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Rathaus Pankow von Berlin.

© imago images/Andreas Gora

Update

Stadträte-Freistellung bei vollem Lohnausgleich: Einigung zu Bezirksämtern könnte Berlin bis zu fünf Millionen Euro kosten

Damit die Bezirksämter nach der Wahl dem neuen Stimmenverhältnis entsprechen, muss die Politik eine neue Regelung erarbeiten. Nun liegen die Eckpunkte vor.

| Update:

Die Berliner Bezirksämter sollen nach der Wiederholungswahl auch das neue Wahlergebnis widerspiegeln. Darauf haben sich die Fraktionen von SPD, Grüne, Linke und CDU mit der Senatsinnenverwaltung geeinigt. Ein entsprechendes Eckpunktepapier liegt dem Tagesspiegel vor. Doch der Kompromiss dürfte teuer werden: Denn ausscheidende Bezirksbürgermeister und Stadträte sollen bis zum Ende der Wahlperiode einen vollen Lohnausgleich erhalten.

Der zwischenzeitliche Plan, die Ruhegehälter bei rund 71,5 Prozent des vorherigen Gehalts festzusetzen, wurde wieder verworfen. Nach Tagesspiegel-Informationen könnten dem Land durch den Kompromiss Mehrkosten von bis zu fünf Millionen Euro entstehen. Bereits ohne diesen Posten lagen die Ausgaben für die Wahlwiederholung bei deutlich mehr als 30 Millionen Euro.

Zahl der Bezirksamtsmitglieder soll erhöht werden

Hintergrund der Diskussion ist ein rechtliches Problem. Wie berichtet, gelten die 2021 ins Amt gekommenen Bezirksbürgermeister und Stadträte als Wahlbeamte auch nach dem neuerlichen Wahlgang als gewählt. Theoretisch möglich wären zur Umbildung der Bezirksämter daher ein Rücktritt der Mitglieder oder eine Ab- und Neuwahl.

Letzteres soll es der Einigung zufolge nicht geben. Geändert werden soll stattdessen die Anzahl der Bezirksamtsmitglieder, damit die Führungen der Bezirke nach der Wiederholungswahl die neuen Stimmenverhältnisse abbilden können. „Es erfolgt keine Abwahl und Neuwahl, sondern nur eine Nachwahl mit dem Ergebnis der ‚Freistellung‘ der dadurch ausscheidenden Bezirksamtsmitglieder“, heißt es in den Eckpunkten.

Zu den bisherigen Bezirksamtsmitgliedern sollen also weitere aus den jeweiligen Parteien hinzugewählt werden. Sind sie gewählt, übernehmen sie die Aufgaben von bislang tätigen Bezirksbürgermeistern und Stadträten, die zwar formal im Amt bleiben, von ihren derzeitigen Aufgaben jedoch freigestellt werden. Insider gehen davon aus, dass die Zahl der freigestellten Politiker maximal im niedrigen zweistelligen Bereich liegen dürfte.

Die Neuregelung sieht vor, dass die ausscheidenden Bezirksamtsmitglieder danach für die gesamte Ernennungszeit, also bis zum Ende der Legislaturperiode 2026, ein hundertprozentiges Ruhegehalt bekommen. Zugleich wird die Zeit auf ihre künftigen Versorgungsansprüche angerechnet. Sie würden demnach „finanziell vollständig schadlos gestellt“, womit verhindert werden soll, dass ausscheidende Bezirksamtsmitglieder wegen einer möglichen Schlechterstellung erfolgreich gegen den Vorgang klagen können.

Auf diese Lösung einigten sich die Parlamentarischen Geschäftsführer der vier Fraktionen bei einem Treffen mit Vertretern der Senatsinnenverwaltung. Geplant ist demnach, die Neubesetzung der Bezirksämter in einem einfachen Gesetz zu regeln. Eine zwischenzeitlich zur Debatte stehende Änderung der Berliner Verfassung wird dagegen nicht angestrebt.

Bund der Steuerzahler: Kompromiss „schwer zu vermitteln“

Unumstritten ist die Freistellung bei vollem finanziellem Ausgleich nicht. Alexander Kraus, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler in Berlin, kritisierte die Einigung scharf und sprach am Montag von einem „unerträglichen Zustand“. Das Ergebnis sei „dem Steuerzahler schwer zu vermitteln“, erklärte Kraus.

Eine Selbstauflösung des Abgeordnetenhauses und das damit einhergehende Ende der Legislaturperiode hätte zumindest dieses teure Nachspiel der aufgrund zahlreicher Wahlpannen angeordneten Wahlwiederholung verhindern können, erklärte Kraus. AfD-Chefin Kristin Brinker bezeichnete die Einigung am Montag als „ungeheure Respektlosigkeit gegenüber den Steuerzahlern“.

Der Generalsekretär der FDP Berlin, Lars Lindemann nannte die Freistellung der Stadträte bei vollem Lohnausgleich einen „Schlag ins Gesicht jedes hart arbeitenden Bürgers dieser Stadt.“ Die EInigung müsse unverzüglich wieder vom Tisch. STattdessen sollten die Stadträte im Konsens abgewählt und die Bezirksämter neu aufgestellt werden. „Politik hat die Pflicht, Schaden von unserer Demokratie abzuwenden - hier passiert aber genau das Gegenteil.“

Andrea Kühnemann, Landesbezirksleiterin der Gewerkschaft Verdi, nannte die Entscheidung „weder der Bevölkerung noch den Beschäftigten gegenüber vermittelbar“.

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