
© Berliner Stadtmission/Jan-Erik Nord
„Erst fragen, ob Hilfe nötig ist“: Der Kältebus der Berliner Stadtmission wird oft zu früh alarmiert – Not wächst
Der Kältebus der Berliner Stadtmission kommt durch Hinweise jede Nacht zu Menschen, die keine Hilfe wollen. Dafür fehlt er dann an anderer Stelle.
Stand:
Um 23 Uhr beginnt die besonders kritische Zeit. Von 23 Uhr an ist es für den Fahrer des Kältebusses der Stadtmission sehr schwierig, noch freie Plätze in den Notunterkünften zu finden, zu groß ist der Andrang von Obdachlosen in den kalten Nächten.
Aber es kommt noch ein besonderes Problem dazu, und zwar nicht erst ab 23 Uhr. Ein Punkt, der auf den ersten Blick wie fürsorgliche Nächstenliebe klingt. Viele Menschen, die jetzt sehr aufmerksam ihre Umgebung beobachten, melden der Kältehilfe Obdachlose, die in der Kälte ausharren und vermeintlich Hilfe benötigen. Ob das wirklich so ist, haben sie den Betroffenen oder die Betroffene erst gar nicht gefragt.
Nicht alle wollen die Hilfe des Kältebusses
Die nett gemeinte Geste hat allerdings einen gravierenden Nachteil. Es gibt wohnungslose Menschen, die keine Hilfe wollen. Sie lehnen den Transport in eine warme Unterkunft ab, weil sie dort mit ihren Tieren nicht unterkommen und keinen Alkohol trinken können oder weil sie aufgrund eigener Erfahrungen Angst vor Diebstählen haben. Und so fährt der Kältebus Nacht für Nacht mehrmals zu Menschen, für die jemand angerufen hat, die aber selbst gar keine Hilfe wollen.
Mit dem weiteren Effekt, dass der Kältebus an Orten, an denen er dringend gebraucht würde, nicht oder nur sehr verspätet erscheinen kann. Deshalb bittet die Kältehilfe eindringlich, dass jeder, der eine vermeintlich hilflose Person sieht, erst den Betroffenen oder die Betroffene fragt, ob er oder sie tatsächlich Hilfe benötigt und in eine Notunterkunft gebracht werden möchte. Lehnt die jeweilige Person ab, dann muss auch der Kältebus nicht alarmiert werden.
Dessen Fahrer hat ab Mitternacht ohnehin alle Hände voll zu tun, damit er sein größtes Problem lösen kann. „Ab null Uhr“, sagt ein Fahrer, „geht fast nichts mehr.“ So gut wie keine freien Plätze mehr. Allerdings: Irgendeine Lösung findet sich dann doch immer. „Wir lassen niemanden zurück“, sagt Barbara Breuer, die Pressesprecherin der Stadtmission.
Generell sei der Bedarf der Hilfsangebote in diesem Jahr größer, auch bei den Kältebussen. „Wir sehen einfach, dass die Not wächst. Das sind zum Beispiel auch Rentner und Rentnerinnen mit einer kleinen Rente. Bei unserem Seniorenfrühstück müssen wir mittlerweile Menschen wegschicken, weil immer mehr kommen, als wir aufnehmen können.“ Auch der Bedarf an Ehrenamtlichen sei momentan groß. Alleine für die Kältehilfe werden momentan sechs neue Kräfte gesucht.
Die Kältebusse werden von der Stadtmission Berlin und anderen Hilfsorganisation wie der Kältehilfe betrieben. Sie kümmern sich nach Angaben von Breuer um Menschen auf der Straße, die durch die Kälte in Gefahr sind. Zum einen nehmen sie Obdachlose auf der Straße auf und bringen sie zu Notunterkünften, in denen die sie nachts schlafen können. Andererseits versorgen sie die Menschen aber auch mit Schlafsäcken oder warmen Getränken und Speisen, wenn diese nicht in Unterkünfte gebracht werden möchten oder können.
Über 90 Projekte und Einrichtungen in ganz Berlin gehören zur Stadtmission, allein 24 davon fallen in den Bereich Armut und Wohnungslosigkeit. Damit ist die Stadtmission einer der größten Vereine in Berlin, der sich um obdach- und wohnungslose Menschen in der Hauptstadt kümmert. Hinzu kommen Angebote von Vereinen wie der Caritas, der Diakonie oder der Tafel. Offiziell leben laut Kältehilfe in Berlin 55 .00 wohnungslose Menschen und 2000 Obdachlose auf der Straße, wobei die Dunkelziffer weitaus höher geschätzt wird. (mit dpa)
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