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Alles mit der Ruhe! Sozialsenator Mario Czaja.

© Maurizio Gambarini/dpa

Lageso-Affäre im Berliner Sozialausschuss: Grüne attackieren Senator Mario Czaja

"Jetzt geht es um Ihren Kopf": Die Opposition greift Sozialsenator Mario Czaja (CDU) in einer Lageso-Sondersitzung an. Auch die SPD stellt harte Fragen. Verschwendet das Amt viel Geld an Baufirmen?

Die Opposition ist sich einig. Heiko Thomas von den Grünen fasst es so zusammen: "Nun tragen Sie die komplette Verantwortung allein. Ab jetzt geht es um Ihren Kopf." Klingt hart, kommt aber noch härter. Am Mittwochfrüh im Abgeordnetenhaus: Der Sozialausschuss trifft sich zur Sondersitzung.

Sozialsenator Mario Czaja (CDU) soll in der derzeit drängendsten Frage – wohin mit den Flüchtlingen? – den Überblick verloren haben. Sein Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) mache trotz der so genannten Patensohn-Affäre um Lageso-Chef Franz Allert wacklige Geschäfte mit umstrittenen Baufirmen. Dazu äußerte sich Czaja auch am Mittwoch kaum: Er wolle den Bericht externer Wirtschaftsprüfer abwarten. Und während die CDU schweigt, deutet sich im Ausschuss erstmals an, dass SPD-Abgeordnete von Czaja abrücken könnten – immerhin einem der profiliertesten Männer des Koalitionspartners.

Was ist geschehen? Noch dauert es ja mehr als ein Jahr bis zur nächsten Abgeordnetenhauswahl.

Die SPD-Abgeordnete Ülker Radziwill, als Sozialexpertin ständig im Ausschuss, fragt erst mal vorsichtig nach "mehr Informationen". Der eigens aus dem Stadtentwicklungsausschuss hinzugekommene SPD-Mann Nikolaus Karsten aber legt los: Ob sichergestellt sei, dass dem Land bis zur Vorlage des externen Prüfberichts kein Schaden entstehe? Dafür, sagt Czaja knapp, werde er sorgen. Schlechte Stimmung.

Seit den Korruptionsvorwürfen um Lageso-Chef Allert und die Firmen Pewobe und Gierso steht Czaja unter Druck. Der Druck ist zuletzt zwar kaum noch gestiegen, aber weil die Entscheider im Lageso nicht so leicht von ihrer geübten Praxis – kurze Dienstwege zu etablierten Baufirmen – abrücken können, dürften Opposition und Wirtschaftsprüfer ziemlich viel Ärgerliches finden.

Wollte Czaja nicht die Kontrolle über die Branche zurückholen, rechtssichere Verträge mit Heimbetreibern, mehr Landeshoheit, Transparenz?

Czaja: Brauchen mehr Kontrolle

Tatsächlich hatte Czaja im Herbst 2014 einen Paradigmenwechsel angekündigt: Er wolle mehr landeseigene Häuser auf staatlichen Grundstücken mit allseits anerkannten Heimbetreibern. In der Tat lässt er bald bis zu 36 Neubauten errichten, doch das dauert eben. Und so kann der Senator im Lageso kaum seinen Anspruch durchsetzen, nur einwandfreie Verträge zu machen. Die Beamten haben sich an die Praxis "Hauptsache, wir schaffen Schlafplätze" gewöhnt – und wenig Zeit.

Allein in diesem Mai werden fast 2000 neue Flüchtlinge in Berlin einen Asylantrag gestellt haben. Diese Männer, Frauen und Kinder müssen irgendwo wohnen. Und weil es zu wenig landeseigene Häuser gibt, haben Lageso-Mitarbeiter nach Tagesspiegel-Informationen noch 2015 mündliche Absprachen mit Firmen wie der Pewobe getroffen, die erst später verschriftlicht wurden: Deals, die für die privaten Bauherren zwar lukrativ, für das Land aber kostspielig gewesen sein könnten – und deren Rechtsmäßigkeit die Opposition bezweifelt. Deshalb die Frage des SPD-Abgeordneten nach "Schaden für das Land", und deshalb auch die Bemerkung von Canan Bayram (Grüne): Nimmt die Lageso-Spitze den Senator überhaupt ernst?

Lageso und Baufirmen - immer noch zu viel Nähe?

In einer E-Mail eines Lageso-Beamten an einen Bauunternehmer vom Dezember 2014 hat es nach Tagesspiegel-Informationen etwa sinngemäß geheißen: Alle Neuverträge prüfe nach Czajas ausdrücklichem Wunsch vom Herbst 2014 die behördeninterne Fachaufsicht – weshalb sich Lageso und Baufirma offenbar darauf verständigten, den Vertrag als "Altvertrag" zu deklarieren. Damit kann gemeint sein, ihn als Ergebnis eines früheren Treffens aus dem Sommer auszugeben, den die Fachaufsicht noch nicht routinemäßig prüfen muss. Oder aber, um den Vertrag einfach unter Altverträge einzusortieren, in der Hoffung, die überprüfe so schnell keiner.

Mündliche Absprachen, wonach die Betreiber ohne Vertrag für hohe Vorabsummen mit der Arbeit anfangen, sind zur Regel geworden: Czaja hatte vergangene Woche den Senat informiert, dass von 60 Flüchtlingsheimen 33 ohne aktuell gültigen, schriftlichen Vertrag betrieben werden.

Czaja verweist auf die nun "umfassende Prüfung" durch die Externen. Eingesehen haben deren bisherige Ergebnisse wohl nur sein Stab und er, den Gesamtsenat soll er vor massiven Mängeln der Verträge mit Firmen wie der Pewobe gewarnt haben. Am Mittwoch bestätigte er das nicht. Der Abschlussbericht wird am 17. Juni vorliegen. Am 22. Juni trifft sich der Ausschuss zur nächsten Sondersitzung.

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