Besoldungsentwicklung, die sich unter anderem an der Inflation und der Lohnentwicklung, orientieren muss, in zahlreichen Fällen für verfassungswidrig niedrig.

Angesichts der bis weit in den gehobenen Dienst reichenden Unterschreitung der Mindestbesoldung ist das Besoldungsgefüge nachhaltig erschüttert.

Mitteilung des Bundesverfassungsgerichts nach der Entscheidung

Daraus ergibt sich für das Land Berlin noch ein drittes Problem. Für Beamten in den verschiedenen Besoldungsgruppen gilt ein sogenanntes Abstandsgebot: Wer höher eingestuft ist, muss entsprechend mehr verdienen. Da das Gericht nun die Mindestbesoldung in vielen Fällen für zu niedrig erklärte, hat das Auswirkungen auf zahlreiche andere Gruppen.

„Angesichts der bis weit in den gehobenen Dienst reichenden Unterschreitung der Mindestbesoldung ist das Besoldungsgefüge nachhaltig erschüttert“, teilte das Bundesverfassungsgericht mit. „Damit ist für sämtliche oberhalb der von der Unterschreitung der Prekaritätsschwelle unmittelbar betroffenen Besoldungsgruppen liegenden oberen fünf bis sieben Besoldungsgruppen als Folgewirkung eine mittelbare Verletzung des Abstandsgebots anzunehmen.“

Der Berliner Beamtenbund sieht sich in seiner Rechtsauffassung bestätigt. „Konkreter als das Bundesverfassungsgericht hätte man es nicht formulieren können“, sagte Thomas Goiny, stellvertretender Vorsitzender des „Beamtenbund und Tarifunion Berlin“ (dbb). „Die Beamten erwarten nun, dass schnell etwas passiert. Der Senat darf sich nicht bis 2027 Zeit lassen“, forderte Goiny.

Ähnlich äußerte sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Wirklich niemand hatte ernsthafte Zweifel an diesem Ergebnis, und wir sind froh, dass das Bundesverfassungsgericht jetzt endlich schwarz auf weiß bestätigt, was selbst in Berlins Politik niemand mehr leugnen konnte“, teilte der Berliner GdP-Landeschef Stephan Weh mit. „Der aktuelle Senat um Finanzsenator Stefan Evers hat bereits versucht, etwas anzupassen und das Thema mit uns als konstruktiver Gesprächspartner anzugehen. Jetzt sollte man nicht Fehler alter Regierungen wiederholen und sich hinter juristischen Auslegungen und nicht nachvollziehbaren Rechenbeispielen verstecken.“

In vielen Bundesländern gibt es seit Jahren Streit um die Bezahlung von Beamtinnen und Beamten. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen seit 2015 einen Rahmen definiert, ab wann eine Besoldung nicht mehr amtsangemessen ist. Unter anderem werden die Bezüge dabei mit der Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst, dem Verbraucherpreisindex und dem Nominallohnindex des jeweiligen Bundeslandes verglichen. (mit AFP/dpa)

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