„Eine tickende Zeitbombe“: 25-Jähriger gesteht Messerangriff und Geiselnahme vor Berliner Gericht
Nach einem Messerangriff in Berlin und einer Geiselnahme in Niedersachsen steht ein 25-Jähriger vor dem Landgericht. Er spricht von einer Tat im Wahn.
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Es lief im Leben von Vincent M. nicht so, wie er wollte. Die Beziehung gescheitert, beruflich nicht in einer erhofften Leitungsposition. Er fuhr nach Berlin. Um eine „beliebige ihm unbekannte Person“ zu töten, um so gegenüber seiner Ex-Freundin ein „Exempel zu statuieren“, heißt es in der Anklage. Und um zu prüfen, was er dabei empfinde, einen Menschen zu töten.
Sechs Monate nach einem beinahe tödlichen Messerangriff in Berlin-Friedrichshain und einer Geiselnahme im Rathaus seiner Heimatgemeinde Sehnde (Niedersachsen) steht der 25-Jährige seit Mittwoch vor dem Berliner Landgericht. Die Anklage lautet auf versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung, Geiselnahme, Bedrohung.
Vincent M. erklärte nun über seinen Verteidiger: „Es hört sich verrückt an.“ Er habe den Opfern schreckliche Gewalt angetan. Bei den Taten habe er sich allerdings in einem „verwirrten Zustand“ befunden.
In einem Gespräch mit einem Psychiater hatte M. gesagt: „Ich wusste zu diesem Zeitpunkt, dass ich eine tickende Zeitbombe war.“ Eine seiner Fantasien sei gewesen, „als eine Art Serienmörder von Stadt zu Stadt ziehen – in dem Größenwahn, die Polizei könne ihn nicht fassen“, so der Gutachter im Prozess. Und als Revanche dafür, „dass die Welt ihm nicht das geben will, was ihm aus seiner Sicht zusteht“.
Ein gutaussehender Mann, der gern Golf spielt – „Gerhard Schröder ist in meinem Club“, prahlte er im Verhör. Nach einer Ausbildung zum Elektroniker absolvierte er eine Weiterbildung. Doch die Bewerbungen blieben erfolglos. Über Monate hinweg konsumierte er nach seinen Angaben intensiv Kokain.
Die Geschichte, die wahnsinnig klingt, begann am 26. Februar. M. und seine Ex-Freundin saßen im Auto. Aus Eifersucht soll M. gedroht haben, er werde „neben anderen beliebigen Personen auch ihre 16-jährige Schwester töten, wenn sie nicht zugebe, ihn mit einem anderen Mann betrogen zu haben“, heißt es in der Anklage.
Zwei Tage später fuhr er nach Berlin. M. schilderte nach seiner Festnahme: „Erst lief ich stundenlang durch die Stadt, machte Sightseeing.“ Warum Berlin? „Ich wollte einfach weg, fühlte mich verfolgt, hatte Angst vor Überwachung.“
Am 28. Februar hielt er sich gegen 2.20 Uhr in der Simplonstraße am Bahnhof Ostkreuz auf. Plötzlich soll er einen Fußgänger verfolgt und ihm von hinten ein Messer in den Nacken gerammt haben. Die Klinge brach ab und blieb stecken. M. habe dann auf den 52-jährigen Mann, den er nie zuvor gesehen habe, eingetreten.
Während sich Rettungskräfte um das Opfer kümmerten, ging M. spazieren. Im Prozess erklärte er, trotz Ankündigung sei der Angriff nicht geplant gewesen. „Der Mann muss mit lauter Stimme etwas gesagt haben.“ Eine Pöbelei, die er auf sich bezogen habe – „ich platzte vor Wut“.
Dann fuhr er zurück nach Sehnde, nahm ein Mord-Geständnis auf, veröffentlichte es im Netz. Im Bekennervideo sagte er: „Ich habe nichts dabei empfunden, keine Reue.“
Weil das Video aber aus seiner Sicht zu wenig beachtet worden sei, habe er im Rathaus von Sehnde bewaffnet mit einem Messer eine Frau als Geisel genommen. Die 57-jährige Angestellte habe Todesangst verspürt. Die Polizei erschien schnell. Nun geht es auch um die Frage, ob M. möglicherweise an einer Psychose litt. Der Prozess geht am Freitag weiter.
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