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Gleich viele Frauen und Männer im Berliner Abgeordnetenhaus – das soll in Zukunft die Regel sein.

© Gregor Fischer/dpa

Grüne legen Eckpunktepapier vor: Berliner Paritätsgesetz wird nicht für die Wahl 2021 gelten

Nach den Linken haben die Grünen ihren Entwurf für eine Gleichstellung in Parlamenten vorgelegt. Fehlt noch die SPD. Bis zu den Wahlen wird es aber nichts mehr.

Von Ronja Ringelstein

Es ist noch das Bild einer Utopie in Berlin: Gleich viele Männer wie Frauen sollen in den Parlamenten sitzen und so als Gesetzgeber die Gesellschaft ein Stück authentischer widerspiegeln.

Bereits 2018 hatten Grüne und Linke in Berlin eine Quote für Listen bei Wahlen gefordert, die SPD später auch. Ein Paritätsgesetz sollte für Berlin beschlossen werden. Nachdem die Linke bereits vor einem Jahr ihren Entwurf für ein solches Gesetz präsentiert hatte, haben am Mittwoch auch die Grünen ein eigenes Eckpunktepapier veröffentlich.

„Zügig, aber gründlich“ wollte die Berliner SPD das Parité-Gesetz diskutieren. Das sagte Fraktionschef Raed Saleh vor über einem Jahr im Februar. Und die SPD diskutiert immer noch.

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Derzeit sind nur rund ein Drittel der Parlamentarier im Berliner Abgeordnetenhaus Frauen, und diese Quote gilt nicht für alle Parteien. Während die CDU mit nur knapp zehn Prozent Frauen (drei von 31 Abgeordneten) die wenigsten Frauen hat, ziehen Grüne (knapp 60 Prozent) und Linke (knapp 50 Prozent) den Schnitt nach oben.

Der Entwurf der Grünen schreibt nun vor, dass das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt sein müssen.

Die Quotierung soll auch Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen lassen, berücksichtigen. Um eine „echte Ergebnisparität“ zu erreichen, sollen aber nicht nur die Listen quotiert werden – Grüne, Linke und SPD haben bereits quotierte Listen, auf der immer abwechseln Mann und Frau stehen.

Grüne wollen Bezirkslisten abschaffen

Da aber so im Ergebnis durch die Direktmandate dennoch mehr Männer als Frauen ins Parlament einziehen können, wollen die Grünen, wie bereits die Linken vor einem Jahr vorgeschlagen hatten, die Wahlkreise halbieren und immer zwei zusammenlegen.

Die Wahlberechtigten hätten dann für die Wahl des Abgeordnetenhauses drei Stimmen, von denen eine auf die Wahlliste und zwei Stimmen auf jeweils eine Frau und einen Mann in den Wahlkreis entfallen.

Außerdem wollen die Grünen Bezirkslisten zur Abgeordnetenhauswahl abschaffen. Kandidaten sollen über eine Landesliste und die Wahlkreisnominierungen aufgestellt werden. Antje Kapek, Fraktionschefin der Grünen, sieht nämlich gerade in den Bezirkslisten ein Instrument des Machterhalts von Männern. Weder CDU, FDP noch SPD haben eine Landesliste für die Berlin-Wahl.

SPD zeigt sich durch Vorpreschen der Grünen irritiert

Wer sich nicht an die Quote hält, hat spürbare Einbußen, wenn es nach den Grünen geht: „Sollte eine Partei in ihrem Wahlvorschlag den neuen rechtlichen Regelungen nicht folgen, werden deren Listen von jenem Platz an für ungültig erklärt, ab dem die Quotierung nicht mehr erfolgt“, heißt es in dem Entwurf.

Die SPD zeigte sich am Mittwoch irritiert, dass die Grünen nun mit ihrem eigenen Entwurf – ein Jahr nach den Linken – vorgeprescht seien. Den Koalitionspartnern hatten die Grünen ihr Eckpunktepapier nicht extra zukommen lassen. Das fand man in SPD-Kreisen etwas „eigenartig, da die Koalition in der Sache doch an einem Strang zieht“.

Für die Wahl kommt das Paritätsgesetz zu spät

Im Beschluss des SPD-Landesparteitages vom Oktober 2019 stand: „Das neue Paritätsgesetz soll für die Abgeordnetenhauswahl 2021 gelten.“ Dass das nicht mehr zu schaffen ist, ist ein offenes Geheimnis. Für die Wahl 2021 kommt die Novelle in jedem Fall zu spät.

Derya Çaglar, frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, sagte dem Tagesspiegel, es bestehe noch „Abstimmungsbedarf“ in der SPD, man berate in der Arbeitsgruppe einen eigenen Entwurf, bevor der in der Fraktion beschlossen wird.

Absehbar ist, dass auch die SPD für die Zusammenlegung von Wahlkreisen votieren wird. Bis zur Sommerpause wolle man mit den Koalitionspartnern aber einen gemeinsamen Entwurf für ein Paritätsgesetz vorlegen.

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Brandenburg und Thüringen haben bereits ein Paritätsgesetz verabschiedet. In beiden Ländern stehen sie auf dem Prüfstand. In einem von der rechtsextremen NPD, der AfD und der Piratenpartei angestrengten Organstreitverfahren gegen den Brandenburger Landtag will das Verfassungsgericht noch in diesem Jahr verhandeln. Ein Termin stehe jedoch noch nicht fest, sagte eine Gerichtssprecherin am Mittwoch.

Kapek will am liebsten eine Änderung des Grundgesetzes

Brandenburgs Neuregelungen gelten ab Mitte 2020. Sie werden für Berlin ein Fingerzeig sein, ebenso die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek aber betonte, dass der Berliner Entscheidungsprozess eben auch so lange dauere, „weil wir den Brandenburger Vorschlag nicht einfach kopieren wollen, der auf eine reine 50/50-Quote setzt.“

Das sei, ohne die Wahlkreise zu verändern nur eine Quote „auf dem Papier“. Wenn es nach Kapek geht, würde sie am liebsten eine Änderung des Grundgesetzes, so dass in der gesamten Bundesrepublik gelten solle: „Listen, die nicht paritätisch besetzt sind, sind ungültig.“

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