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Aktivisten des Zentrums für politische Schönheit haben eine lebensgroße Statue des ermordeten CDU-Politikers Walter Lübcke vor die CDU-Parteizentrale gestellt.

© dpa/Markus Lenhardt

Familie von Walter Lübcke kritisiert Aktion in Berlin : „Keine Einwände“ der Angehörigen? Bezirksamt glaubte Aktivisten blindlings

Das Zentrum für politische Schönheit stellte eine Lübcke-Statue auf. Die Familie war nicht eingebunden. Das Bezirksamt findet, dass die Aktion die Ehre des CDU-Mannes nicht angreift.

Stand:

Die Familie des von einem Rechtsextremisten ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) distanziert sich von der Aktion des Zentrums für politische Schönheit vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin. Sie wirft den linken Aktivisten einen respektlosen Umgang mit der Familie und mit dem Andenken an Lübcke vor. Zugleich gibt das Bezirksamt Mitte auf Nachfrage zu, der vom Zentrum vorgegaukelten Zustimmung der Familie zu der Aktion blindlings geglaubt zu haben.

Die Aktivistengruppe hatte in dieser Woche eine lebensgroße Bronzestatue des CDU-Politikers vor der Parteizentrale aufgestellt. Ziel der Aktion ist es nach Angaben des Zentrums, die CDU an ihre Verantwortung zu erinnern, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten.

Familie kritisiert fehlende Einbindung

Die Familie des CDU-Politikers lehnt die Aktion in einer Erklärung vom Freitag, die dem Tagesspiegel vorliegt, ab. Sie seien dankbar für jeden, der „in aufrichtiger, wertschätzender und ehrender Art“ an ihren Vater und ihren Mann erinnere, heißt es in dem Schreiben der Kinder und der Witwe. „Die Brandmauer gegen Rechts, egal von welcher demokratischen Partei, muss stehen, hier darf es keine Toleranz geben.“ Alles, was zur Stärkung der demokratischen Grundordnung und zur Abgrenzung nach rechts beitrage, sei wichtig.

„Gleichzeitig verwehren wir uns jedoch entschieden dagegen, dass im vorliegenden Fall der Anschein vermittelt wurde, wir seien in die Planung oder Umsetzung eingebunden gewesen“, heißt es in der Erklärung weiter. „Eine solche Einbindung hat zu keinem Zeitpunkt stattgefunden.“ Es könne auch nicht als Beteiligung gewertet werden, „uns lediglich am Vortag der Aufstellung des Denkmals ein Schreiben in den Briefkasten zu werfen“, schreibt die Familie. „Dies stellt weder eine angemessene Information noch eine Einbindung dar.“

Wer den Anspruch erhebt, Angehörige in ein solches Vorhaben einzubeziehen, muss dies frühzeitig, transparent und in enger Abstimmung tun.

Walter Lübckes Familie in einem Schreiben über das Vorgehen des Zentrums für Politische Schönheit.

Das Schreiben der Kinder und der Witwe endet mit den Worten: „Wer den Anspruch erhebt, Angehörige in ein solches Vorhaben einzubeziehen, muss dies frühzeitig, transparent und in enger Abstimmung tun. Nur so kann ein respektvoller Umgang gewährleistet werden – sowohl mit dem Andenken an unseren Vater/meinen Mann als auch mit uns als Familie.“

Darum genehmigte das Bezirksamt Mitte das „WLP-Projekt“

Eine wichtige Rolle in dem Fall spielt auch das von den Grünen geführte Bezirksamt Mitte. Es hat die Sondernutzung der Fläche für das „WLP-Projekt“, wie es vom Zentrum beantragt wurde, genehmigt. Das zuständige Straßen- und Grünflächenamt untersteht einem Stadtrat der Grünen, Bezirksbürgermeisterin ist die Grünen-Politikerin Stefanie Remlinger.

Der Tagesspiegel wollte vom Bezirksamt wissen, ob das Zentrum für Politische Schönheit für den Antrag auch das Einverständnis der Familie zur Aufstellung der Statue vorgelegt hat. Das Bezirksamt erklärte, ihm hätten keine Einwände der Familie vorgelegen. Tatsächlich glaubte die Behörde den linken Aktivisten blindlings, wie sie nun selbst offenbart.

Die selbstbewusst auftretenden Aktivisten des Zentrums geben sich ansonsten zu Fragen rund um die Aktion zugeknöpft. So untersagte die Gruppe dem Bezirksamt, bestimmte Fragen zu beantworten. Konkret wollte der Tagesspiegel wissen, was das Zentrum beim Antrag zur Aufstellung der Statue angegeben hat, durch wen das Projekt gefördert worden war. Oder welches künstlerische Konzept beigefügt und welche Angaben zum künstlerischen Werdegang gemacht wurden.

Diese Maßgaben gelten zur Aufstellung der Statue

Dazu sollen jedenfalls in den Antragsformularen des Bezirksamts für Sondernutzungen für Kunst Angaben gemacht werden. Doch das Bezirksamt erklärte dem Tagesspiegel dazu nur: „Der Antragsteller hat einer Veröffentlichung nicht zugestimmt.“

Weiter erklärte das Bezirksamt: Eine Bewertung des politischen Inhalts eines Kunstwerkes entziehe sich der Kontrolle des Bezirksamtes, solange es weder rassistisch, antisemitisch oder ehrverletzend sei noch einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Das folge aus der Kunstfreiheit und dem Neutralitätsgebot der Verwaltung.

Erst im Juli hatte das Bezirksamt die „Fixierung einer Verwaltungspraxis für Kunst im öffentlichen Raum“ beschlossen. Demnach können ehrverletzende Äußerungen „einer Genehmigungsfähigkeit entgegenstehen“. Das Bezirksamt sieht Lübckes Ehre aber nicht verletzt.

Es sei geprüft worden, „ob die postmortale Menschenwürde und das Persönlichkeitsrecht Walter Lübckes berührt oder verletzt werden könnten“, erklärte das Bezirksamt. Maßgeblich sei, ob eine herabsetzende, entwürdigende oder verächtlich machende Darstellung vorliege. „Nach Bewertung der vorgelegten Entwürfe und des Konzepts handelt es sich um eine würdige, respektvolle Darstellung, die an Leben und Haltung Walter Lübckes erinnert und nicht seine Ehre angreift.“

Dominik Lenze / Melanie Probandt

Ungereimtheiten bei Zeitpunkt der Antragsstellung

Bezirksamtschefin Remlinger hatte erklärt, dass sie die Statue nicht geschmacklos finde. Auf Nachfrage erklärte das Bezirksamt, dass Remlinger damit nicht das Kunstwerk bewertet, sondern das Ergebnis der „rechtlichen Prüfung zur Frage der Pietät und des Ehrschutzes“ zusammengefasst habe.

Auch sonst sind die Antworten des Bezirksamtes interessant: Einmal erklärte es, der Antrag für die Statue sei am 13. November eingereicht worden, ein anderes Mal am 13. Oktober. Jedenfalls habe es noch vor dem Antrag „Hinweise, dass ein entsprechendes Vorhaben vorbereitet wird“, gegeben.

Die Bezirksbürgermeisterin und der zuständige Stadtrat seien zwar über das Projekt informiert worden, seien jedoch nicht Teil des konkreten Bearbeitungs- und Genehmigungsvorgangs. Vielmehr seien sie „politisch verantwortlich für die allgemeine Linie, wonach provokante, aber rechtlich zulässige Kunst im öffentlichen Raum zu ermöglichen ist“.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat die Aktion als „vollkommen geschmacklos“ kritisiert. Auch Berlins Regierender Bürgermeister und Parteikollege Kai Wegner äußerte sich ähnlich. Das Schicksal eines von einem Rechtsradikalen ermordeten Politikers zu instrumentalisieren, sei an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten, sagte er. 

Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni 2019 auf seiner Terrasse im nordhessischen Wolfhagen-Istha von dem Rechtsextremisten Stephan E. ermordet worden – weil dieser Lübckes liberale Haltung zur Flüchtlingspolitik ablehnte. Der Täter verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe. Er soll die AfD etwa im Wahlkampf unterstützt haben.

Mehr als hundert Menschen sind am Freitag zu einer vom Zentrum organisierten Gedenkveranstaltung an einer Statue des ermordeten CDU-Politikers Walter Lübcke vor der Bundesparteizentrale in Berlin gekommen. Es sprach unter anderem der Publizist und einstige CDU-Politiker Michel Friedman, der ein Verbot der AfD forderte. Auch die Schauspielerin Anna Thalbach beteiligte sich.

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