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Blumen liegen an dem Ort in Pankow, an dem eine sechsfache Mutter niedergestochen wurde.

© dpa

Frau in Berlin auf der Straße erstochen: Warum ist der Haftbefehl nicht wegen Mordverdachts ergangen?

Der Mann, der in Pankow seine Frau niedergestochen haben soll, ist wegen Verdachts auf Totschlag inhaftiert. Für einen Mordvorwurf fehlen noch Hinweise.

Die Tat war fürchterlich. Ein 42-jähriger Afghane soll am vergangenen Freitag in Berlin-Pankow auf der Straße seine Frau, die von ihm getrennt lebte, mit einem Messer mit mehreren Stichen getötet haben. Die Frau, Mutter von sechs Kindern, starb noch am Tatort.

Der Mann soll ihr in den Bauch gestochen und ihr dann noch ihre Kehle aufgeschlitzt haben. Es gab zahlreiche Zeugen der Tat. Es gibt auch ein Foto, auf dem der Mann auf der Straße mit einem Messer zu sehen ist.

Die Staatsanwaltschaft Berlin hat wegen des dringenden „Tatverdachts eines vorsätzlichen Tötungsdelikts“ einen Untersuchungshaftbefehl beantragt. Unter den Begriff Tötungsdelikt fallen sowohl fahrlässiger und vorsätzlicher Totschlag sowie Mord. In diesem Fall ist der aktuelle Haftgrund der dringende Verdacht auf vorsätzlichen Totschlag. Der Ermittlungsrichter gab dem Antrag statt.

Die Frage lautet nun: Weshalb ist der Mann nur wegen des Verdachts auf Totschlag, nicht aber wegen Mordverdachts inhaftiert worden? Dazu erklärt Staatsanwältin Mona Lorenz, stellvertretende Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft Berlin: „Grundlage ist die derzeitige Bewertung der Sach- und Rechtslage, was sich bis zum Zeitpunkt der Anklageerhebung auch ändern kann.“

Konkret bedeutet dies: Bei so einer Tat, deren Umstände noch nicht detailliert aufgearbeitet sind, wird erstmal nur der Verdacht des Totschlags angenommen, bis geklärt ist, ob Mordmerkmale erfüllt sind.

Erweiterung der Anklage auf Mord ist jederzeit möglich

Die Berliner Rechtsanwältin Karla Vogt-Röller, erfahren im Strafrecht, präzisiert die Angaben der Behördensprecherin. „Dass der Haftbefehl wegen Totschlags erging, ist völlig normal.“ Untersucht wird jetzt, ob Mordmerkmale vorliegen. „Dazu gehört Heimtücke, wenn das Opfer arg- und wehrlos war. Wenn also zum Beispiel jemand von hinten kommt und vom Opfer nicht gesehen werden kann“, sagt Vogt-Röller.

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Weitere Mordmerkmale seien niedere Beweggründe. Mordlust zur Befriedigung des Geschlechtstriebs oder Habgier zum Beispiel. Mordmerkmal ist auch eine grausame Tatbegehung oder mit gemeingefährlichen Mitteln. „Ein Messer“, sagt Karla Vogt-Röller, „ist unter Umständen ein gefährliches Werkzeug. Damit kann man aber auch Brot schneiden. Gemeingefährlich können etwa Explosionen oder Brandstiftungen sein, wenn der Täter die Anzahl der Opfer nicht eingrenzen kann.“

Doch eine Erweiterung der Anklage auf Mord ist jederzeit möglich. Und für eine Mordanklage genügt es, wenn nur eines der Merkmale erfüllt ist. Deshalb sagte Mona Lorenz auch: „Selbst nach Anklageerhebung besteht die Möglichkeit eines rechtlichen Hinweises im Rahmen der Hauptverhandlung, dass auch Mord anstatt Totschlag in Betracht kommt. Dies ist jedoch lediglich eine Möglichkeit.“

Die Motive des Täters sind noch nicht bekannt

Über die Motive des Täters sind noch keine weiteren Informationen bekannt. Die Polizei geht vor einer sogenannten Beziehungstat aus. Ob es sich um einen sogenannten Ehrenmord gehandelt hat, ist unklar. Mona Lorenz erklärte, sie könne zu den Tathintergründen derzeit keine Auskünfte erteilen.

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Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft ist es jetzt, die weiteren Umstände der Tat sowie diverse Einzelheiten aufzuklären. Erst dann kann ein Gericht entscheiden, ob Mord vorliegt. Deshalb sucht die Polizei dringend weitere Zeugen, welche die Tat gesehen oder Fotos und/oder Videos vom Tatgeschehen aufgenommen haben.

Auch wer den mutmaßlichen Täter bei seiner Flucht beobachtet hat, soll sich melden. Die Polizei bittet um Hinweise unter der Telefonnummer 030/4664-911444.

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