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Berlin: Gottesdienst „in allerhöchster Genehmigung Seiner Majestät“ Die Stiftung Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche wird 100 Jahre alt

SONNTAGS UM ZEHN „Setzen Sie sich gerade hin, singen Sie laut mit. Sollte irgendetwas schief gehen, werden wir lächeln und weitermachen.

SONNTAGS UM ZEHN

„Setzen Sie sich gerade hin, singen Sie laut mit. Sollte irgendetwas schief gehen, werden wir lächeln und weitermachen. Und Handys bitte aus!“ Pfarrerin Sylvia von Kekulé stimmt ihre Gemeinde auf den Rundfunkgottesdienst ein, der am Sonntag zu Ehren der Stiftung Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche stattfindet. Vor 100 Jahren, auf den Tag genau, hat alles angefangen. Kaiser Wilhelm gab seine Genehmigung für die Errichtung der Stiftung. Besonderer Wunsch von Kaiserin Auguste Victoria: Das Kuratorium sollte für Kirchenmusik zu erschwinglichen Preisen sorgen. Ein Jahrhundert später feiert die Gemeinde im Bau von Egon Eiermann. Im Oktogon mit den tiefblauen Mosaikfenstern sind etwa die Hälfte der Plätze besetzt. Es ist warm, aber die meisten Besucher legen nicht ab. Die flackernden Kerzenlichter hinter dem Altar verraten den Luftzug.

Der siebenköpfige Kinderchor KEK zieht vor dem Kuratorium in die Kirche ein. Die Kinder singen: „Kommt herbei, singt dem Herrn ein Lied. Denn mehr als Worte sagt ein Lied.“ Kirchenmusik ist eine der Hauptaufgaben des Kuratoriums. Daher bestimmt sie den Gottesdienst mit. Die Orgelvorspiele sind ausgewählt, und bei manchen Liedern wechseln sich Gemeinde und der Chor auf der Empore ab. Sylvia von Kekulé erinnert an die ersten Jahre des Kuratoriums. In die Gründungsurkunde, die neun Jahre später unterzeichnet wird, unterschreibt Wilhelm II. „in allerhöchster Genehmigung Seiner Majestät“ und schreibt der Stiftung in die Satzung, sie möge für die Erhaltung des Hauses sorgen.

Daran hält sich die Stiftung bis heute – was nicht immer leicht war. „Herr, du warst mit dieser Gemeinde in dunklen Stunden“, betet die Pfarrerin. Bischof Martin Kruse erinnert sich an seine 36 Jahre Stiftungsmitgliedschaft. „Die Ruine gegenüber steht für Selbstüberschätzung und Niedergang. Diese Kirche hier bedeutet einen Neuanfang.“

Friedrich Wilhelm von Preußen, derzeitiger Vorsitzender des Kuratoriums, liest aus dem ersten Brief des Johannes. „Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns.“ Das passt zur Jahreslosung, die Sylvia von Kekulé in ihrer Predigt erklärt. „Jesus Christus spricht: Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen.“ Die Liebe Gottes sei wichtiger als ein Hauptgewinn im Lotto, wichtiger als der vermeintliche Topf von Gold am Ende des Regenbogens. „Gottes Wort begegnet uns in der Stille des Gebets. Er spricht auch durch andere zu uns“, sagt die Pfarrerin. Das bedeute aber nicht, dass man eigenmächtig den Schöpfer durch Worte ersetzen könne. „Diese neue Kirche erinnert uns daran, dass das letzte Wort nicht gesprochen ist. Und wir werden es nicht sprechen.“

In der Fürbitte denkt Bischof Martin Kruse an die Opfer des Erdbebens im Iran und die Toten beim Flugzeugabsturz im Roten Meer. Die Rundfunkübertragung endet mit einer modernen Orgelimprovisation. Danach wird es entspannter. Die Kinder singen ihr Lied noch einmal, die Gemeinde stimmt mit ein und applaudiert. Dann werden drei Mitglieder des Kuratoriums mit Gottes Segen, einem Blumenstrauß und Umarmung von Sylvia von Kekulé verabschiedet. Anschließend werden im Foyer der Ruine die Sektgläser auf die Stiftung gehoben – auch ohne „allerhöchste Genehmigung Seiner Majestät“.

Am kommenden Samstag um 18 Uhr wird es einen Bach-Kantate-Gottesdienst für die Stiftung geben.

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