
© Susanne Vieth-Entus
GEW wählt nach Abhör-Affäre neuen Vorsitzenden: Ein Erzieher soll Berlins größte Bildungsgewerkschaft führen
Nach dem Rücktritt Tom Erdmanns schart sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft mit großer Mehrheit hinter dem Kreuzberger Gökhan Akgün.
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Nach rund zweijährigen Streitigkeiten und der Diagnose „tiefer Gräben“ hat sich Berlins Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) am Mittwoch mit einem außergewöhnlich klaren Votum hinter ihrem neuen Co-Vorsitzenden Gökhan Akgün geschart. Er wurde mit 92 Prozent der Stimmen von der Landesdelegiertenversammlung gewählt.
Der 42-jährige Erzieher gilt als Vermittler und Sympathieträger, der sich als langjähriger Vorsitzender der GEW in Friedrichshain-Kreuzberg einen Namen gemacht hat. Er hat Kindheitspädagogik studiert und gehört zum Vorstand des Personalrats in seinem Heimatbezirk.
„Ich selbst habe meine gesamte Bildungsbiografie in maroden und schlecht ausgestatteten Brennpunktschulen verbracht. Trotzdem habe ich, aus prekären Verhältnissen kommend, über meine Ausbildung als Erzieher und ein Stipendium den Aufstieg geschafft – dieser Weg bleibt sehr vielen Kindern und Jugendlichen in dieser Stadt leider weiter verwehrt“, wurde Akgün nach seiner Wahl von der GEW zitiert.
Ich will gemeinsam mit einer starken GEW gegen weitere Verschlechterungen kämpfen.
Gökhan Akgün, neuer GEW-Vorsitzender
Er wolle mit der GEW dafür kämpfen, „dass alle Kinder und Jugendlichen bestmöglich gefördert werden und der Bildungserfolg nicht länger vom Status der Eltern abhängt“, sagte Akgün in seiner Kandidatenrede. Trotz Fachkräftemangels und Überlastung des pädagogischen Personals plane die Senatsverwaltung weitere Kürzungen. Die ohnehin unterausgestattete Bildungsinfrastruktur solle in den kommenden Monaten „noch weiter kaputtgespart werden“. Mit einer starken GEW wolle er gemeinsam „gegen weitere Verschlechterungen kämpfen“, sagte Akgün.
Der Vorgänger trat wegen einer Abhöraffäre zurück
Der Kreuzberger folgt auf den langjährigen Vorsitzenden Tom Erdmann, der wegen einer Abhöraffäre seinen Rücktritt erklärt hatte. Zuvor hatte der Tagesspiegel bekannt gemacht, dass Erdmann einen heimlich und somit illegal aufgenommenen Gesprächsmitschnitt, der ihm zugeschickt worden war, gespeichert und weitergegeben hatte.
Erdmann hatte dies nicht bestritten. In einer Erklärung, die dem Tagesspiegel vorliegt, räumte er im Juli ein, dass „die Ablage dieses illegalen Mitschnitts ‚falsch‘ gewesen“ sei und dass er diesen ‚Fehler‘ sehr bedauere.
Gleichzeitig hatte Erdmann auch betont, dass er die Datei „versehentlich vorübergehend“ auch noch Dritten zugänglich gemacht habe. Dies sei „ein zusätzlicher und – ich betone – unbeabsichtigter Vertrauensbruch“ gewesen.
In der Folge stellte der Gewerkschafter die Vertrauensfrage, die er nicht für sich entscheiden konnte, weshalb er zurücktrat.
Der Posten von Erdmanns Co-Vorsitzender Martina Regulin stand nicht zur Disposition. Sie bleibt bis zur regulären Neuwahl 2026 an der Seite Akgüns im Amt.
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