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Ein Mann aus Schweden wurde nach Berlin verschleppt. Jetzt sagt er vor Gericht aus.

© imago/Schöning/IMAGO/Schoening

Entführter Schwede sagt in Berlin aus: „Ich wollte nicht auf einem einsamen Feld sterben“

Hintergrund der Entführung soll ein Bandenkrieg sein – das Opfer wurde in Berlin misshandelt.

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Nein, er unternahm keinen Fluchtversuch. Frederik M. war nicht in der Lage dazu. Entführer hatten ihn in Schweden überwältigt, misshandelt, nach Berlin verschleppt. Täter, die skrupellos vorgingen. „Ich wollte nicht auf einem einsamen Feld sterben“, sagte der 54-jährige Schwede am Mittwoch vor dem Berliner Landgericht.

Aus dem schwedischen Örebro – rund 200 Kilometer von Stockholm entfernt – kidnappte eine mutmaßliche Bande um Hassan S., bekannt als „Balu“, am 13. Januar dieses Jahres den Montageleiter und brachten ihn nach Berlin. Die Spuren sollen tief in den schwedischen Bandenkrieg, ins Milieu Organisierter Kriminalität geführt haben.

Im Prozess sitzt nur Maksim R. auf der Anklagebank. Er stamme aus Belarus, erklärte er. Nur durch Zufall will er in den internationalen Krimi geraten und als eine Art Bewacher aktiv geworden sein. Den Haupttätern – mehrere arabischstämmige Männer sollen sich darunter befinden – wird voraussichtlich Anfang nächsten Jahres in Schweden der Prozess gemacht. Sie wurden in Berlin festgenommen und ausgeliefert.

Polizeischutz im Gericht

R. wird nun erpresserischer Menschenraub, Raub, Erpressung und Körperverletzung zur Last gelegt. Frederik M. nahm die Reise zur Zeugenaussage auf sich, es fiel ihm schwer. „Aber ich habe mit der Polizei gesprochen und mich entschlossen.“ Gut habe sich angefühlt, dass ihn Berliner Polizeibeamte vom Flughafen abholten. Sie saßen auch seiner Aussage mit im Gerichtssaal.

Der Montageleiter war in seinem Heimatort zum Opfer einer mutmaßlichen Bande geworden. „Ich ging in der Nähe meiner Wohnung spazieren“, schilderte er nun. Ein ihm fremder Mann habe ihn angesprochen und nach Feuer gefragt. „Wir kamen ins Gespräch.“ Sie seien dann gemeinsam in ein Restaurant, um die Fernsehübertragung eines Eishockey-Spiel zu sehen und etwas zu essen. Nach dem Spiel seien sie noch ein Stück gemeinsam gegangen.

Schläge mit der Faust

Bis er in seine Wohnung ging. Kurz darauf habe es an der Tür geklopft – „ich bekam sofort Schläge mit der Faust, auch Tritte.“ Immer wieder seien Gesicht und Kopf getroffen worden. Der Täter habe ihn dann mit Klebeband gefesselt, auch den Mund verklebt. „Mein Nasenbein war bereits gebrochen.“ Ob weitere Täter in die Wohnung kamen, habe er nicht wahrnehmen können.

Der Angreifer habe „alles mitgenommen, was wertvoll ist“. Zur Beute gehörten Ringe, eine Goldkette, eine teure Armbanduhr. Die Geisel musste dann in ein Auto steigen. „Wir fuhren in einem Ort umher, er hatte mich gezwungen, Tabletten zu nehmen, ich schlief ein.“ Schließlich seien sie am 15. Januar in Berlin angekommen.

Sie haben Gewalt gegen meine Familie angedroht.

Frederik M., Entführungsopfer aus Schweden, in seiner Aussage vor Gericht.

Weitere Komplizen kamen hinzu, darunter „Balu“ und dessen jüngerer Bruder. Sie drohten. „Wenn ich zur Polizei gehe, wird etwas passieren, sie seien eine große Organisation“, so der Schwede. „Sie haben Gewalt gegen meine Familie angedroht.“ Vier Männer sollen ihn laut Anklage aus seiner Wohnung gezerrt haben, „um ihn gefangenzuhalten und unter Zwang zu Geld- und Sachleistungen zu kommen“. Als die Gruppe mit M. in Berlin ankam, habe sich der Angeklagte Maxim R. bereits in der Stadt aufgehalten.

Der Montageleiter wurde in diversen Unterkünften in Berlin gefangen, darunter eine Gartenlaube. Ihm wurde mit Folter gedroht. Die Täter hatten es auf Geld durch Überweisungen und Einkäufe teurer Waren abgesehen, auch den Kauf eines Autos. Der Angeklagte sei in er Laube „einfach nur anwesend gewesen“, so der Schwede. „Balu“ habe gedroht und versucht, ihm den Finger umzudrehen.

Entführer erpressten Geld

Bis zu sieben Personen seien es gewesen, ihre Rechnung im Lokal sei mit seiner Kreditkarte bezahlt worden. Sie hätten Drogen konsumiert und sich amüsiert. Bis ihn die Polizei am 18. Januar befreit habe.

Nichts ist seitdem wie vorher. Die Wunden vor allem am Kopf sind verheilt, einige hinterließen Narben. Doch bis heute ist M. stark eingeschränkt. Nur zwei Stunden am Tag könne er arbeiten. Seine Wohnung habe er verkauft und sechs Monate bei seiner Schwester gewohnt. „Ich traue mich kaum aus dem Haus.“

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