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Er versteckte sich 25 Monate im Berliner Untergrund: Holocaust-Überlebender Walter Frankenstein ist tot
Mit seiner Frau und zwei Kindern versteckte sich Walter Frankenstein vor den Nazis. Nach dem Krieg wanderte die Familie über Umwege nach Schweden aus. Nun starb er mit 100 Jahren.
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Der Holocaust-Überlebende Walter Frankenstein ist am Montag mit 100 Jahren gestorben. Das teilte die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas auf Instagram mit.
Frankenstein, der als Kind jüdischer Eltern in Westpreußen geboren wurde, zog mit zwölf Jahren nach Berlin. Dort absolvierte er eine Lehre als Maurer an der Bauschule der Jüdischen Gemeinde, bevor er ab 1941 Zwangsarbeit leisten musste.
1942 heiratete Frankenstein mit 18 Jahren seine Frau Leonie, 1943 kam ihr erster Sohn Peter-Uri zur Welt. Fünf Wochen später tauchte die Familie unter und lebte 25 Monate lang im Berliner Untergrund. 1944 wurde der zweite Sohn Michael geboren.
„Dass wir da durchkamen, beruhte auf vier Pfeilern. Keine Angst, frech sein, gute Freunde und viel, viel Glück“, sagte er 2022 dem Tagesspiegel. Angst könne man riechen, und so hätten er und Leonie furchtlos leben müssen. „Wir versuchten, unser Leben zu leben und uns selbst zu beweisen, dass wir das, was Hitler uns verbietet, trotzdem machen. Wir sind in Parks gegangen, haben uns den gelben Stern von der Brust abgemacht, und haben uns auf die Bänke gesetzt.“
Zum Zeitpunkt der Befreiung waren Peter-Uri und Michael Frankenstein die jüngsten von insgesamt 25 deutsch-jüdischen Kindern, die in Berlin überlebt hatten.
Nach dem Krieg wanderte die Familie zunächst in das damalige Palästina, 1956 nach Schweden aus, wo Frankenstein bis zu seiner Pensionierung 1984 als Ingenieur arbeitete. Als Zeitzeuge fuhr Frankenstein regelmäßig zurück nach Berlin, bis zum Tod seiner Frau Leonie im Jahr 2009 auch gemeinsam mit ihr. In Schulen, bei Zeitzeugengesprächen und Gedenkveranstaltungen berichtete er vom eigenen Schicksal.
Bis zu seinem Tod war Frankenstein bekennender Fan von Hertha BSC. Er besuchte 2018 erstmals wieder ein Spiel des Vereins und war blau-weißes Ehrenmitglied mit der Nummer 1924. 2014 erhielt er das Bundesverdienstkreuz für seine langjährige Tätigkeit als Zeitzeuge.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner teilte am Dienstagnachmittag sein Beileid mit: „Mit ihm hat uns ein weiterer wichtiger Zeitzeuge verlassen, der aus eigenem Erleben von der Verfolgung von Jüdinnen und Juden und der Shoa berichten konnte“, so Wegner. „Obwohl er und seine Familie in unserer Stadt so viel Leid erlebt haben, war Walter Frankenstein mit Berlin stets eng verbunden.“ Immer wieder habe er mit jungen Menschen über sein Schicksal und den Holocaust gesprochen, um ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen. „Einmal mehr ist es nun an uns, sein Vermächtnis zu wahren und für Demokratie, Freiheit und Frieden einzustehen.“
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