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Peter Buchner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Berliner S-Bahn seit 2009.

© IMAGO/Funke Foto Services/MaurizioxGambarini

Er kam immer mit dem Zug zur Arbeit: Berliner S-Bahn-Chef Peter Buchner mit 58 Jahren an Krebs gestorben

Peter Buchner übernahm die Berliner S-Bahn, als sie am Boden lag. 16 Jahre arbeitete er unermüdlich, um sie besser zu machen. „So einen wie ihn gibt es kein zweites Mal“, heißt es in der Belegschaft.

Stand:

Zu Peter Buchners erstem öffentlichen Auftritt hatte die Polizei vorsorglich einen Mannschaftswagen vor die Tür gestellt. Es war das Jahr 2009, der S-Bahn-Betrieb in Berlin größtenteils eingestellt: Das frühere Management hatte die Züge nicht vorschriftsgemäß zur Inspektion geschickt, woraufhin das Eisenbahn-Bundesamt das Gros der Flotte stilllegen ließ. Fast im Wochenrhythmus wurden neue Schlampereien bekannt, während die Fahrgäste teils bei Eiseskälte eine Dreiviertelstunde auf den nächsten Zug warteten, der sie zum nächsten U-Bahnhof brachte. Aufgeheizt war nur die Stimmung, seitdem eine Kostendrückerkolonne die S-Bahn in ihre größte Krise seit dem Krieg manövriert hatte.

Peter Buchner war der Mann, der im Auftrag der nun vom Börsenglauben abgefallenen DB-Konzernführung das Tochterunternehmen retten sollte, das jeden Tag Hunderttausende Berliner leiden ließ. Und der vom Kundenverband Igeb organisierte Fahrgastsprechtag in einem Konferenzraum des Konzerns am Nordbahnhof war Buchners erster Auftritt vor großem Publikum. Ein Publikum, das bereit zum Krawall war, aber am Ende applaudierte.

Denn Buchner war völlig anders als alles, was die Stammkundschaft von der in den Tiefen des DB-Konzerns versenkten Vorgängerriege kannte. Plötzlich redete jemand auf Augenhöhe mit den Fahrgästen, benannte Probleme, ohne sie kleinzureden, und präsentierte Lösungen, ohne Illusionen zu wecken.

Dieses Wohlwollen gewann der damals 42-jährige Buchner, indem er einfach er selbst war. Während seines BWL-Studiums in München hatte der gebürtige Niederbayer als Schlafwagenschaffner und als Kellner im Bordbistro gejobbt. Er hatte in Bayern den Fahrgastverband Pro Bahn mitgegründet. Als Chef der Usedomer Bäderbahn ließ er Tickets mit Landschaftsmotiven entwerfen. Und der Regionalverkehr zwischen Ostsee und Lausitz sei unter Buchners Regie einer der besten in Deutschland geworden, ließ der notorisch bahnkritische Chef des Verkehrsverbundes VBB damals ausrichten.

Peter Buchner mit Alt-Bundespräsident Joachim Gauck als Helfer bei der Essensausgabe in der Stadtmission.

© IMAGO/Berlinfoto/imago

Buchner wollte, dass die Leute genauso gern Bahn fahren wie er selbst, der nie ein Auto besessen hatte. Und der auch jetzt, als Vorsitzender der Geschäftsführung, jeden Tag mit S-Bahn und Regio aus Potsdam ins Büro am Nordbahnhof und zu allen Terminen fuhr. Seinen Sohn brachte er entweder morgens in die Kita oder kam abends gerade rechtzeitig heim, um noch ein bisschen Zeit mit ihm zu verbringen, bevor er sich noch mal an Mails und Dokumente setzte. Er habe gewusst, worauf er sich einließ, sagte Buchner. Und er habe nicht gezögert, als das Angebot kam.

2010 kürte der „Tip“ Buchner zum zweitpeinlichsten Berliner hinter Thilo Sarrazin. Während der Titel für Sarrazin auch Sarrazin meinte, erhielt Buchner ihn stellvertretend für seinen Laden, der längst nicht wieder rund lief. Dass der Deutsche Bahnkunden-Verband Buchner in demselben Jahr mit einem Preis für hervorragenden Kundendialog auszeichnete, wurde weniger publik.

Peter Buchner mit dem SPD-Abgeordneten Sven Heinemann im Führerstand eines Zuges im Jahr 2021.

© Jörn Hasselmann

Buchners Beschreibung für seine Art zu kommunizieren lautete: „Die besten Indiskretionen gibt’s von mir.“ Statt Medien und Kundenlobby etwas vorzumachen, erklärte er, was er wusste. Wobei er praktisch alles wusste. „Er kannte jede Schraube in diesen Zügen und jedes Betriebsverfahren“, erinnert sich ein Kollege. Pressetermine mit Buchner dauerten oft länger, weil er bereitwillig jede noch so abseitige Frage beantwortete.

Posieren? Lieber kümmerte er sich um Infos für die Fahrgäste.

Hinterher waren die Journalisten wesentlich klüger als zuvor, aber hatten mitunter nur mittelmäßige Fotos. Buchner war zu uneitel, um für Kameras zu posieren. Eher lief er zwischendurch über den Bahnsteig, um persönlich einen Aushang zu platzieren, wenn etwa der Weg durch eine Baustelle schlecht beschildert war. Sehr bescheiden sei er gewesen, sagt einer, der viel mit ihm zu tun hatte, „persönlich und fachlich ein ganz feiner Mensch“.

Und ein sehr höflicher noch dazu. Keinem Reporter war es vergönnt, Buchner mal in Rage zu erleben angesichts des täglichen Potpourris aus Weichen- und Signalstörungen der DB InfraGo, mit dem sich die S-Bahn als zahlender Kunde herumschlagen muss. Buchner sagte nur, sein Befinden hänge unmittelbar mit der Zahl der einsatzbereiten Züge und der betrieblichen Situation zusammen, der allmorgendlich sein erster Blick galt.

Sein Stolz: Peter Buchner vor einem der ersten Neubauzüge.

© IMAGO/Funke Foto Services/JörgxKrauthöfer

Seit 1992 lebte Buchner in Potsdam, das er als „schönsten Teil von Berlin“ bezeichnete. Im Urlaub zog es ihn in den Süden: zum Skifahren im Winter, zu Bergtouren im Sommer – gern in der Schweiz mit ihrer berühmt zuverlässigen Bahn.

Wer fährt die wenigsten Kilometer mit dem Dienstwagen?

An deren Image kam die von Störungen geplagte Berliner S-Bahn nie heran. Umso bemerkenswerter war die Haltbarkeit der Vorschusslorbeeren von 2009. Wer immer aus der Branche die S-Bahn kritisierte, meinte deren Zustand, aber ausdrücklich nicht ihren Chef. Der erlebte sein Unternehmen jeden Tag aus Kundenperspektive – und bemühte sich um sinnvolle Kundeninformation genauso wie um bessere Sitzreinigung und Graffitischutz. Zugleich lief innerhalb der S-Bahn-Geschäftsführung ein inoffizieller Wettbewerb, wer die wenigsten Kilometer mit seinem Dienstwagen absolviert. Den dürfte Buchner gewonnen haben, ist zu hören.

Süßes für die Fahrgäste: Peter Buchner verteilt Schokolade am Bahnhof Treptower Park, 2022.

© Jörn Hasselmann

Nach der Entlassung des DB-Konzernchefs Richard Lutz im August 2025 fragte eine Boulevardzeitung: „Ist jetzt auch Berlins S-Bahnchef dran?“. Doch „erstaunt“ konstatierte das Blatt nach einem Rundruf bei Fachpolitikern und Fahrgastlobby: „Buchner genießt offenbar ein hohes Ansehen.“ Linken-Verkehrsexperte Kristian Ronneburg ließ ausrichten: „Er hat die S-Bahn aus dem Dreck geholt.“ Sein CDU-Pendant Johannes Kraft forderte, der DB-Konzern müsse seine Mängel schnellstens in den Griff bekommen, „damit der S-Bahn-Chef und seine Leute endlich ordentlich ihren Job machen können“.

Wir haben ein sehr großes Vertrauen in Peter Buchner.

Christfried Tschepe, Vorsitzender des Fahrgastverbandes IGEB

Und Christfried Tschepe, Vorsitzender des stets kritischen Fahrgastverbandes Igeb, sagte: „Wir haben ein sehr großes Vertrauen in Peter Buchner und honorieren seine Verdienste rund um die S-Bahn und die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm.“

Die Öffentlichkeit erlebte einen glücklichen Peter Buchner zuletzt im Juni dieses Jahres, als er in Schöneweide dem 1000. neu ausgebildeten Lokführer seine Lizenz überreichte. „Die Arbeit für die S-Bahn hat ihm unheimlich viel Kraft gegeben“, sagt jemand aus Buchners Umfeld.

Sommer 2025: Mohammad Omidi ist der 1000. Lokführer, den die S-Bahn seit 2015 ausgebildet hat. Peter Buchner überreicht ihm in Schöneweide seinen Führerschein.

© Stefan Jacobs

An jenem Tag reichte die Kraft trotz seiner Krebserkrankung noch. Als Ende September der letzte Zug der wichtigsten Baureihe 481 zur Komplettsanierung in die Werkstatt geschickt wurde, konnte Buchner schon nicht mehr dabei sein. Zu dieser Zeit machten sie sich in der Chefetage der S-Bahn bereits Gedanken über die Zeit danach. Furchtbar sei das gewesen, sagt jemand, der nur den kleineren Teil von Buchners 16 Jahren als S-Bahn-Chef mit ihm zu tun hatte. „Die Zeit mit ihm war die menschlich und fachlich wertvollste meines Berufslebens.“

Die Zeit mit ihm war die menschlich und fachlich wertvollste meines Berufslebens.

Ein enger Kollege von Peter Buchner.

Peter Buchner starb am Dienstag wenige Tage vor seinem 59. Geburtstag. Harmen van Zijderveld, Regionalverkehrsvorstand der DB und Aufsichtsratschef der S-Bahn, spricht von einer „Lücke, die mit Worten nicht zu beschreiben ist“, würdigt Buchner als weitsichtigen Manager zum Wohle von Fahrgästen und Mitarbeitenden. „Wir trauern um einen Eisenbahner durch und durch, einen hochgeschätzten Kollegen und einen unvergleichlichen Menschen.“

Peter Buchner hinterlässt seine Frau, einen jugendlichen Sohn – und mehr als 3000 Mitarbeiter, von denen einer sagt: „So einen wie ihn gibt es kein zweites Mal.“

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