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Die Haushaltsmittel für den Kitaausbau reichen nicht - auch das bereitet den Trägern Probleme.

© Kitty Kleist-Heinrich

Freie Kitas am Limit: Über 50 Berliner Kitaträger protestieren gegen Benachteiligung

Rückzahlungen in Millionenhöhe an das Land, keine Hauptstadtzulage, schmale „Heldenprämie“: Kitaträger fühlen sich benachteiligt.

Es braut sich etwas zusammen: Mehr als 50 freie Träger, darunter große Kreisverbände von Arbeiterwohlfahrt (AWO) und Deutschem Roten Kreuz (DRK), gehen auf Abstand zur Liga der freien Wohlfahrtspflege. Beteiligte sprachen am Dienstag von einem „noch nie dagewesenen Vorgang“. Was ist geschehen?

Konkret geht es um eine millionenschwere Rückforderung an alle Kitas: Sie sollen pro Kind 69 Euro zurückzahlen, weil sie, so die Begründung des Senats, wegen der Corona-bedingten Kitaschließungen Geld gespart hätten. Gesamtsumme: knapp zwölf Millionen Euro.

Die Liga, darunter Caritas, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Diakonie, AWO und DRK, haben eine entsprechende Einverständniserklärung am Montag unterschrieben, um „Schlimmeres abzuwenden“, wie es heißt: Es habe andernfalls die Gefahr bestanden, dass der Senat die Rahmenvereinbarung über die Platzgelder kündige. Im Übrigen hätten die Träger ja tatsächlich – etwa bei den Essensausgaben – Geld gespart.

Die 50 Träger argumentieren, dass sie zusätzliche Ausgaben – etwa für Hygiene und die Digitalisierung der Kommunikation – gehabt hätten. Manche Träger hätten das Geld zudem an die Eltern komplett zurückgezahlt. Auch fragt etwa der Geschäftsführer des Jugendwerks Aufbau Ost, Thomas Knietzsch, warum ausgerechnet die Kitas Gelder zurückzahlen sollen, andere aber nicht.

Von einem „Vertrauensverlust“ sprach die Geschäftsführerin des Vereins für aktive Vielfalt, Britta Brauckhoff. „So etwas darf sich nicht wiederholen“, betonte Rainer Oetting vom DRK-Nordost. „Derzeit werden die Spitzenverbände eher als Handlungsgehilfe der Verwaltung wahrgenommen, denn als politisch selbstständige Trägervertretung", lautet die Einschätzung Stefan Spiekers vom großen Träger Fröbel.

Alle 52 Träger hatten sich bereits im Sommer mit einem Protestbrief an die Finanzverwaltung gewandt.

Die Hauptstadtzulage nur für den öffentlichen Dienst

Dass die Rückforderung derartige Empörung auslöst, liegt weniger an dem Betrag selbst als daran, dass er flankiert wird von weiteren finanziellen Benachteiligungen. Vor allem die Nichtberücksichtigung der freien Träger bei der Hauptstadtzulage erzeugt Wut, zumal die Erzieherkräfte in den landeseigenen Kitabetrieben die 150-Euro-Zulage bekommen: In München, das auch eine Zulage zahlt, profitieren beide Gruppen.

"Die ungleiche Finanzierung von öffentlichen und freien Trägern ist unfair und treibt einen Keil in die Berliner Bildungslandschaft und wiederspricht dem Sozialgesetzbuch", hatte die GEW bereits Mitte September kritisiert. Soziale Politik für die gesamte Stadt könne so nicht funktionieren, hieß es seitens der GEW-Tarifexperten.

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Zudem erhalten die freien Träger nur einen Teilbetrag der sogenannten Corona-Heldenprämie, wie Hartmut Horst vom Träger „Hanna“ ausführte. Wenn er seinen Mitarbeitern die volle Coronaprämie geben und dazu noch die 69 Euro pro Kita-Kind zurückzahlen wollte, würde ihn das 160.000 Euro kosten, rechnete Horst vor. Es verstärke sich daher für ihn der Eindruck, „dass hier eine Strategie zur Austrocknung der freien Trägerschaft von Kitas geplant ist“.

Beim Kitaausbau traten die Träger in Vorleistung

Spieker erinnerte an eine weitere Belastung, die von den freien Trägern zu stemmen sei, nämlich die fehlenden Gelder für den Kitaausbau. Die Träger seien in Vorleistung getreten und hätten dann erfahren müssen, dass das Budget bereits ausgeschöpft sei. Zwar kämen jetzt 48 Millionen vom Bund; bei einem Bedarf von über 117 Millionen Euro für vorliegende Anträge von Trägern reiche das aber nicht.

Zudem verweist Spieker darauf, dass es sich bei den Bundesmitteln um Gelder zur Bewältigung der Corona-Krise handele. Die Schaffung von Kitaplätzen sei aber gesetzliche Landesaufgabe. Im übrigen reichten die Bundesmittel nur für 2400 Kitaplätze, akut fehlten in Berlin aber rund 10.000. Von einer ausreichenden Versorgung oder gar Wahlrecht für Eltern sei Berlin weit entfernt.

Wie berichtet ist die Kita-Betreuungsquote in Berlin neuerdings rückläufig, weil Plätze fehlen. Dieser Mangel treffe vor allem die Kinder, die eine Förderung am nötigsten hätten, warnt Spieker. Es sei „absurd“, dass die SPD einerseits eine Kitapflicht fordere und andererseits die Plätze durch fehlende Haushaltsmittel verknappe.

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