Berlin: Grüne wollen mit Bildung punkten
Partei beschließt Wahlprogramm, das Schulen mehr Verantwortung überträgt
Ohne viele, zuweilen kleinteilige Diskussionen läuft bei den Grünen oft nichts. Geht es um die Verabschiedung des Wahlprogramms, sind die Parteimitglieder gar nicht mehr zu halten. Allein 500 Änderungsanträge zum Programmentwurf wurden vor dem Parteitag am Sonnabend eingereicht, immerhin 50 Anträge blieben zur Abstimmung noch übrig. Das Wahlprogramm soll eine „Visitenkarte für die Bürger“ sein, sagte Fraktionschef Volker Ratzmann vor 150 Delegierten im Forum des Deutschen Beamtenbundes in der Friedrichstraße in Mitte.
Am liebsten würde die Partei ihr Programm in einer rot-grünen Regierung umsetzen. Doch statt dem Lieblingskoalitionspartner zu schmeicheln, rechnete die Partei erst mal mit Rot-Rot und der SPD ab. Renate Künast, Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, warf der Berliner Koalition vor, nur den Mangel zu verwalten. Vor allem die Linkspartei habe „keinen Plan“. Als es darum ging, gegen die Erhöhung der Kitagebühren „standfest“ zu sein, habe die PDS versagt. Scharf attackierte Künast auch das Engagement des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) für die Föderalismusreform, die den Bildungs- und Wissenschaftsstandort in Berlin bedrohe. „Wie kann Wowereit es nur zulassen, dass der Bund nicht mehr bei der Finanzierung von Kitas und Schulen mithilft?“, rief sie.
Wirtschaft, Umwelt und vor allem Bildung und Wissenschaft sind die Schwerpunkte, mit denen die Grünen in den Wahlkampf ziehen wollen. Von den erwarteten Mehreinnahmen für das Land in Höhe von 500 bis 700 Millionen Euro sollen jährlich 100 bis 150 Millionen Euro mehr in die Bildung fließen. „Die Schulen brauchen eine größere Personalhoheit und Budgetverantwortlichkeit“, sagte Grünen-Bildungspolitiker Özcan Mutlu. In das Ganztagsschulkonzept sollen sukzessive auch alle Oberschulen und Gymnasien eingebunden werden. Die Partei unterstützt die geplante Einführung des Schulfaches Ethik, will aber auf jeden Fall auch den freiwilligen Religionsunterricht beibehalten.
Jedes Kind unter drei Jahren soll einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz haben. Das letzte Kitajahr vor Schulantritt wollen die Grünen aber nicht verpflichtend für alle Kinder gestalten: Es soll aber kostenfrei sein.
In der Arbeitsmarktpolitik setzen die Grünen auf die Förderung von erneuerbaren Energien, den Ausbau Berlins zur „Solarhauptstadt“ und auf den Gesundheitsbereich. Hier würden die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen. Die Grünen wollen auch die Verantwortung der Bezirke stärken. So soll der Rat der Bürgermeister mit Zweidrittel-Mehrheit ein Veto bei Senatsbeschlüssen einlegen können.
Nach sieben Stunden Debatte verabschiedeten die Grünen am Abend das 65-seitige Wahlprogramm. „Wir sind erstaunt, wie schnell die Diskussion abgeschlossen war“, sagte die designierte Spitzenkandidatin Franziska Eichstädt-Bohlig. Trotz der Antragsflut waren die Delegierten etwas diskussionsmüde: Viele Anträge wurden zurückgezogen oder schlicht durchgewinkt.