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Die Lohnlücke war auch bei der Berliner Demonstration zum Internationalen Frauentag am 8. März 2019 ein Thema.

© Imago

Gehälter in Berlin: Lohnlücke zwischen Männern und Frauen wächst

Der „Equal Pay Day“ am heutigen Montag verdeutlicht Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern. In Berlin hat sich die Kluft zuletzt vergrößert.

Von Laura Hofmann

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Klingt logisch, ist aber nicht so. Deswegen ist am Montag wieder „Equal Pay Day“. Initiiert wurde der Aktionstag in den 1960er Jahren von US-Organisationen, die für Chancengleichheit kämpfen, in Deutschland wird der Tag seit 2008 begangen und von der Bundesregierung unterstützt. Die wichtigsten Fragen zum Thema.

Was ist der „Equal Pay Day“?

Der „Equal Pay Day“, auf Deutsch „Tag des gleichen Lohnes“, wird dieses Jahr deutschlandweit am 18. März begangen. In Berlin müsste er eigentlich schon gewesen sein, nämlich am 17. Februar. In Brandenburg sogar bereits am 11. Januar. Wie kommt’s? Als „Equal Pay Day“ wird der Tag im Folgejahr bezeichnet, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten, während Männer schon seit dem 1. Januar für ihre Arbeit bezahlt werden.

Weil in Deutschland über alle Branchen und Berufe hinweg nach Angaben des Statistischen Bundesamts zuletzt ein durchschnittlicher Lohnunterschied von 21 Prozent zwischen Männern und Frauen bestand – und auch weiterhin besteht – kommt man auf einen Entgeltunterschied von 77 Tagen. Würde man den Tag des gleichen Lohnes allerdings nach Bundesländern berechnen, kämen Brandenburgerinnen auf „nur“ elf entgeltlose Tage, Berlinerinnen auf 48. Wichtig: Die 21 Prozent Lohnunterschied beziehen sich auf den Bruttostundenlohn. Damit gehört die deutsche Lohnlücke zu den größten in Europa.

Wie lässt sich die Lohnlücke erklären?

Sowohl mit Gehaltsabständen zwischen einzelnen Berufen, als auch mit einer Gehaltslücke zu Lasten von Frauen innerhalb der einzelnen Berufe. Frauen arbeiten überdurchschnittlich häufig in vergleichsweise schlecht bezahlten Berufen, zum Beispiel als Verkäuferin im Einzelhandel (Durchschnittsgehalt der Frauen: 1991 Euro, Frauenanteil unter den Befragten: 66 Prozent), als Physiotherapeutin (2296 Euro, 67 Prozent Frauen) oder Erzieherin (2701 Euro, 75 Prozent Frauen). Die Zahlen entstammen einer nicht-repräsentativen Befragung der Hans-Böckler-Stiftung von mehr als 300 000 Beschäftigten.

Rechnet man strukturelle Unterschiede bei Berufswahl, Beschäftigungsumfang, Bildungsstand, Berufserfahrung oder den geringeren Anteil von Frauen in Führungspositionen heraus, verdienen Frauen für die gleiche Arbeit in Deutschland immer noch rund sechs Prozent weniger als Männer. „Teilzeit ist immer noch ein Karrierekiller“, sagt Elke Holst, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Studies am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Wie ist die Situation in Berlin?

18,37 Euro Brutto verdienten Frauen durchschnittlich 2018 in Berlin. Das hat das Landesamt für Statistik berechnet. Das sind rund 14 Prozent weniger als Männer, die auf 21,38 Euro kamen. 2017 betrug der Lohnunterschied noch 13 Prozent. Berlin hat sich auf dem Weg zur Gleichstellung also verschlechtert, liegt bundesweit auf Platz sechs. „Das ist nicht hinnehmbar“, findet Gleichstellungssenatorin Dilek Kolat (SPD). Für den Regierenden Bürgermeister Michael Müller ist die Lohnlücke „ein gesellschaftlicher Skandal“. Es sei an den Entscheidern, und das seien in den Führungsetagen „leider immer noch vorwiegend Männer“, diesen Tag endlich überflüssig zu machen.

Tatsächlich verharrt auch in Berlin, das sich gerne als Labor für den gesellschaftlichen Fortschritt feiert, der Anteil von weiblichen Leitungs- und Führungskräften seit 2013 bei 36,4 Prozent. Auch im öffentlichen Dienst sind männliche Chefs mit 50,5 Prozent in Berlin neuerdings in der Mehrheit. Die BVG, die mit Sigrid Nikutta eine fünffache Mutter als Chefin hat, hat sich für den „Equal Pay Day“ am Montag eine besondere PR-Aktion ausgedacht: Frauen zahlen für das Tagesticket statt 7 Euro nur 5,50 – und damit rund 21 Prozent weniger.

Wie ist die Situation in Brandenburg?

Die geschlechtsspezifische Lohnlücke ist in Brandenburg deutschlandweit am geringsten. Das Statistische Landesamt sieht sie bei nur zwei Prozent. Die Hans- Böckler-Stiftung kommt für Brandenburg dagegen auf ein „Gender Pay Gap“ von 14,9 Prozent, was aber immer noch der geringste Wert bundesweit ist. Allerdings lassen sich die vergleichsweise niedrigen Werte beim Gender-Pay-Gap in den ostdeutschen Bundesländern nicht mit besonders guten Frauen-Löhnen erklären, sondern damit, dass ostdeutsche Männer deutlich weniger verdienen als Männer im Westen. Besonders hohe Löhne werden in den technischen Berufen gezahlt, hier liegt der Männeranteil oft über 90 Prozent. Das erklärt auch, warum Baden-Württemberg (22,7 Prozent) oder Bayern (21,9 Prozent) beim Gender-Pay-Gap schlecht abschneiden.

Wie ist die gesetzliche Regelung?

Der deutsche Staat ist per Verfassungsauftrag verpflichtet, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern. So steht es in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes. Außerdem in Artikel 10 Absatz 3 der Berliner Verfassung. Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist auch erklärtes Ziel des Berliner Senats. Doch trotz Entgelttransparenzgesetz bleibt die Ungleichbehandlung weiterhin bestehen.

Eine verbindliche Überprüfung aller Lohnstrukturen und Tarifverträge gibt es nicht. Arbeitnehmer können sich durch das Entgelttransparenzgesetz – vorausgesetzt sie arbeiten in einem Betrieb mit mehr als 200 Mitarbeitern – lediglich darüber informieren, was ihre Kollegen im Schnitt verdienen. „Das Gesetz ist verbesserungswürdig“, sagt Holst. Denn: „Wer klagt schon gegen seinen Arbeitgeber?" Wichtig sei ein Verbandsklagerecht, damit man nicht individuell klagen muss.

Und wie begeht Berlin den Equal Pay Day?

Am Montag um 10 Uhr laden der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Sozialverband Deutschland und der Deutsche Frauenrat zur Kundgebung unter dem Motto „Recht auf Mehr!“ vor dem Brandenburger Tor. Die Gleichstellungsbeauftragte von Charlottenburg-Wilmersdorf hat Unternehmen aufgerufen, auf eines ihrer Produkte oder ihrer Dienstleistungen einen Rabatt von 21 Prozent einzuräumen, mehr dazu auf der Internetseite des Bezirksamts.

Und ab 19.30 Uhr geht es beim Pub-Talk in der Maultasche, Charlottenstraße 35-36 in Mitte, um das Thema „Frauen und Karriere – wie geht das besser?“. Es diskutieren die CDU- Bundestagsabgeordnete Ronja Kemmer, Karin Heinzl, Gründerin von MentorMe, und Uta Zech, Präsidentin des Business and Professional Women Germany e.V.

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