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Radfahrer und Fußgänger sind im Straßenverkehr besonders gefährdet.

© Jens Kalaene/dpa

Update

„Keine Unfalltoten mehr“: Berliner Senat beschließt Programm für mehr Verkehrssicherheit

Die Zahl der Verkehrstoten ist so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Der schwarz-rote Senat will mit einer Reihe von Maßnahmen gegensteuern. Die oppositionellen Grünen und der Fußgängerverband haben eigene Ideen.

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Berlin hat jetzt gleich drei Konzepte für mehr Verkehrssicherheit. Das eine beschloss der Senat in seiner wöchentlichen Sitzung. Das andere haben die Grünen am Dienstagmorgen im Abgeordnetenhaus präsentiert. Das dritte legte der Fachverband FUSS e.V. als Reaktion auf den Senatsplan vor.

Das „Verkehrssicherheitsprogramm 2030“ der schwarz-roten Koalition sieht laut Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) vor, „die Zahl der leichten und schweren Verkehrsunfälle bis zum Jahr 2030 stetig und nachhaltig im Vergleich zum Basisjahr 2019 zu reduzieren“. Das Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie war mit mehr als 147.000 registrierten Kollisionen das bisher unfallträchtigste.

Kinder sollen Eltern zu korrektem Verhalten erziehen

Als Ziel nannte die Senatorin, „dass wir keine Unfalltoten mehr in Berlin haben“. Diese „Vision Zero“ steht auch im Koalitionsvertrag, aber 2024 stieg die Zahl der Verkehrstoten sogar um zwei Drittel auf 55; mehr als 15.000 Menschen wurden verletzt. Das nun beschlossene, bisher nicht veröffentlichte Programm besteht laut Bonde aus sieben Schwerpunkten mit mehr als 60 Maßnahmen.

Die Raserei nimmt zu, weil die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, bei null ist.“

Antje Kapek (Grüne), Verkehrspolitikerin

Eine davon ist ein Monitoring, das nach schweren Unfällen die Beseitigung von Infrastrukturmängeln sicherstellt – inklusive Evaluation und „Nachjustierungen“, falls die Umsetzung hakt. Dokumentiert werden solche Mängel von der aus mehreren Behörden zusammengesetzten Unfallkommission, die nach tödlichen Unfällen prüft, ob die Infrastruktur das Unglück begünstigt hat. Viele der empfohlenen Maßnahmen wurden bisher jedoch erst nach Jahren oder gar nicht umgesetzt.

Weitere Schwerpunkte im Senatsplan sind Verbesserungen für den Radverkehr „an Knotenpunkten und entlang der Strecke“, etwa durch verbesserte Sichtverhältnisse. Auch der motorisierte Verkehr soll an Kreuzungen sicherer geführt werden – zumal Abbiegefehler laut Polizei die häufigste Unfallursache sind. Dem Fußverkehr sollen mehr sichere und übersichtliche Querungsmöglichkeiten geschaffen werden. Für Kinder und Jugendliche ist ein „Mobilitätsmanagementkonzept“ geplant.

Bonde schwebt dabei vor, dass Kinder nicht nur selbst angesprochen werden sollen, sondern auch ihre Eltern zu korrektem Verhalten ermahnen. Dieses Ziel habe auch die umstrittene Plüschmonster-Kampagne gehabt. „Bildung und Erziehung“ plant die Verwaltung auch für Senioren, die besonders häufig schwer verunglücken. Etwa die Hälfte der Verkehrstoten 2024 war mindestens 65 Jahre alt.

Geld für Überwachung und sichere Radwege – zuletzt wurde beides gekürzt

Auf Nachfrage sagte Bonde, man habe im Senat auch darüber gesprochen, „dass wir natürlich auch in die Überwachung investieren müssen“. Und für die angekündigten Radverkehrsmaßnahmen sei „natürlich ein Budget hinterlegt“. Doch Zahlen nannte sie mit Verweis auf die noch nicht beschlossenen Haushalte für die nächsten Jahre nicht. Wie berichtet, hatte die Koalition als Sparmaßnahme die Beschaffung neuer Blitzer gestoppt und das Radverkehrsbudget massiv gekürzt.

Für die Grünen ist neben konsequenterer Überwachung – am liebsten mit Blitzern an allen größeren Ampeln – die Ausweitung von Tempo 30 ein entscheidender Punkt für mehr Verkehrssicherheit. Bonde lehnt das mit Verweis aufs Bundesrecht ab: Regelgeschwindigkeit sei Tempo 50; um Tempo 30 anordnen zu können, „brauchen Sie besondere Faktoren“. Ihre Verwaltung hatte vor einiger Zeit auf Anfrage allerdings mitgeteilt, dass in den vergangenen zehn Jahren kein einziges 30er-Schild in Berlin erfolgreich weggeklagt worden ist.

Aus Sicht der Grünen ist geringeres Tempo der Schlüssel zu mehr Verkehrssicherheit. „Die Raserei nimmt zu, weil die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, bei null ist“, sagte Verkehrspolitikerin Antje Kapek. Dabei amortisierten sich neue Blitzer nach weniger als einem Jahr.

Roland Stimpel, Vorstand des Fachverbands FUSS warf Bonde vor, mit ihrer Tempo-50-Offensive das Gegenteil von Sicherheit zu erreichen: „Auf den Straßen, die sie jetzt ins Auge fasst, sank nach der Einführung von Tempo 30 die Zahl der schweren Unfälle um 27 Prozent. Allein an diesen Orten hat die Tempo-Dämpfung rechnerisch jedes Jahr 59 Menschen Leben und Gesundheit bewahrt.“

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