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Dreckiges Geschirr stapelt sich in einem Abguss. (Symbolbild)

© Getty Images/Catherine Falls Commercial

Exklusiv

„Geschenk der Union an die Gastro-Lobby“: Drei Seiten Papier schaffen Berlins Saubere-Küchen-Gesetz ab

Seit 2023 müssen die Bezirke die Ergebnisse von Hygienekontrollen in Restaurants und Bäckereien veröffentlichen. Doch es passiert nichts. Justizsenatorin Badenberg will nun einen Schlussstrich ziehen.

Stand:

Berlins Senatsjustizverwaltung forciert das Aus für die strengen Transparenzvorgaben zu Hygienekontrollen in Restaurants, Bäckereien und Imbissen. Der entsprechende Gesetzentwurf aus dem Ressort von Senatorin Felor Badenberg (CDU) liegt dem Tagesspiegel in Kooperation mit der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch und der Rechercheplattform FragdenStaat exklusiv vor.

Der dreiseitige Entwurf regelt, dass das Lebensmittelüberwachungstransparenzgesetz und die dazugehörige Verordnung aufgehoben werden. Noch bis 16. Juni läuft das Beteiligungsverfahren für Verbände und Unternehmen.

„Nach der Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie im Bund jetzt auch noch das: Die Union macht der Gastro-Lobby das nächste Geschenk – diesmal auf Kosten der Transparenz“, sagte Rauna Bindewald von Foodwatch. „Die Abschaffung des Hygiene-Barometers ist ein Segen für Schmuddelbetriebe und ein massiver Rückschritt für die Bürgerrechte in Berlin.“

Arne Semsrott von FragdenStaat erkärte: „Nun sollen die Rechte von Verbraucher:innen und Transparenz, die sich Bürger:innen selbst erkämpft haben, wieder einmal unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus für Wirtschaftsinteressen geopfert werden.“

Sauberes-Küchen-Gesetz unter Rot-Rot-Grün verabschiedet

Die damalige rot-rot-grüne Koalition hatte das Saubere-Küchen-Gesetz 2021 kurz vor der Abgeordnetenhauswahl durchgesetzt. Es trat 2023 in Kraft und schreibt vor, dass die Bezirksämter die Ergebnisse der Hygienekontrollen veröffentlichen. Bunte Transparenzbarometer sollten von den Betrieben ausgehängt werden, damit Verbraucher erkennen, wie sauber es dort zugeht.

Doch das Instrument wird kaum umgesetzt und zeigt keine Wirkung. 2023 hatten die Bezirke den Unternehmen insgesamt gerade einmal drei Kontrollergebnisse zur Veröffentlichung ausgestellt, wie Foodwatch herausfand. Laut Justizverwaltung sind bis auf diese Ausnahme noch keine Transparenzbarometer veröffentlicht worden. Es fehle ohnehin Fachpersonal, erst recht für zusätzliche Aufgaben. Das Gesetz gehe über die Kernaufgaben der Bezirke hinaus. In einigen seien nur sieben Prozent der regulären Kontrollen durchgeführt worden.

Die Union macht der Gastro-Lobby das nächste Geschenk – diesmal auf Kosten der Transparenz.

Rauna Bindewald, Foodwatch

„Mit der Aufhebung des Gesetzes wird das Anliegen verfolgt, der Überlastung von Berliner Behörden entgegenzuwirken“, heißt es zur Begründung im Entwurf. Ein erheblicher Teil der Aufgaben bei der Lebensmittel- und Hygieneüberwachung seien durch Bundes- und EU-Recht vorgegeben. Zwar sei der zusätzliche Aufwand für die Bezirksämter „verhältnismäßig gering“, dennoch sei er vorhanden.

Wegen der Haushaltslage müssten die per Landesrecht zusätzlich geschaffenen Aufgaben kritisch betrachtet werden. Für den gesundheitlichen Verbraucherschutz sei das Saubere-Küchen-Gesetz nicht zwingend, sondern flankierte allenfalls die ohnehin vorhandenen Befugnisse.

Gesetzes-Aus soll Wirtschaft entlasten

Die „Sicherstellung der staatlichen Handlungsfähigkeit“ überwiege das angestrebte Transparenzniveau, das weit über die Vorgaben im Bund und in den anderen Bundesländern hinausgehe. Eine Überarbeitung des Gesetzes, um weniger Personal zu binden, sei nicht möglich. Es drohten unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte der Unternehmer. Das Gesetzes-Aus entlaste dagegen die Wirtschaft.

Foodwatch und FragDenStaat kritisierten die Begründung als fadenscheinig und vorgeschoben. Das Gesetzes-Aus sei ein fatales Signal: Statt für bessere Hygiene und transparente Kontrollen zu sorgen, werde ausgerechnet das Instrument gestrichen, das Betriebe zur Sauberkeit anhalten sollte.

Beide Organisationen verwiesen auf das Smiley-System in Dänemark. Das führe nicht zu einem nennenswerten Mehraufwand für die Behörden. Auch seien weniger Nachkontrollen nötig: Schon wenige Jahre nach Einführung 2002 haben sich die Quote der beanstandeten Betriebe halbiert.

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